Austin. Zum Texas Two-Step nach Austin: Die US-Metropole hat reichlich Rhythmus und ihren eigenen Charme. Besucher bringen am besten Cowboystiefel mit.

Cowboystiefel eignen sich nicht nur für die Arbeit mit Kühen, sondern auch für den Texas Two-Step. Zum Beispiel im "White Horse" in Austins East End, wo das Gedränge auf der Tanzfläche groß ist und die Country-Musik live und laut - mit Fiedel, Gitarre und Kontrabass.

Honky-Tonk nennt man beides, den Musikstil und diese Art Kneipe. Der Laden brummt. Whiskey fließt vom Fass. Ein schlaksiger Mann brüllt gegen die Musik an und bittet zum Tanz. Das Publikum bildet einen bunten Mikrokosmos: Möchtegern-Cowboys und echte Rancher, Yuppie-Mädel mit High Heels, tätowierte Rocker, Studenten in Strickpullis und flotte Senioren, die Hipster-Jungspunten so manchen Two-Step-Trick voraushaben.

Passt nicht zum Texas-Klischee

Austin tanzt aus der Reihe. Die Hauptstadt des zweitgrößten US-Bundesstaates passt so gar nicht ins Texas-Klischee. Mehr als zwei Millionen Menschen wohnen im Großraum der liberalen Enklave mit konservativem Umland. So polarisiert die USA derzeit scheinen, in Austin vertragen sich die Menschen gut. Die Stadt im hügeligen Hill Country, an vier künstlichen Seen gelegen, gehört zu den am schnellsten wachsenden Metropolen des Landes.

Zum Texas Two-Step nach Austin

Diese Statue erinnert an den legendären Gitarrist Stevie Ray Vaughan.
Diese Statue erinnert an den legendären Gitarrist Stevie Ray Vaughan. © dpa
Blick über die South Congress Avenue in Richtung Skyline - Austin ist eine moderne und zudem liberale Metropole.
Blick über die South Congress Avenue in Richtung Skyline - Austin ist eine moderne und zudem liberale Metropole. © dpa
Die Skyline von Austin, davor der Lady Bird Lake - in der Metropole in Texas hält der Bauboom an.
Die Skyline von Austin, davor der Lady Bird Lake - in der Metropole in Texas hält der Bauboom an. © dpa
Weithin sichtbar: Das Texas State Capitol in Austin.
Weithin sichtbar: Das Texas State Capitol in Austin. © dpa
Wie wäre es mit einer Kajaktour? Diese Wassersportler bereiten auf dem Lady Bird Lake ihre Boote vor.
Wie wäre es mit einer Kajaktour? Diese Wassersportler bereiten auf dem Lady Bird Lake ihre Boote vor. © dpa
Texanisches Schuhwerk: Stiefel in allen Variationen gibt es in Austin zum Beispiel bei Allens Boots.
Texanisches Schuhwerk: Stiefel in allen Variationen gibt es in Austin zum Beispiel bei Allens Boots. © dpa
Graffiti in Austin: Die Stadt ist bekannt für ihre viele Straßenkunst.
Graffiti in Austin: Die Stadt ist bekannt für ihre viele Straßenkunst. © dpa
Das South by Southwest (SXSW) ist ein großes Festival in Austin - das auch jede Menge Live-Musik bietet.
Das South by Southwest (SXSW) ist ein großes Festival in Austin - das auch jede Menge Live-Musik bietet. © dpa
Ohne Musik geht nichts: Das gilt in Austin auch für große Festivals wie das South by Southwest (SXSW).
Ohne Musik geht nichts: Das gilt in Austin auch für große Festivals wie das South by Southwest (SXSW). © dpa
Die Musik ist in Austin allgegenwärtig - zum Beispiel durch diese Skulptur in Form einer Gitarre.
Die Musik ist in Austin allgegenwärtig - zum Beispiel durch diese Skulptur in Form einer Gitarre. © dpa
Moderne Glastürme überragen alte Häuser in Austins Innenstadt. Manche in der Stadt haben Angst, dass bei dem Boom auch langjährige Bewohner auf der Strecke bleiben könnten.
Moderne Glastürme überragen alte Häuser in Austins Innenstadt. Manche in der Stadt haben Angst, dass bei dem Boom auch langjährige Bewohner auf der Strecke bleiben könnten. © dpa
Altehrwürdiges Haus und eine gute Adresse, um von dort das Nachtleben zu erkunden: das Hotel
Altehrwürdiges Haus und eine gute Adresse, um von dort das Nachtleben zu erkunden: das Hotel "Driskill". © dpa
Willie-Nelson-Statue vor dem ACL: Ist dieser Outlaw-Musiker ein Cowboy oder ein Hippie - oder beides?
Willie-Nelson-Statue vor dem ACL: Ist dieser Outlaw-Musiker ein Cowboy oder ein Hippie - oder beides? © dpa
Am Abend versammeln sich auf der Congress Avenue Bridge jede Menge Schaulustige, die Fledermäuse beobachten wollen - die schwärmen dann zur Futtersuche aus.
Am Abend versammeln sich auf der Congress Avenue Bridge jede Menge Schaulustige, die Fledermäuse beobachten wollen - die schwärmen dann zur Futtersuche aus. © dpa
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Willie Nelson zog 1972 nach Austin. Den heute 85-jährigen Country-Sänger mit den langen Flechtzöpfen kennen in Europa viele nicht. "Bei uns ist er sowas wie ein Gott", sagt Freizeitmusiker Andrew Kobren. Dieser Analogie folgend, wäre die Musikhalle Austin City Limits (ACL) der Himmel. Kobren führt durch den Komplex. Für die heimische Musikszene habe der Kastenbau im schicken Downtown-Geschäftsviertel 2nd Street Kultstatus. Das ACL hat Austins Image als selbsternannte "Welthauptstadt der Live-Musik" landesweit verbreitet. Mehr als 100 Konzerte finden jedes Jahr hier statt. Für lokale Musiker ist ein Auftritt oft das Sprungbrett auf die nationale Bühne.

