Essen. Als Europas Kulturhauptstadt 2018 hat die friesische Stadt eine Menge Charme zu bieten. Ihre Besucher aus aller Welt möchte sie in diesem Jahr begeistern – und hat sich dafür extra fein herausgeputzt.

Sie wirkt wie eine Art Mini-Amsterdam, die friesische Stadt Leeuwarden. Mit Grachten und den typisch holländischen Stadthäusern, die sich aneinanderzuschmiegen scheinen - in den Erdgeschossen viele schnuckelige Ladenlokale. Leeuwarden bereitet sich gerade auf seinen großen Auftritt als Europas Kulturhauptstadt 2018 vor, die sie sich mit Valetta auf Malta teilt. Es gibt schon speziellen Käse und eigens designte Kulturhauptstadt-Tassen zu kaufen. Ein vorfreudiges Knistern liegt in der Luft. Und das, obwohl die Friesen ja eigentlich als ein eher unaufgeregter Menschenschlag gelten. Zeit, mal einen Blick auf die 110.000- Einwohner-Stadt an der niederländischen Westküste zu werfen.

Eine junge Stadt im Umbau

Als Sitz der Provinzverwaltung Friesland ist Leeuwarden ein Ort der Angestellten und Beamten, aber auch der Studenten – 15.000 besuchen die hiesigen Fachhochschulen. Und auch die enorme Zahl der Plattenläden links und rechts der Grachten deutet auf eine junge Stadt hin, die sich im Umbau befindet: Aus dem ehemaligen Postamt ist das nobel-schicke „Post Plaza Hotel“ geworden, aus dem alten Gefängnis in der Stadtmitte entstand ein Kulturzentrum, das coole Szene-Restaurant „Proefverlof“ mit ambitionierter Speisekarte ist schon fertig. Das 302 Jahre alte Rathaus mit einer Galerie der niederländischen Könige und Königinnen ist allerdings noch in Gebrauch, und Bürgermeister Ferdinandus Crone von der Arbeitspartei, den hier alle nur Ferd nennen, sagt stolz: „Ich arbeite immer noch in dem originalen Amtszimmer, das nenne ich Nachhaltigkeit!“ Leeuwarden, eine der vielen Stadtgründungen des Mittelalters in Friesland, prosperierte mit Fischerei und Seehandel einst so sehr, dass es zeitweilig der Sitz des Königshauses war.

So arbeitet man recht offensiv mit der Tatsache, dass die als Tänzerin und Spionin sagenumwobene Mata Hari in Leeuwarden 1876 als Margaretha Zelle das Licht der Welt erblickte oder dass der begnadete Zeichner von Vexierbildern, Maurits Cornelis („M.C.“) Escher, hier zur Welt kam. Beiden widmet das Friesland-Museum am zentralen Marktplatz, das vor 140 Jahren gegründet wurde, jeweils eine große Ausstellung. Das Museum besitzt übrigens die größte Regionalsammlung der Niederlande und bekam vor vier Jahren für 18 Millionen Euro einen spektakulär schönen, lichten Neubau „spendiert“.

Elf Städte - Verbunden durch eine dicke Eisschicht

Noch bekannter als Mata Hari und M.C. Escher ist allerdings die „Elfstedentocht“, die Elf-Städte-Fahrt durch Friesland, die immer dann stattfindet, wenn die Kanäle der Region ganz zufrieren, sodass man mit Schlittschuhen darüberfahren kann. Die letzte Elfstedentocht fand 1997 statt – und da es in Zeiten des Klimawandels im Bereich des Möglichen liegt, dass dies die letzte „Elfstedentocht“ bleibt, werden die Städte der Rundfahrt im Kulturhauptstadt-Jahr durch eine weitere Gemeinsamkeit verbunden: Sie alle bekommen einen Brunnen, den jeweils ein international renommierter Künstler gestaltet hat.

Kulturhauptstadt 2018 - Und die Hauptstadt Frieslands

Leeuwarden (sprich: Le uwarden, mit einem gehauchten „u“) ist für das Jahr 2018 zwei Hauptstädte in einer: Europas Kulturhauptstadt sowie die Hauptstadt Frieslands – das aber schon sehr lange. Friesland ist die eigenständigste der zwölf Provinzen unserer niederländischen Nachbarn. Die Region hat viel Nordseeufer, aber kaum Strände: Die grünen Wiesen fransen beinahe direkt ins Wattenmeer aus. Der Landstrich lockt deshalb weit weniger Badegäste an als die Westküste. Friesisch ist neben Niederländisch Amtssprache in „Fryslân“, wie Friesland auf Friesisch heißt, einer Sprache die heutzutage immerhin noch von rund 350.000 Menschen gesprochen wird.

Als sich Leeuwarden 2013 in den Niederlanden beim Rennen um den Kulturhauptstadt-Titel gegen die Konkurrenz der klassischen Kulturstädte Den Haag, Eindhoven, Utrecht und Maastricht durchsetzte, waren nicht wenige Beobachter überrascht. Aber Leeuwarden hatte sich Essen und das Ruhrgebiet zum Vorbild genommen, als man sich 2008 an die Bewerbung machte: eine ganze Region mit einer Stadt als Fahnenträger vorneweg. Die Klammer der gesamten Bewerbung war die friesische Kultur und Eigenständigkeit. Und das Programm sollte von unten auf erarbeitet werden, mit den Kulturschaffenden vor Ort und nicht von oben verordnet. So jedenfalls der hehre Vorsatz: Wir machen es wie im Revier! Und so wurde halb Leeuwarden während der Vorbereitungen zur Baustelle. Vor dem Bahnhof, an der Nieuwestad- Gracht: überall waren die Straßen und Pflaster der Stadt aufgerissen. Schließlich will man sich extrafein präsentieren für die Besucher aus aller Welt.