George Town. . Tief hinein ins alte und moderne Malaysia führt ein dreifacher Städtetrip: nach George Town auf der Insel Penang, Malakka und nach Kuala Lumpur.
Die Perspektive befremdet. So nah am Asphalt, ganz vorn in der Fahrradrikscha, ungeschützt. Für Passagiere ein spannender Logenplatz ohne Knautschzone, umströmt vom Linksverkehr. Erhöht dahinter tritt Mister Chyuan mit Schlappen in die Pedale.
Der Steuermann ist 36, chinesischstämmig. Wegen seines Körpervolumens nennen ihn alle nur Fatty. So stellt er sich selbst vor. Fatty müht sich ohne Gangschaltung voran, schnauft ein wenig und behält mit stoischer Miene die Ruhe zwischen Autos, Ampeln und Abzweigungen. Seit drei Jahren kutschiert er Touristen auf Sightseeingtouren durch das malaysische George Town.
Multikulti von europäisch bis fernöstlich
Die Stadt atmet drückende Schwüle und reichlich Geschichte. Sie zählt zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Briten setzten sich ab 1786 fest und benannten die Hauptstadt der Insel Penang nach König George III. Im Abendlicht strampelt Fatty an Town Hall, City Hall, Festungsmauern und Uhrturm vorbei. Es riecht nach Meer, Essensständen, Abgasen.
Typisch für Malaysia, das im März Partnerland der Reisemesse ITB in Berlin sein wird, ist der Mix der Kulturen und Religionen. An derselben Straße wie die anglikanische Kirche St. George's liegen der chinesische Tempel Goddess of Mercy, der Hindutempel Sri Maha Mariamman und die Moschee Kapitan Keling.
Farbenspektakel und am Fuß des Penang
Fatty wischt sich den Schweiß von der Stirn, während er an von der Zeit zerfressenen Fassaden und origineller Street Art vorbeirollt. Der Wolkenkratzer Komtar flimmert in der Dunkelheit in Grün, Blau und Rot. Malaysier lieben Spezialeffekte wie diese. Ein Shoppingcenter pustet klimatisierte Luft auf die Straße. Dann hat Fatty Feierabend.
Wer nicht auf dem Penang Hill gewesen ist, ist nicht auf Penang gewesen, heißt es im Volksmund. Im Rücken von George Town steigt der Berg mehr als 800 Meter an. Zu Beginn der Kolonialzeit bauten die Briten dort oben den Gouverneurspalast und ein Sanatorium. Die Europäer versuchten in der Höhenluft Malaria, Cholera und Pocken auszukurieren. Oder taten ihre letzten Atemzüge.
Mit der Gondel vom Meerespiegel auf über 800 Meter
Hinauf ins Grün führt eine Standseilbahn, bei der Mister Anas, 33, am Steuer sitzt. Die Fliehkräfte drücken zurück, die Geschwindigkeit ist enorm. Bis zu 100 Fahrten schaffe er pro Tag, sagt Mister Anas. In den Tiefen zu erkennen sind der Buddha-Tempel Kek Lok Si und die Penang-Brücke hinüber zum Festland. Die Strandresorts von Batu Ferringhi lassen sich in der Ferne erahnen.
Open-Air-Kunst verbindet George Town mit Ipoh, Zwischenstation auf dem Weg nach Kuala Lumpur und Sprungbrett in die Cameron Highlands mit ihren Erdbeerfeldern und Teeplantagen. Über Ipohs zentraler Market Lane schwebt eine Installation bunter Schirme. Die Ära der Zinnbarone ist in der Hauptstadt des Bundesstaats Perak längst vorbei und das Prädikat des Bahnhofs als "Taj Mahal von Ipoh" übertrieben.
Wolkenkratzer überragen Tempel und Minarette
Die Vielfalt Malaysias
Ein Megaplakat nahe der Zugstation verkündet: "Der Islam ist eine Religion des Friedens." Der Islam gehört zu Malaysia. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch. Was bereits in George Town aufgefallen ist: Die jungen Frauen mit Kopftuch wirken fröhlich, unbeschwert, weltoffen. Fern von Radikalisierung, dafür mit Lidstrich und Lippenstift. "Wir praktizieren einen moderaten, keinen extremen Islam wie in anderen Ländern", sagt Nolee Radzi, 43, Tourismusministerin von Perak, die Schleier trägt.
Minarette und Tempel stehen in Kuala Lumpur längst im Schatten einer himmelsstürmenden Architektur, an der Malaysias Hauptstadt in den vergangenen Jahren gefeilt hat. Die Zwillingstürme der Petronas Towers , 452 Meter hoch, sind abends spektakulär erleuchtet. Die Aufzüge schießen bis zur Sky Bridge, die beide Türme verbindet, und höher in die 86. Etage. Die Aussicht ist prächtig.
Das Stadtzentrum von Kuala Lumpur ist voller Leben
Zur DNA Kuala Lumpurs zählen Chinatown, Little India, Zentralmarkt, Königspalast, der Merdeka Square mit dem eleganten Sultan Abdul Samad Building aus der Kolonialepoche der Briten. Vor diesem stieg am Fahnenmast 1957 erstmals die Flagge des unabhängigen Malaysias auf.
Nach Sonnenuntergang pulsiert in der Changkat Bukit Bintang das pralle Leben. Rhythmen dringen aus Cocktailbars, Bäume tragen Überzüge aus Blinklichtern. In der Alor Street strömen Menschenmassen zu Freiluftrestaurants und Garküchen.
Relikte aus Kolonialzeiten
Malakka, ebenfalls Weltkulturerbe, rundet den Städtetrip im Westen Malaysias ab. Die Lage an der Malakkastraße gab einst den Ausschlag dafür, dass Fremde anrückten. Überbleibsel der Portugiesen ist die Porta de Santiago, ein Zugangstor zur 1511 begründeten Festung. Erhalten aus der späteren Ära der Niederländer hat sich das lachsrote Stadthuys. Im Innern eines chinesischen Stadtpalais, das heute als Museum fungiert, findet sich ein asiatisch-europäischer Stilmix.
Die wechselseitigen Einflüsse, die gegenseitige Akzeptanz - das setzt sich überall fort. Chinesische Lampions in der anglikanischen Christ Church. Schweinefleisch im Restaurant gegenüber der Moschee Kampung Kling. Indisch-chinesische Küche. Alles normal.
Hauptsache laut und bunt
Mobile Wahrzeichen von Malakka sind die Radrikschas, die mit reichlich Edelkitsch verziert sind: Plüschtiere und Hupen, Figürchen, Fähnchen, Masken, Girlanden aus bunten Plastikblumen. Unterwegs mutieren die Gefährte zu rollenden Diskos. Die Bässe wummern derart, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Da sehnt man sich nach Fatty aus George Town zurück. Im Nachhinein klingen die leichten Schnaufer des Schwergewichts wie Musik in den Ohren.