Iserlohn. . Die Dechenhöhle im Sauerland wurde vor 150 Jahren entdeckt und gehört zu den besucherstärksten Schauhöhlen in NRW - und hat noch Geheimnisse.

Wer ganz still stehenbleibt, damit keine Kiesel unter den Füßen knirschen, kann im Inneren des Berges die Zeit verrinnen hören - Tropfen für Tropfen. Wasser hat zusammen mit Kalk in der Dechenhöhle im Sauerland ein Kunstwerk aus Stalagmiten und Stalaktiten geschaffen, das vermutlich mehr als 800.000 Jahre alt ist. Etwa 10 Jahre braucht es, bis ein Millimeter des bizarren Gesteins aus Säulen, Zapfen und verwunschenen Formen entstanden ist. Viel verändert hat im Innern der Höhle im sauerländischen Iserlohn also nicht, seit sie vor 150 Jahren zufällig entdeckt worden ist. Am 9. Juni feiert die Höhle ihr Jubiläum mit einem bunten Programm.

Eisenbahnbauarbeitern war Anfang Juni 1868 ein Werkzeug in eine Spalte gerutscht. Sie stießen dahinter auf ein geräumiges Höhlensystem mit Hallen, Gängen und bis heute nicht gänzlich erschlossenen Geheimnissen. Es liegt, wie man inzwischen weiß, in einem der höhlenreichsten Täler Deutschlands: Auf nur zwei Kilometern fanden Forscher insgesamt über 20 Kilometer unterirdische Gänge.

Forscher in der Höhle

"Ich bin überzeugt, dass da noch ganz viel ist, von dem wir nichts wissen", sagt Stefan Niggemann, der heutige Betreiber der Höhle. Schon als Jugendlicher führte er Besucher durch die Dechenhöhle. Der Geologe kennt die Geschichte "seiner" Höhle gut - und er kennt den Balance-Akt zwischen touristischem Erfolg und wissenschaftlichem Interesse.

Frühe Forscherhoffnungen hatte die Höhle zunächst enttäuscht: In der Archäologie herrschte zum Zeitpunkt der Entdeckung Aufregung um Funde urmenschlicher Knochen im Neandertal. Doch weitere Belege für die damals umstrittene These fanden die Forscher in Iserlohn nicht - so prächtig die Dechenhöhle auch war.

Für Besucher geöffnet

Bereits im ersten Jahr nach ihrer Entdeckung wurde entschieden, sie für Besucher zu öffnen, die in Scharen kamen: 10.000 waren es im ersten Jahr, 30.000 im Jahr darauf. Als eine der ersten Höhlen weltweit erhielt sie 1890 elektrisches Licht. Nach den Weltkriegen gelang der Höhle ein Besucherrekord nach dem nächsten. 1952 war mit 322.000 Gästen der Höhepunkt erreicht. Vor allem Ausflügler und Schülergruppen aus dem nahen Ruhrgebiet suchten und fanden saubere Luft im Sauerland und besuchten die Höhle als regionale Attraktion.

Gleichzeitig nahmen ehrenamtliche Höhlenkundler um den späteren Betreiber der Höhle, Elmar Hammerschmidt, einen neuen Anlauf, in die Tiefe zu gehen: Sie bargen Tierknochen und untersuchten das Gestein und die geologische Entwicklungen der Höhle. Heute versuchen die Forscher, in den Tropfsteinen die Geschichte des Klimas abzulesen.

Frühere Touristenmassen

Forschung und touristischer Betrieb seien dabei kein Widerspruch: "Ich bin davon überzeugt, dass die frühe Entscheidung, die Höhle zur Schauhöhle auszubauen, die Höhle gerettet hat", sagt Niggemann. "Es hätte sich sonst niemand gekümmert", glaubt er. Höhlenräuber und Vandalen hätten dann leichtes Spiel gehabt.

Doch die Touristenmassen der Nachkriegszeit sind inzwischen längst Geschichte. Mit dem Ausbau der Autobahn 45 quer durchs Sauerland lief erst die Attahöhle in Attendorn der Dechenhöhle den Rang als beliebteste Höhle NRWs ab, später schuf sich das Ruhrgebiet seine eigenen touristischen Attraktionen. In den vergangenen Jahren hat sich die Besucherzahl pro Jahr auf um die 60.000 eingependelt.

Die Besonderheiten von Höhlen

Vor ähnlichen Entwicklungen stünden viele Besucherhöhlen bundesweit, sagt auch Anne Ipsen, beim Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher zuständig für Schauhöhlen. "Im harten Markt der touristischen Attraktionen sind Höhlen zunehmend darauf angewiesen, ihre Besonderheiten herauszustreichen", sagt sie. Bei der Dechenhöhle sei das etwa die lange Geschichte und ihr Reichtum an tierischen Knochen. "Höher, schneller, multimedialer ist dabei gar nicht immer der beste Weg", sagt sie. Vielmehr komme es darauf an, gut dosiert und gleichzeitig leidenschaftlich Fachwissen zu vermitteln, "ohne, dass der Standard-Tourist gelangweilt abschaltet". Das gelingt dem engagierten Team in Iserlohn aus ihrer Sicht gut.

Als Höhlenbetreiber müsse man erfinderisch sein, weiß Niggemann. In der Weihnachtszeit gibt es Führungen bei Kerzenlicht, Musiker nutzen die besondere Atmosphäre für Konzerte. Sogar Whisky-Verkostungen gab es schon in der Höhle. "Wenn es den ein oder anderen für Tropfsteinhöhlen erwärmt, ist es ja gut", sagt er. (dpa/lnw)