München/Kiel . Italien, Spanien, Griechenland: Diese Länder haben schon immer viele Studienreisende angelockt. Welche Länder liegen noch im Trend? Welche nicht?
Die Weltlage als turbulent zu bezeichnen, ist eher noch eine Untertreibung. Terror und Krisen, wohin man schaut. Beides hat Einfluss auf den Tourismus. Das gilt umso mehr für Studien- und Erlebnisreisen. Dieses Klientel befasst sich - anders als viele Strandurlauber - intensiv mit dem Reiseland. "Daher werden sie eher abgeschreckt, wenn schlechte Nachrichten die Attraktivität des Reiseziels beeinträchtigen", sagt Prof. Torsten Kirstges, Tourismusforscher von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Welche Länder laufen derzeit gut - welche nicht? Das sind die Trends
Russland ist wieder voll zurück
Krim-Annexion, Ostukraine-Konflikt, westliche Sanktionen: Russland war als Reiseziel lange abgeschrieben.
Diese Zeiten sind offenbar vorbei. Bei Gebeco mit seiner Studienreisemarke Dr. Tigges erzielte das Land 2017 ein Gästeplus von 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. "Das ist ganz erstaunlich", sagt Gebeco-Geschäftsführer Ury Steinweg. "Es sind die besten Russland-Jahre, die wir je hatten." Für 2018, wenn die Fußball-WM in dem Land stattfindet, kündigt sich bei dem Veranstalter weiteres Wachstum an.
"Russland kommt kontinuierlich zurück", sagt auch Peter-Mario Kubsch, Geschäftsführer von Studiosus in München. Europas größter Anbieter von Studienreisen verzeichnete 2017 ein Gästeplus von immerhin 11 Prozent für das Land. Eine steigende Nachfrage beobachtet auch der Veranstalter Windrose. Zwar ist der von Russland befeuerte Krieg im Osten der Ukraine nicht vorbei. Doch viele deutsche Reisende denken trotzdem: Da kann man wieder hinfahren. Sicherheitsprobleme gibt es auf Russland-Reisen jedenfalls soweit nicht.
Hellas und der hohe Norden locken in Europa
Besonders ein Land hebt sich ab: "Griechenland ist der große Gewinner in Europa", sagt Kubsch mit Blick auf 2017. Das Plus lag bei satten 60 Prozent. Die Flüchtlingskrise sei kein Thema mehr. "Der positive Trend wird sich 2018 fortsetzen." Auch bei Gebeco zählt Griechenland zu den Gewinnern der Saison. Laut Steinweg sind vor allem die Länder gut gelaufen, die in der Wahrnehmung als sicher gelten.
Davon hat zum Beispiel auch Nordeuropa profitiert: Länder wie Schweden und Norwegen legen bei Studiosus seit Jahren zu, wenn auch auf niedrigem Niveau. Es gibt aber eine Ausnahme: Das einstige Boomziel Island läuft nicht mehr so gut. "Das Land ist einfach zu teuer geworden", sagt Steinweg. Der Grund war der krasse Ansturm von Reisenden, Stichwort Overtourism. Darauf war die kleine Insel nicht vorbereitet. "Hotels waren überbelegt, die Infrastruktur an den Hauptsehenswürdigkeiten überlastet", berichtet Kubsch.
Frankreich hat bei Studiosus wieder zugelegt, nachdem Terroranschläge 2016 viele Reisende abschreckten. "Frankreich hat die Verluste wieder ausgeglichen", bestätigt Steinweg. Konstant liefen bei Gebeco die klassischen Studienreiseziele Italien und Spanien.
Kein Comeback für die Türkei und Ägypten
Die türkische Riviera und das Rote Meer mögen hunderttausende sonnenhungrige Strandurlauber anlocken - für Kultur- und Rundreisen sind die beiden Länder weiterhin nicht gefragt. "In der Türkei hatten wir 2017 keinen einzigen Reisenden", berichtet Kubsch.
