Kirkenes. Eine Seereise mit den Hurtigruten-Postschiffen im Winter ist eine Reise ans Ende der Welt - auf der Suche nach den Farben und dem Licht.

Torstein Gaustad löst Alarm aus. Nordlicht-Alarm.

Torstein Gaustad ist Expeditionsleiter auf der
Torstein Gaustad ist Expeditionsleiter auf der "Kong Harald". © dpa

Noch ist da nur ein grüner Schimmer am Horizont. Doch die Passagiere der "Kong Harald" haben auf die Durchsage sehnsüchtig gewartet.

Viele Schiffsgäste lassen ihren Rinderbraten im Restaurant stehen, laufen in die Kabine, um Jacke, Mütze und Handschuhe zu holen und gehen nach draußen aufs Promenadendeck, Backbordseite, so wie es Expeditionsleiter Gaustad geraten hat.

Buntes Naturschauspiel

Fast alle sind absichtlich im Winter auf diese Reise mit Hurtigruten entlang der norwegischen Küste aufgebrochen, um das berühmte Himmelsphänomen zu sehen. "Wegen der Nordlichter", sagt das Ehepaar aus Großbritannien. Die alleinstehende Frau aus Australien: "Ich wollte einmal in meinem Leben die Nordlichter sehen und die Kälte erleben.

Winterreise ans Ende der Welt

Nächtliches Farbspiel: Die Polarlichter sind das Highlight einer Winterreise mit Hurtigruten.
Nächtliches Farbspiel: Die Polarlichter sind das Highlight einer Winterreise mit Hurtigruten. © dpa
Das einzige Licht des Tages: Die Sonne kommt in den Wintermonaten in Nordnorwegen nur für wenige Stunden über den Horizont.
Das einzige Licht des Tages: Die Sonne kommt in den Wintermonaten in Nordnorwegen nur für wenige Stunden über den Horizont. © dpa
Magisches Licht der blauen Stunde: Wenn sich nördlich des Polarkreises die Sonne am Morgen Ewigkeiten Zeit lässt, herrscht draußen eine ganz besondere Stimmung.
Magisches Licht der blauen Stunde: Wenn sich nördlich des Polarkreises die Sonne am Morgen Ewigkeiten Zeit lässt, herrscht draußen eine ganz besondere Stimmung. © dpa
Schneeverwehungen: Die Fahrt zum Nordkap erfolgt im Winter meist hinter einem Schneepflug.
Schneeverwehungen: Die Fahrt zum Nordkap erfolgt im Winter meist hinter einem Schneepflug. © dpa
Für viele der Höhepunkt der Reise: Nur noch rund 2100 Kilometer sind es vom Nordkap bis zum Nordpol.
Für viele der Höhepunkt der Reise: Nur noch rund 2100 Kilometer sind es vom Nordkap bis zum Nordpol. © dpa
Ohrenbetäubender Lärm: Die Huskys im Villmarkssenter bei Tromsø fiebern dem Start entgegen.
Ohrenbetäubender Lärm: Die Huskys im Villmarkssenter bei Tromsø fiebern dem Start entgegen. © dpa
Torstein Gaustad ist Expeditionsleiter auf der
Torstein Gaustad ist Expeditionsleiter auf der "Kong Harald". © dpa
Dick vermummte Gestalten an Deck: Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind dicke Klamotten Pflicht.
Dick vermummte Gestalten an Deck: Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sind dicke Klamotten Pflicht. © dpa
Die
Die "Kong Harald" wurde 1993 in der Volkswerft Stralsund gebaut. © dpa
Die Natur ist der Star auf den Hurtigrutenschiffen: Ein Passagier steht am Heck der
Die Natur ist der Star auf den Hurtigrutenschiffen: Ein Passagier steht am Heck der "Kong Harald" und schaut in die untergehende Sonne. © dpa
Unter norwegischer Flagge: Seit mehr als 125 Jahren verbinden die Hurtigruten-Schiffe die Orte an der norwegischen Küste.
Unter norwegischer Flagge: Seit mehr als 125 Jahren verbinden die Hurtigruten-Schiffe die Orte an der norwegischen Küste. © dpa
Gezogen von Huskys geht es bei Tromsø durch verschneite Wälder und über zugefrorene Seen.
Gezogen von Huskys geht es bei Tromsø durch verschneite Wälder und über zugefrorene Seen. © dpa
Eine Fahrt mit den Hurtigruten-Postschiffen im Winter ist eine Reise ans Ende der Welt - auf der Suche nach den Farben und dem Licht.
Eine Fahrt mit den Hurtigruten-Postschiffen im Winter ist eine Reise ans Ende der Welt - auf der Suche nach den Farben und dem Licht. © dpa
Die
Die "Kong Harald" ist eines von rund einem Dutzend Schiffe der Hurtigruten. © dpa
1/14

In Australien haben wir derzeit 40 Grad Hitze." Auch Japaner sind dabei. "Sie glauben, dass es besonderes Glück bringt, unter dem Nordlicht ein Kind zu zeugen", erklärt Gaustad. "Dementsprechend rennen nur die älteren japanischen Passagiere bei Nordlicht-Alarm aufs Deck, die jüngeren rennen in entgegengesetzte Richtung." Auf dieser Reise sind offenbar nur ältere Japaner an Bord.

