Berlin. Auf der Reisemesse ITB in Berlin geht es um die schöne Welt des Urlaubs - aber auch um Tourismus-Probleme: Airline-Pleiten, Brexit, Klimawandel.
Auf der Reisemesse ITB in Berlin (6. bis 10. März) präsentieren sich wieder die schönsten Urlaubsziele der Welt - und fast alle anderen ebenso. Während die Besucher Inspirationen für ihre nächsten Reisen suchen, diskutiert die Branche hinter den Kulissen auch akute und langfristige Probleme des Tourismus: Airline-Pleiten und Flugchaos, Brexit-Risiko, Umweltprobleme und zunehmende Massen an Gästen in besonders beliebten Zielen. Was wichtig wird:
1. Chaos am Himmel und wertlose Flugtickets
Erst Air Berlin, nun Germania: Wenn Fluggesellschaften pleite gehen, bleiben viele Kunden auf dem Geld für ihre gebuchten Tickets sitzen. Das betrifft Passagiere, die keine Pauschalreise gebucht haben. Der Frust darüber ist groß, Verbraucherschützer erwarten Lösungen. Auch der Deutsche Reiseverband (DRV) forderte nach der Germania-Pleite im Februar erneut eine Insolvenzabsicherung für Airlines. Ob und wann diese jedoch kommt, ist völlig offen.
Hinzu kommt die Sorge, wie stabil der Flugverkehr im Sommer sein wird. Im Jahr 2018 waren unzählige Urlaubsflüge unter anderem wegen der Spätfolgen der Air-Berlin-Pleite ausgefallen oder verspätet. Die betroffenen Kunden warteten teils vergeblich auf rechtmäßige Entschädigungen. Auch an den deutschen Flughäfen lief vieles nicht rund, etwa wegen langsamer Sicherheitskontrollen. So wurde die schönste Zeit des Jahres für viele Urlauber zur großen Enttäuschung. Eine Situation wie 2018 soll sich nicht wiederholen. Doch die Fluglotsengewerkschaft GdF hat bereits vor einem neuerlichen Chaos im europäischen Luftverkehr im kommenden Sommer gewarnt.
2. Der Brexit und seine Folgen
Großbritannien verlässt die EU. Doch zu welchen Bedingungen und mit welchen Folgen, ist immer noch ziemlich offen. Der Brexit dürfte auch große Auswirkungen auf den Reiseverkehr haben. "Das wird sicher ein Thema sein", sagt David Ruetz, Leiter der ITB. Eine Veranstaltung auf der Messe heißt "Großbritannien-Tourismus am Scheideweg".
Auch interessant
Die größte Unsicherheit betrifft die Flüge: Die EU-Kommission hat einen Notfallplan vorgelegt, wonach der Flugverkehr bei einem harten Brexit auf dem Niveau von 2018 aufrechterhalten werden soll. Aber für 2019 neu aufgelegte Sommerverbindungen würden nach Ansicht des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt aus Hamburg ausfallen. Betroffen davon wären Zehntausende Passagiere. Die Wartezeiten bei der Einreise könnten sich zudem noch einmal verlängern, Großbritannien zählt nicht zu den Mitgliedern des Schengener Abkommens. Darüber machten sich auch Busreise-Anbieter Gedanken, wie Ruetz erklärt.
3. Weniger fliegen? - Urlaub in Zeiten des Klimawandels
Es ist eine unangenehme Frage für die Tourismusbranche: Müssten wir alle nicht viel weniger fliegen, um den Klimawandel zu bremsen? Die globale Erwärmung soll in diesem Jahrhundert maximal 1,5 Grad betragen. Entscheidend dabei ist, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Jeder einzelne Bürger trägt aber besonders durch Flugreisen genau zu diesen Emissionen bei - ein Dilemma. Denn das Reisen hat schließlich auch viele Vorteile, ob als Wirtschaftsfaktor und zur Völkerverständigung.
Nachhaltigkeit ist auf dem ITB-Kongress ein Schwerpunktthema. Die Kernfrage lautet: Können wir in Anbetracht des 1,5 Grad-Ziels in Zukunft noch so reisen wie bisher? Wissenschaftler erläutern den Status quo und mögliche Maßnahmen - zum Beispiel teurere Flugtickets. Eine Verhaltensänderung ließe sich wohl nur durch Preissteigerungen erreichen, sagt Ruetz und fragt: "Wollen wir das Erlebnis Reisen einschränken?" Weiter wie bisher, das führe andersherum in den Abgrund, wie die ITB-Verantwortlichen auf der Messe-Website feststellen.
4. Overtourism: Kampf den Besuchermassen
Amsterdam, Venedig, Dubrovnik: Viele beliebte Reiseziele in Europa leiden unter wachsenden Touristenströmen - zum Beispiel weil durch die Vermietung von Wohnungen an Urlauber die Mieten steigen oder zu viele Kreuzfahrtgäste gleichzeitig an Land gehen. Schon Hans Magnus Enzensberger stellte fest, dass der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet. Wie dies zu verhindern ist, darüber wird auf der ITB auch in diesem Jahr wieder intensiv diskutiert.
In vielen Städten hat sich schon einiges getan, es gibt eine Reihe von Pilotprojekten - aber auch drastische Maßnahmen. Gerade erst kündigte die Stadt Paris an, den Unterkunftsvermittler Airbnb auf eine "Rekordstrafe" zu verklagen, da illegale Touristenunterkünfte die Mieten erhöhten. Die Messe zieht Zwischenbilanz: Welche Maßnahmen haben sich bewährt, um die Besuchermassen besser zu steuern? Das Reiseportal Travelzoo wird eine Studie zu Overtourism vorstellen, die das Thema aus Sicht internationaler Urlauber beleuchtet.
5. Luxustourismus
Einen besonderen Fokus setzt die ITB nicht zuletzt auf das Thema der Luxusreisen. Touristiker müssten hohe immaterielle Luxusansprüche erfüllen, Bling Bling sei längst out - zugegeben eine nicht ganz neue These. Nach Ansicht von Ruetz geht es beim "neuen Luxus» um Faktoren wie Zeit, saubere Luft, besondere Dienstleistungen und Geheimtipps, die von der Masse noch unentdeckt sind. Damit passt die Luxus-Debatte zu den Themen der Stunde: Klimawandel und Overtourism. (dpa)