Oberammergau. . Die Oberammergauer machen sich bereit für ihre 42. Passionsspiele, die vom 16. Mai bis 4. Oktober 2020 stattfinden. Jetzt wurden die Namen der Hauptdarsteller bekannt gegeben.
Die Spannung steigt im oberbayrischen Oberammergau. Die Vorbereitungen für die 42. Passionsspiele im Jahr 2020 laufen. Wer aus dem Ort wird den Jesus spielen? Wer den Judas, Pilatus und die Maria Magdalena? Denn um bei den Passionsspielen mitzuspielen, muss man in Oberammergau geboren sein oder mindestens 20 Jahre im Ort leben.
Am vergangenen Wochenende wurden nun erste Geheimnisse gelüftet: Die Namen der Hauptdarsteller. Sie wurden vor dem Passionstheater an zwei große schwarze Schiefertafeln geschrieben. Hunderte Einheimische und Gäste sahen zu, wie Buchstabe um Buchstabe mit weißer Kreide sorgfältig aufgemalt wurde – übrigens zum ersten Mal von einer Frau.
Bekanntgabe der Darsteller-Namen
Insgesamt sind es 42 Namen, denn jede der 21 Hauptrollen wird doppelt besetzt. „Es ist ein unglaublich schwieriger Akt. Wir haben wochenlang gesessen und versucht, die richtige Kombination zu finden“, sagt Christian Stückl.
1990 hat der gebürtige Oberammergauer als jüngster Spielleiter überhaupt mit 24 Jahren die Inszenierung der Passionsspiele übernommen. Im „normalen Leben“ ist der heute 56-Jährige Intendant des Münchner Volkstheaters. „Ich konnte vor der Veröffentlichung der Namen kaum schlafen, da ich weiß, dass einige vielleicht auch enttäuscht sein werden.“
Insgesamt haben sich 1830 Oberammergauer beworben – für Sprechrollen bis zum Platzanweiser. So viele Oberammergauer wie nie wollen mitspielen - und erstmals mehr Frauen als Männer. Zusammen mit etwa 500 Kindern, die im Herbst 2019 erfasst werden, wird zur Passion dann etwa die Hälfte der 5300 Einwohner auf der Bühne sein. Die meisten von ihnen müssen sich für die Spielabende und Proben freinehmen, das funktioniert aber nicht mit jedem Job. „Es kann daher auch sein, dass noch jemand von seiner Rolle zurücktritt“, sagt Stückl.
Spielleiter Christian Stückl will neue Akzente setzen
Am Vorabend hatte Stückl dem Gemeinderat in geheimer Sitzung seine Rollenvorschläge vorgelegt, es gab kein Veto, obwohl seine Entscheidungen schon oft umstritten waren. Früher entschieden die Gemeinderäte über die Hauptrollen. Inzwischen wählt Stückl selbst.
Bei seiner ersten Passion hatte er gleich eine wichtige Rolle an einen Protestanten gegeben und damit für Diskussionen gesorgt. Er wirkte darauf hin, dass im Jahr 2000 erstmals Konfessionslose und Andersgläubige zugelassen wurden. Und er stritt dafür, dass Frauen, die älter als 35 Jahre alt sind oder auch verheiratet nun auch die Maria spielen dürfen.
Auch in seiner vierten Inszenierung will der Spielleiter neue Akzente setzen: Er schafft den Prolog ab und sorgt damit für Debatten im Gemeinderat und in der Bevölkerung. Aber Stückl bleibt dabei: „Es ist nicht nötig, eine Figur zu haben, die nach jeder Szene, die ich auf der Bühne sehe, erklärt, was ich zu sehen habe.“ Auch Jesus will er greifbarer machen. „ Früher habe ich Jesus lauter inszeniert, jetzt soll er ruhiger und konsequenter sein. Seine Botschaft muss eine größere Rolle spielen.“
Passion mit jungem Messias und muslimischen Spielern
Auch mit der Auswahl der Darsteller setzt Christian Stückl wieder ein Zeichen: Eine insgesamt verjüngte Schauspielertruppe, ein sehr junger Jesus, und erstmals zwei Oberammergauer muslimischen Glaubens sind in wichtigen Rollen dabei. Zum zweiten Mal wird Frederik Mayet (38) den Christus geben, zusammen mit dem 22-jährigen Rochus Rückel. Der Raumfahrttechnik-Student wird zweitjüngster Jesus der Passionsgeschichte. Letzten Sommer hat er im Passionstheater den „Wilhem Tell“ gegeben.
