Goma. Es ist ein beeindruckendes Naturspektakel im Konfliktgebiet: Der aktive Vulkan Nyiragongo im Ostkongo. Nationalpark-Ranger begleiten Touristen.
Patrick Saroti kann sich nicht satt sehen am spinnennetzartigen Muster rotglühender Lava unter ihm. Etwa drei Mal pro Woche steigt der Wildhüter auf den 3.469 Meter hohen Vulkan Nyiragongo im Osten des Kongo, um Touristen zu begleiten. Und ist jedes Mal wieder beeindruckt: "Das ist so unglaublich schön. Selbst wenn man es schon tausend Mal gesehen hat, will man es immer wieder sehen." Laut rauscht der Lavasee, es riecht nach Schwefel. Zwei Krähen schlagen im heftigen Aufwind Kapriolen, es nieselt und es ist kalt auf dem Gipfel des Vulkans im Virunga-Nationalpark.
Die 7.800 Quadratkilometer Nationalpark werden von etwa 600 Rangern bewacht und gehören wegen des Reichtums an Pflanzen- und Tierarten seit 1979 zum Weltnaturerbe der Unesco. Zu den Besonderheiten des 1925 gegründeten Virunga zählen neben den Vulkanen die Berggorillas, die in der Region als letzte einer bedrohten Art in freier Natur leben.
Aber trotz aller Schönheit kam der Tourismus hier in den vergangenen Jahren wegen des blutigen Konflikts in der Region zeitweise zum Erliegen. Erst langsam steigt die Zahl der Besucher wieder, weil sich die Sicherheitslage leicht verbessert hat. Trotzdem: "Mehrere bewaffnete Gruppen haben sich im Park verschanzt", erläutert Deogracias Matemane, ein weiterer Ranger, der Touristen auf den Gipfel des Nyiragongo begleitet.
Schmuggler handeln mit Affenbabys
Im Osten des Kongo kämpfen seit 20 Jahren Milizen und staatliche Truppen um Macht und die Kontrolle über die Bodenschätze. Weltweit ist kein anderer Nationalpark für Wildhüter so gefährlich wie der Virunga. Seit Beginn des Konflikts wurden mehr als 140 Ranger im Dienst ermordet.
Viele Menschen wollen sich an den vielfältigen Schätzen des Virunga bereichern und schrecken vor nichts zurück. Wilderer verkaufen das Elfenbein der Elefanten, Schmuggler handeln mit Gorilla- oder Schimpansenbabys, illegale Köhler verheizen die Bäume, verarmte Dorfbewohner legen trotz aller Verbote Felder im Schutzgebiet an und jagen geschützte Tiere, um etwas auf den Teller zu kriegen.
"Natürlich ist unser Job gefährlich", sagt der 27-jährige Matemane, der wie seine Kollegen die grüne Militäruniform der Wildhüter trägt. "Aber wir können unseren Beruf trotz der Risiken nicht aufgeben. Wir müssen den Virunga verteidigen und dürfen keine Angst vor dem Sterben haben - schließlich kann man überall sterben", sagt der junge Familienvater. Die Kalaschnikow, die wie ein Funkgerät zur Ausrüstung der Rangers gehört, sei hier an den Hängen des Nyiragongo allerdings reine Vorsichtsmaßnahme: "Hier haben wir alle Milizionäre besiegt." Sonst würden sie auch keine Touristen nach oben begleiten.
Jobs sind rar im Kongo
Sollte Matemane getötet werden, würde er zwei Kinder hinterlassen. Dennoch hat seine Frau keine Einwände gegen seinen Beruf. "Sie hat mich überhaupt erst auf die Idee gebracht, Ranger zu werden", erzählt er. "Ich hatte keine Arbeit, der Job im Nationalpark war eine Möglichkeit." Seine Frau habe gesagt, es sei gut, wenn er sich für die Umwelt engagiere.
Der junge Ranger will daran mitwirken, den Reichtum der Natur für künftige Generationen zu erhalten. Aber er will und muss auch einfach Geld verdienen. Denn Jobs sind rar im Kongo, trotz allen Reichtums an Bodenschätzen leben laut UN-Angaben 80 Prozent der 77 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Eine feste Anstellung mit einem Gehalt, das tatsächlich regelmäßig gezahlt wird, ist ein großes Privileg.
Den Blick für die Schönheit der Natur haben sich Saroti und Matemane jedoch trotz aller Routine und Gefahr erhalten. Im kalten Nachtwind wendet Saroti die Augen kaum vom Lavasee. Auf der rotglühenden Oberfläche bilden sich dunkle Platten aus erstarrtem Basalt, zwischen denen heißes Magma schimmert. "Als ich das erste Mal hier oben war habe ich mich wirklich gefragt, ob ich nicht vielleicht direkt in den Höllenschlund schaue", sagt der 25-Jährige. "Die Lava kann ja tatsächlich viele Menschen töten."
Angst und Respekt vor dem Vulkan
Beim letzten Ausbruch vor 15 Jahren zerstörte der Lavastrom mehrere Dörfer und schlug dann eine Schneise durch die Provinzhauptstadt Goma. Knapp 150 Menschen kamen dabei ums Leben, eine halbe Million musste in Sicherheit gebracht werden - darunter viele, die in Goma Zuflucht gesucht hatten vor den Kämpfen.
Bis heute sprechen die Menschen über den Vulkan mit Angst und Respekt, wie Matemane erzählt. Schließlich ist der Berg extrem aktiv und damit sehr gefährlich. "Aber seit 2002 haben wir einen vulkanologischen Dienst, der die Bevölkerung regelmäßig informiert." Dank der Messinstrumente könnten Goma und die umliegenden Dörfer nun rechtzeitig evakuiert werden.
Der Nyiragongo vereint Gefahr und Schönheit. "Kein anderer Nationalpark hat einen Vulkan mit einem Lavasee, der so gut sichtbar ist", schwärmt Saroti. "Das ist etwas ganz Besonderes, und wir sind stolz darauf." Dann steigt der Ranger ein paar Meter ab, um in einer der Schutzhütten am Kraterrand ein wenig zu schlafen. (epd)