Honky-Tonk, Country- und Folk-Musik

Zu den Hochzeiten von Hippie-Bewegung und Vietnam-Protesten waren der Songwriter und viele Kollegen genervt vom Establishment. Sie hatten die kommerziellen Musikzentren New York, Los Angeles und Nashville satt. Viele packten die Koffer und gingen nach Austin. Studenten hatten frischen Wind ins alte Hill Country gewirbelt. Aber die Musiktraditionen blieben fest im Honky-Tonk verwurzelt. Newcomer wie Nelson bauten auf dem Fundament auf und brachten neue Einflüsse mit.

Auch die berühmte Sängerin Janis Joplin studierte 1962 in Austin. Neuzugänge wie sie entwickelten die Country- und Folk-Musik ab den frühen 1960er Jahren zu einer kraftvollen Ausdrucksform der Gegenkultur weiter. Austin wurde bekannt für ihre Cosmic Cowboys. Diese Country-Musiker verschmolzen regionale Konventionen mit progressiven Strömungen zu originellen neuen Trends wie Outlaw Country - sozialkritische Westernmusik mit Rebellenanspruch. Johnny Cash ist ein Beispiel. Willie Nelson ebenso. Vor dem ACL steht eine überlebensgroße Bronzestatue des Outlaw-Oldies mit Bandana-Kopftuch, Westernstiefeln und entrücktem Blick. Ein Hippie-Cowboy oder Cowboy-Hippie?

Jede Nachbarschaft mit eigenem Flair

Die Musikgeschichte prägt Austins urbane Kultur. Live-Musik erklingt nicht nur auf vielen Festivals, sondern auch an Straßenecken, in Supermärkten, Kirchen, Parks und auf Ratsversammlungen. Es sind vor allem die kleinen Bühnen in mehr als 250 Kneipen, Cafés, Restaurants und Bars, mit denen das Gastgewerbe die Tausenden Bands in dieser Stadt unterstützt. Ein loyales Publikum sorgt für gute Umsätze.

Der Straßenplan Austins sieht fast aus wie ein Schachbrett. Durch das Karomuster windet sich der zum Lady Bird Lake aufgestaute und von Rad- und Spazierwegen gesäumte Colorado River, der mit dem gleichnamigen Fluss im Grand Canyon nichts zu tun hat. Austin ist in Nachbarschaften gegliedert, jede mit eigenem Flair. Die Innenstadtteile Red River District und Sixth Street mit zweistöckigen Backsteinhäusern und bunter Leuchtreklame gelten als Epizentrum der Live-Musik.

Partymeile blockweise für Autos gesperrt

Vom Säulenbalkon des Hotels "Driskill", 1886 von Rinderbaron Jesse Driskill erbaut, kann man den Trubel gut überblicken. Am Wochenende ist die Partymeile blockweise für Autos gesperrt. Live-Bands spielen in offenen Schaufenstern. Der Kneipenbummel wird zur Freiluft-Party. Für Blues-Fans liegt die beste Adresse gleich um die Ecke: In "Antone's Nightclub" trat 1975 der legendäre Gitarrist Stevie Ray Vaughan ein paar Mal wöchentlich auf.

Seit 2000 herrscht ein Wolkenkratzer-Bauboom in Austin . Die Stadt wird attraktiver, aber auch teurer. Lokale Künstler fürchten langfristig aus der Stadt verdrängt zu werden. Noch sind Süd- und Ost-Austin kreative Tummelplätze. Ein Generationsbetrieb wie Allens Boots mit Hunderten Westernstiefeln von Strass bis Alligator kann sich vorerst ebenso halten wie die exzentrische Hipster-Cocktailbar "Whisler's" mit Hirschgeweih und Madonnenschrein.

Bier und Hillbilly-Balladen

Im "White Horse" mag man es bodenständiger. Herzhafte Tacos passen gut zu Bier und Hillbilly-Balladen. Der schlaksige Batik-Cowboy nickt aufmunternd. Also gut, Texas Two-Step: zweimal schnell, ein langsamer Schritt, halt, das sind doch drei Schritte! Zum Glück schützen die Cowboystiefel vor dem Getrampel auswärtiger Anfänger. (dpa)