In diesem Jahr feiert die Silvaner-Traube ihren 350. Geburtstag: Zum Jubiläum erwartet die Weinregion Genuss-Touristen
Das Gesicht des Weins ist frisch, kantig, hat eine Römernase und trägt einen blonden Haarschopf. Es ist leicht verwittert, von Falten durchzogen, mit weißem Lockenkranz und Brille. Oder es ist mittelalt mit rundem Gesicht, Stupsnase und leicht lockigem braunem Haar. Kahlköpfig mit Dreitagebart.
Das Gesicht des Weins sind erst einmal die Winzer, denn sie sind es, die aus den Trauben den Göttertrunk machen. Doch der Wein hat auch ein anderes Gesicht, das der Landschaft, des Klimas und Bodens. Und wenn Boden und Reben eine glückliche Ehe eingehen, dann werden große Weine geboren. Einer ist der Silvaner, der in Franken den Ton angibt – seit langen 350 Jahren.
Entstanden ist der saftig-mineralische Weißwein aus einer spontanen Kreuzung zwischen Traminer und Österreichisch-Weiß, auch als „Bettschisser” bekannt, wie Dr. Hermann Kolesch von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau verrät. Bis heute nennen alte Leute in Franken den Silvaner „Österreicher”. Wann und wie er Österreicher nach Franken kam, ist schriftlich festgehalten. Wer die Urkunde sehen will, der muss nach Castell ins Kanzleiarchiv, dem ältesten Gebäude des Ortes. Am 5. April 1659 holte der Bote Michael Saueracker auf fürstlichen Auftrag 25 Fechser Silvaner beim Händler Georg Krems in Obereisenheim. Die Frau des Händlers war ein Jahr zuvor in Castell zur Kur. Einer von vielen Kurgästen, denn das stattliche Gebäude wurde damals als Wildbad genutzt. Erst später, als der Kurbetrieb zum Erliegen gekommen war, zog die Verwaltung der Grafschaft ins Haus. Jetzt beherbergt es eines der größten Privatarchive in Deutschland. Graf Ferdinand zu Castell-Castell ist Jurist und seine Familie Herr über ein Weingut, Wälder und eine Privatbank. 1774 gegründet, ist die Fürstlich Castellsche Bank die älteste Bank Bayerns. Ins Leben gerufen wurde sie als Sparkasse, die den Untertanen durch schwere Zeiten helfen sollte. Heute hat die fürstliche Bank die Finanzkrise besser überstanden als große Häuser.
Und auch beim Wein wirtschaftet der Graf gewissenhaft: Das Silvaner-Jubiläum ist für ihn eine Grundlage für die Zukunft: „Wir feiern, dass unsere Vorfahren damals ein unternehmerisches Risiko eingegangen sind.” Es gebe keine Rebsorte, die die Heimat so widerspiegelt wie der Silvaner, die als leichter Sommerwein ebenso eine gute Figur macht wie als Großes Gewächs oder Edelsüßer. An den sonnigen Hängen mit den schweren, fetten Böden sind die besten Lagen. Da stehen die Reben wie die Soldaten. 930 familiengeführte Weingüter gibt es heute in Franken, eines der größten ist das Weingut Wirsching im malerischen Iphofen. Heinrich Wirsching investiert in die Zukunft, beim Weinbau und der Architektur. „Wir müssen dranbleiben, um weiterhin beim Wein mitreden zu können”, sagt er und führt stolz durch sein Reich: Eine Stahl-Glas-Konstruktion überspannt seit Neuem den Innenhof, Fachwerk trifft Moderne. Das Thema Wein und Architektur, in Spanien, Südtirol und Österreich schon groß gespielt, ist in Franken angekommen. Auffällig ist auch die Architektur vom Weingut am Stein. Ein Muschelkalkquader dient als Gästehaus. Die Holzlamellenfassade in der geradlinig inszenierten Vinothek spielt mit Licht und Schatten. Hinter der spektakulären Inszenierung steht Ludwig Knoll mit Überzeugung: „Wir Winzer können unsere Weine nicht als Solitär verkaufen”, sagt er und meint, dass Architektur ein Stück der Winzerpersönlichkeit zeige. Der Hausherr ist stolz auf das Energiekonzept fürs Haus, den ganzheitlichen Ansatz. Dazu ist der Betrieb seit diesem Jahr auf ökologische Erzeugung umgestellt. Möglichst harmonisch soll die Vergärung sein. Dennoch: „Die Arbeit findet im Weinberg statt.”
Das kann Carl Friedrich Erbprinz zu Löwenstein bestätigen, der am Kalmuth vor allem Silvaner anbaut. Der ganze Berg ist von Trockenmauern durchzogen. Eine Lebensaufgabe nennt sie der Erbprinz. Die ganze Anlage rund um den steilen Berg steht unter Denkmal- und Naturschutz. „Ich habe hier so ziemlich alle Auflagen, die man sich vorstellen kann”, sagt der blaublütige Winzer und lacht. Er sieht die Knochenarbeit als Herausforderung, ist fasziniert von den Böden, auf denen neben den Reben auch seltene Pflanzen wie Cronulla, eine Wicke, und Asphodill, eine Lilienart, gedeihen. Über eine Million Euro hat der Adelige bereits in den Berg gesteckt. Ohne Unterstützung, räumt er ein, wäre das nicht möglich gewesen.
Info
Tourismusverband Fränkisches Weinland
0911/94 15 10
Weingut Castell www.castell.de
Weingut Wirsching www.wirsching.de
Weingut am Stein www.weingut-am-stein.de
Weingut Fürst Löwenstein www.loewenstein.de
Weingut Horst Sauer www.weingut-horst-sauer.de
Im Weingut Horst Sauer in Escherndorf stellt man sich auf einen guten Jubiläumsjahrgang ein. Der Winzer erwartet knackige Weine wie 2007. Um richtig gute Weine zu bekommen, müsse man an der Weinschleife „die Natur manchmal überlisten”, verrät der vielfach ausgezeichnete Weinbauer. Man müsse die Stärken der Natur kennen und Gas geben. Wie genau er das meint, verrät er nicht. Sauer hat den Ehrgeiz, ganz oben im trockenen Bereich mitzuspielen, und er ist überzeugt: „Wenn du heute wirkliche Qualität machst, klopft morgen die ganze Welt bei dir an.”
Immerhin vermarktet Franken 45 bis 60 Prozent des Weins direkt und profitiert dabei als Durchgangsland vom Nord-Süd-Verkehr. Im Jubiläumsjahr des Silvaners sollen die Touristen allerdings länger bleiben. Denn außer dem Wein hat das Weinland Franken noch andere Genüsse zu bieten: gastliche Wirtshäuser, Weinfeste, Theater, Museen, Galerien, unverfälschte Städtchen – und natürlich die Residenzstadt Würzburg. Aber das ist wiederum eine ganz andere spannende Geschichte.