"Wir hatten sieben Gäste auf vier Terminen und mussten alles absagen." Der Studiosus-Chef verweist auf das schlechte Image des Landes.
Auch die Kulturstätten entlang des Nils können noch keine Massen an interessierten Reisenden anlocken. Wie viele andere arabische Länder sei Ägypten für Rundreisen derzeit nicht so beliebt, sagt Steinweg. Studiosus sieht immerhin ein kleines Plus: 240 Gäste brachte der Veranstalter 2017 ins Land. In guten Jahren waren es etwa 4500.
Durchwachsen sieht es in anderen muslimischen Ländern aus: In Marokko sind die Zahlen bei Gebeco zuletzt weiter zurückgegangen, man sieht aber eine Erholung in 2018. Studiosus sieht "kaum Belebung". Der Oman und die Emirate laufen aber weiterhin gut. Bei Studiosus lagen die beiden Länder 2017 mit 25 Prozent im Plus.
Viel Interesse an Japan
Japan gilt immer noch als absolut exotisches Reiseziel - und lockt derzeit spürbar mehr Reisende. Bei Gebeco ist das Land "massiv im Plus", bei Studiosus lief es zuletzt "sehr gut". "Es ist gefühlt nicht mehr so extrem teuer", sagt Steinweg. Den positiven Trend sieht auch Windrose: "Auf dem asiatischen Markt erlebte Japan ein deutliches Gästeplus", berichtet Geschäftsführer Marc Herrgott.
Zwei Aufsteiger der vergangenen Jahre haben bei Studiosus zuletzt dagegen nicht mehr so viele Studienreisende angelockt: Iran und Kuba. Auf der Karibikinsel haben die Preise angezogen, gleichzeitig gab es Probleme bei der Qualität der Hotels, hört man von den Veranstaltern. Die Hurrikans im Herbst kamen noch hinzu. Bei Gebeco verkauften sich Kuba-Reisen 2017 immerhin auf konstantem Niveau.
Weiterhin sehr beliebt in Asien sind die Ziele Vietnam, Kambodscha und Laos. Wieder zugelegt hat China, das bei Studiosus 2017 mit 38 Prozent im Plus lag. Vietnam ist bei Gebeco eines der Top-Ziele. Starke Nachfrage auf hohem Niveau beobachtet hier auch Windrose. Myanmar wuchs als Rundreiseziel lange kräftig, leidet derzeit aber unter der Rohingya-Krise.
Kein Angst vor dem Heiligen Land
Eine notorische unruhige Region lockt wieder vermehrt Studienreisende an: das Heilige Land. "Israel und Jordanien wachsen enorm, das ist überraschend", sagt Steinweg. Eine Buchungszurückhaltung wegen der aktuellen Ausschreitungen in Jerusalem beobachte man nicht. Im November und Dezember wurde gut gebucht. "Nur wenige glauben, dass die Lage wirklich eskaliert", gibt Steinweg als Erklärung an. Auch bei Studiosus ist die Zahl der Israel-Reisenden kräftig gewachsen.
Und wo geht es sonst noch hin?
Mehr Erlebnis- als Studienreisen sind Rundtouren durch das südliche Afrika - und diese boomen bei allen Veranstaltern weiter stark.
Südafrika, Namibia und Botsuana bleiben beliebt. Windrose sieht außerdem in Südamerika mit Argentinien, Brasilien, Chile und Peru weitere "Rising Stars" des Jahres 2017.
Wenn bei Studien- und Erlebnis-Rundreisen die Rede ist, muss man jedoch eines beachten: "Bei vielen In-Zielen ist das absolute Reiseaufkommen sehr gering", sagt Prof. Kirstges. "Selbst die Türkei verzeichnet heute weitaus mehr Urlaubsreisen der Deutschen als Island, Iran, China und Japan zusammen." (dpa)