Auch für Gaustad, der seit sechs Jahren auf den Hurtigruten-Schiffen fährt, sind die Nordlichter immer noch etwas ganz Spezielles. In klaren Nächten schaut er oft in den Himmel und gibt dann den ersehnten Alarm. "Wir sagen den Gästen immer: Ja, ihr könnt natürlich Fotos machen. Aber konzentriert euch nicht zu sehr darauf. Es ist viel wichtiger, dass ihr dieses Erlebnis einfach in euch aufnehmt."

Echter Farbentanz

In der ersten Nacht hier oben nördlich des Polarkreises, wo es die Nordlichter in der Regel überhaupt nur gibt, ist die Ausbeute noch nicht so ergiebig. Das ändert sich in der darauffolgenden. Und jetzt ist es nicht mehr nur ein grünes Schimmern, sondern ein echter Farbentanz, von Gelb über Grün bis Blau und Lila. Wer das gesehen hat, vergisst es so schnell nicht.

In dieser Nacht auf dem Weg zwischen Tromsö und Honningsvag stehen die Passagiere noch lange an Deck. Die Hurtigruten-Mitarbeiter zitieren gerne einen Spruch aus Nordnorwegen: Schlafen kannst du im Süden. Nur, wer es vor lauter Kälte gar nicht mehr aushält, verzieht sich in die Aussichtslounge. Doch wer im Winter auf diese Seereise geht, weiß eigentlich, worauf er sich einlässt und ist gerüstet: mit Funktionskleidung, Thermounterwäsche, Mützen und Handschuhen. Da kann einem selbst der Fahrtwind bei minus zwölf Grad nichts anhaben.

Charme des heimischen Hobbykellers

Am Tag das gleiche Bild: dick vermummte Gestalten auf dem Promenadendeck 5, entweder mit Kamera im Anschlag oder einfach der Nase im Wind. Das Schiff bietet keine große Ablenkung. Wer ein Spa, eine Kletterwand oder ein Theater wie auf einem normalen Kreuzfahrtschiff sucht, wird bei Hurtigruten nicht fündig. Nur einen kleinen Raum mit ein paar Fitnessgeräten gibt es auf der "Kong Harald", tief unten im Schiffsbauch eine kleine Sauna, die den Charme des heimischen Hobbykellers versprüht. Natürlich gibt es gutes, meist regionales Essen, und das Expeditionsteam bietet Vorträge an. Doch das ist es in Sachen Bordunterhaltung. Wofür bräuchte man sie auch?

Eine Fahrt mit den Hurtigruten-Postschiffen im Winter ist eine Reise ans Ende der Welt - auf der Suche nach den Farben und dem Licht.
Eine Fahrt mit den Hurtigruten-Postschiffen im Winter ist eine Reise ans Ende der Welt - auf der Suche nach den Farben und dem Licht. © dpa

Und so steht man an Deck, im Februar, und kann sich nichts Schöneres vorstellen als das Farbenspiel zu beobachten: Wenn es am Morgen nach der Nacht mit Polarlichtern langsam hell wird, sich die Sonne aber noch lange Zeit lässt und dieses ganz besondere magische Licht der blauen Stunde produziert. Die tief verschneiten Berge erstrahlen in rosa-rotfarbenen Tönen, darüber der Himmel in allen Blauschattierungen, dazu die immer noch hell erleuchteten kleinen Städte, in denen die "Kong Harald" anlegt, und das Schwarz der Fjorde, durch die sich das Schiff fast lautlos fortbewegt.

Wanderungen oder Hundeschlittentouren

Meist im Abstand von zwei bis drei Stunden legt die "Kong Harald" nach einem festen und für alle Schiffe gleichen Fahrplan in den Städten entlang der Route an. Selten dauern die Stopps länger als 15 Minuten, zu wenig zum Aussteigen und Bummeln. Längere Aufenthalte gibt es nur in größeren Städten wie Tromsö. Dort stehen geführte Wanderungen oder Hundeschlittentouren auf dem Programm.

Und dann ist es ganz nahe, das Ende der Welt - zumindest das Ende von Europa. Etwas mehr als 30 Kilometer Fahrstrecke sind es noch vom Hafen Honningsvag aus bis zum Nordkap. Schon die Busfahrt über die vereiste und verschneite Straße aus der kleinen Stadt hinaus in die Berge ist ein Erlebnis. Das letzte Drittel der Strecke ist durch Schneeverwehungen oft so gefährlich, dass die Durchfahrt im Winter nur im Konvoi hinter einem Schneepflug erlaubt ist.

Tränen in den Augen

Für etliche Mitglieder der Gruppe ist das Nordkap ein langgehegter Traum. Manchen stehen Tränen in den Augen, als sie von der bekannten Globus-Skulptur aus in die Ferne blicken, und das nicht nur wegen des eisigen Windes. Einige reißen die Arme nach oben und lassen sich quasi mit der Weltkugel in den Armen fotografieren. Andere genießen den Moment in Stille mit ihrem Partner. Nur noch Spitzbergen und rund 2100 Kilometer trennen die Gruppe hier vom Nordpol. (dpa)