Den Judas besetzte Christian Stückl mit dem Politikwissenschaftler Martin Schuster sowie dem 18 Jahre alten Cengiz Görür, ein gebürtiger Oberammergauer türkischer Abstammung und muslimischen Glaubens. Auch Stückls zweiter Spielleiter Abdullah Karaca, ebenfalls Muslim, bekommt mit dem Nikodemus eine wichtige Rolle. „Diese Besetzungen sind keine Provokationen“, betont Stückl. „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen die Schauspieler ausgesucht.“
Petrus stellen Martin Güntner sowie Benedikt Geisenhof dar. Die Rolle des Pontius Pilatus übernehmen Hotelier Anton Preisinger und Carsten Lück. Auch Stückls Vater Peter wird als einer der Hohenpriester Annas mit der dabei sein. Für die Rolle der Maria wählte er zwei bewährte Spielerinnen: Holzbildhauerin Andrea Hecht (47) ist zum dritten Mal die Gottesmutter, Eva Reiser (34) hatte 2010 die Maria Magdalena gespielt. Die Flugbegleiterin will sich für die Passion beurlauben lassen, „denn anders wird es kaum gehen.“
Die Passionsspiele in Oberammergau
120 größere und kleinere Sprechrollen
Die beiden Marias wie auch die anderen Hauptdarsteller hatten sich am vergangenen Wochenende mit hunderten Einheimischen vor dem Passionstheater versammelt - und wussten nicht, ob und welche Rolle sie bekommen sollten. Die meisten der „Auserwählten“ - ganz egal welchen Glaubens – standen aber mit leuchtenden Augen vor dem Theater. „Jesus“ Rochus Rückel sagte, er habe nicht einmal zu denken gewagt, die Rolle zu bekommen. Und „Judas“ Cengiz Güngör meint: „Ich freue mich wahnsinnig auf meine Rolle.“ Insgesamt gibt es 120 größere und kleinere Sprechrollen.
„Der Jesus ist übrigens anders als man denken könnte nicht die beliebteste Rolle in den Passionsspielen“, sagt Frederik Mayet. „Die lange Zeit unbeweglich am Kreuz zu hängen ist nicht einfach.“ Er fühlt sich dennoch sehr geehrt zum zweiten Mal den Christus spielen zu dürfen. „Damit hätte ich nie gerechnet“, sagt Mayet, der künstlerischer Direktor am Münchner Volkstheater ist. „Am beliebtesten sind die römischen Soldaten – weil man sich für die Rolle nicht die Haare wachsen lassen muss.“ 217 Meldungen gab es dafür, aber nur 50 werden gebraucht.
Alle anderen Darsteller lassen sich ab Aschermittwoch 2019 der Tradition folgend, die Haare und die Männer auch die Bärte wachsen. „Viele Oberammergauer arbeiten übrigens in künstlerischen Berufen und im Film oder Fernsehen – wahrscheinlich weil die meisten schon als Kind auf der Bühne des Passionstheaters gestanden haben", meint Mayet.
Haare schneiden nach der Passion
Es gibt allerdings auch einen Friseur in Oberammergau, der ab März 2019 erstmal eine lange Durststrecke zu überwinden hat. Nach der Passion ist er allerdings der meistbeschäftige Mann im Ort. „Jesus“ und seine Jünger haben sich aber 2010 zum Abschluss der Passion gegenseitig die Haare geschnitten: „Das war ein schönes Abschlussritual“, sagt Frederik Mayet.
