Kairo. “Sicherheit vor Freiheit“ - so könnte die Präsidentenwahl in Ägypten überschrieben sein. Niemand kann gewinnen außer Amtsinhaber Al-Sisi.

Unter der immer brennenden Sonne Ägyptens, durch die stets überfüllten Straßen Kairos, fährt ein Lieferwagen mit Lautsprechern. Knarzende Ansagen unterbrechen patriotische Lieder: "Kommt raus und wählt!" Die Abstimmung über die Präsidentschaft sei eine "nationale Aufgabe", tönt es. Der Wagen verschwindet ins Häusermeer. "Als wäre das eine richtige Wahl, kein Theaterstück", entfährt es dem Gast eines Straßencafés.

Tatsächlich lässt die Wahl des Präsidenten, die an diesem Montag beginnt und drei Tage dauert, keinen Spielraum und keine Entscheidung zu: Der autoritäre Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi tritt für eine zweite Amtszeit an. Und sonst nur ein Mann, den in Ägypten kaum jemand kennt. Niemand zweifelt an einem deutlichen Sieg Al-Sisis.

Der Wahlkampf war in den vergangenen Monaten in gewisser Weise ein Spiegel seiner Amtszeit. Der vom mächtigen Militär unterstützte Ex-Feldmarschall dominiert die Öffentlichkeit. Sein Konterfei prangt auf Plakaten überall im Land, die gelenkten Medien kennen fast nichts anderes als Al-Sisi-Lobeshymnen. Gleichzeitig wurden namhafte Konkurrenten unter dubiosen Umständen aus dem Weg geräumt. Sie wurden festgehalten oder verhaftet, andere Kandidaten zogen sich aus Sorge um die Sicherheit ihrer Wahlkampfhelfer zurück.

Einschüchterung der Presse

Vom Geist der arabischen Aufstände 2011, als nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Husni Mubarak alles, sogar Demokratie, möglich erschien, scheint nichts übrig. Al-Sisi, der 2013 als Armeechef den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi nach Massenprotesten stürzte, ordnete der Sicherheit und Stabilität alles unter.

Ein repressives Anti-Terror-Gesetz, Einschränkungen für die Arbeit von Nicht-Regierungsorganisationen, Einschüchterung der Presse: Viele Ägypter empfinden die Unterdrückung unter Al-Sisi deutlich stärker als unter Mubarak. Nicht nur die islamistischen Muslimbrüder werden verfolgt und zu Zehntausenden eingesperrt, sondern auch friedliche Demonstranten und Regierungskritiker.

Es seien dunkle Zeiten für Menschenrechtler, sagt Aida Seif al-Dawla, Mitbegründerin des Nadim-Zentrums für die Rehabilitierung von Folteropfern. Ein Teil der angesehenen Einrichtung, die sich um die Opfer von Polizeigewalt kümmert, wurde vergangenes Jahr von den Behörden geschlossen. "Sie haben jede Menschenrechtsorganisation auf eine unterschiedliche Art gepackt", sagt Al-Dawla. Von Präsident Al-Sisi erwartet sie in dessen zweiten Amtszeit, dass dieser die Daumenschrauben noch weiter anzieht.

Bombenanschlag auf Ferienflieger 2015

Dabei sind einige Bedrohungen, gegen die Al-Sisi kämpft, durchaus real. Dschihadisten sind auf der Sinai-Halbinsel aktiv, immer wieder erschüttern Anschläge das Land: auf Christen, Muslime oder Sicherheitskräfte. Im Herbst starben beim Angriff auf eine Moschee mehr als 300 Menschen. Am Samstag vor der Wahl explodierte eine Autobombe in Alexandria, die einen Polizeichef treffen sollte.

Urlaubsgebiete blieben seit dem Bombenanschlag auf einen russischen Ferienflieger 2015 vom Terror aber weitgehend verschont. Der Tourismus hat sich erholt: Vor allem mehr Gäste aus Deutschland könnten Hurghada, Scharm el Scheich und Luxor ein Rekordjahr bringen.

Das Geld aus dem Tourismus braucht das klamme Ägypten dringend. Eine tiefe Wirtschaftskrise bestimmte die erste Amtszeit Al-Sisis. Das grundlegende Problem dabei: Die Bevölkerung wächst wesentlich schneller als die Ökonomie. Nötige Reformen führten zu steigenden Preisen und Unzufriedenheit.

Lob für den Amtsinhaber

"Das Leben ist so hart jetzt", sagt ein ehemaliger Unternehmer. Er findet, Al-Sisi habe falsche Prioritäten gesetzt. Ein Taxifahrer meint dagegen, mit einem anderen Präsidenten wäre es auch nicht besser gelaufen. Das tadellose Image des 63-Jährigen hat Kratzer bekommen, doch die meisten Ägypter scheinen ihm weiter zu vertrauen.

Zur Wahl gehen wollen aber die Wenigsten. "Viele Wähler sehen das Ergebnis als vorab beschlossene Sache an, deshalb sehen sie keinen Grund, zu den Wahllokalen zu gehen", erklärt Amr Haschim vom Al-Ahram Zentrum für politische Studien in Kairo. Die einzig wahre Herausforderung ist also eine halbwegs akzeptable Wahlbeteiligung.

Die Mobilisierung dürfte schwer werden, zumal Al-Sisis Mitbewerber, Mussa Mustafa, wenige zur Urne locken wird. Der Chef der kleinen Partei Al-Ghad gilt als Alibi-Kandidat, der den Amtsinhaber lieber lobt, als Wahlkampf zu führen. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur betonte er trotzdem: "Unsere Kandidatur ist keine Augenwischerei."

Sieg ist nur Formsache

Al-Sisi sagte in einem TV-Interview, er habe nichts damit zu tun, dass er keine echten Gegner habe. "Ich schwöre bei Gott, ich wünschte, es gäbe einen, zwei oder zehn Gegenkandidaten." Aber das Land und die Parteien seien dafür noch nicht bereit.

Europa und auch die Bundesregierung halten sich mit Kritik zurück. Berlin schickte die Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler vor, die sich "besorgt" zeigte. Ägypten, heißt es immer wieder, sei mit knapp 95 Millionen Einwohnern "zu wichtig zum Scheitern". Für die Kanzlerin scheint zu zählen, dass es nicht zu einer Drehscheibe für Flüchtlinge wird - Syrien und Libyen sind mahnende Beispiele.

Al-Sisis Sieg ist nur Formsache, das eigentliche Ringen um die Macht scheint sich woanders abzuspielen. Die Neubesetzung wichtiger Posten beim Militär und in den Sicherheitskräften legte zuletzt die Vermutung nahe, dass ein Riss durch die oberen Führungszirkel geht. Wie sehr es dort wirklich rumort, könnten die nächsten vier Jahre zeigen: Nicht wenige erwarten von Al-Sisi, dass er die Verfassung ändern will, um auch 2022 zur Wahl antreten zu können. (dpa)