Er freut sich, dass es jetzt bald los geht. „Wir proben ein halbes Jahr fast jeden Abend. Wir lernen uns dabei richtig gut kennen. Oberammergau wird durch die Passionsspiele richtig zusammengeschweißt – sie haben eine hohe integrative Kraft für den Ort. Für uns Oberammergauer sind die Passionsspiele eben auch unsere Passion.“
Erneuerung des Gelübdes von 1633
Vor der Bekanntgabe der Namen wurde mit einem großen Ökumenischen Festgottesdienst auf der Freiluftbühne im Passionstheater das Gelübde erneuert. Denn die Entstehung der Passionsspiele geht auf ein Gelübde aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück. In Oberammergau starben 80 Menschen an der Pest. Die Verzweiflung war so groß, dass die Oberammergauer 1633 schworen, alle zehn Jahre das Leiden und Sterben Christi aufzuführen, wenn niemand mehr an der Pest stirbt. Ihr Flehen wurde erhört und so führten die Oberammergauer 1634 das erste Passionsspiel auf. Seitdem findet das "Spiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus" im Passionstheater mit seinen 4.500 überdachten Plätzen statt.
Zu den rund 103 Aufführungen kommen 1/2 Million Zuschauer aus der ganzen Welt - aus den USA, Skandinavien und sogar von den Philippinen, in den beschaulichen Ort im Ammertal am Fuße des Kofel, umringt von den Ammergauer Alpen. "Rund eine Million zusätzlicher Übernachtungen in Deutschland in den Festspieljahren sind ein deutlicher Beleg für die internationale Strahlkraft dieses Ereignisses“, erzählt Frederik Mayet, der auch Pressesprecher der Passionsspiele ist.
Aber auch über die Passionsspiele hinaus hat Oberammergau, das rund eine Stunde von München entfernt liegt, einiges zu bieten: Es ist bekannt für die sogenannte Lüftlmalerei an den Hauswänden und das Kunsthandwerk der Holzschnitzer. Kloster Ettal und Schloss Linderhof sowie Garmisch-Patenkirchen sind nur 20 Minuten entfernt. Auch ein Ausflug in die Berge ist ein Muss – zum Beispiel auf den Laber, auf den man auch bequem mit der Gondel fahren kann. Von dort hat man einen atemberaubenden Blick bis zur Zugspitze.
Aufführungen und Kartenverkauf
Die fünfstündige Aufführung der Passionsspiele beginnt nachmittags mit dem Einzug in Jerusalem und erzählt die Passionsgeschichte über das Abendmahl bis hin zur Kreuzigung. Sie endet in den Abendstunden mit der Auferstehung. Insgesamt sind 103 Vorstellungen geplant, die Premiere ist am 16. Mai und die letzte Aufführung findet am 4. Oktober 2020 statt. Für den reibungslosen Ablauf sorgen eine hohe Professionalität in der Organisation (es gibt zum Beispiel Shuttlebusse aus anderen Orten), jahrelange Erfahrung und der lange Vorlauf.
Um den Besucheransturm gerecht zu werden, bietet das Dorf traditionell Arrangements an. Diese Pakete beinhalten außer einer Eintrittskarte auch eine (ab 294 Euro pro Person im Doppelzimmer) oder zwei Übernachtungen (ab 394 Euro pro Person im Doppelzimmer) und Abendessen. Der Vorverkauf der Arrangements läuft schon. Der Vorverkauf für Karten ohne Arrangements startet 2019.
So geht es weiter bis 2020
Im Juli 2019 findet zunächst die Premiere des „Pest-Spiels“ im Passionstheater statt. Seit 1928 wird mit dem Pestspiel die Entstehungsgeschichte der Passionsspiele nacherzählt. Im November 2019 beginnen dann die Proben zum 42. Passionsspiel. Chor und Orchester werden etwas früher beginnen und die Darsteller der Hauptrollen werden sich bei einer - von Theologen begleiteten - Fahrt nach Israel im September 2019 auf ihre Aufgabe vorbereiten.
Weitere Informationen unter www.passionsspiele-oberammergau.de und www.ammergauer-alpen.de