Heimbach/Rursee. Der “Wilde Weg“ im Nationalpark Eifel ist für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen erreichbar. Schon mehrfach wurde das Projekt ausgezeichnet.

Umgefallene Bäume bleiben liegen, Grün darf sprießen wie es will, Wasser sucht sich seinen Weg. Der Nationalpark Eifel überlässt etwa 3000 Hektar Natur im „Wilden Kermeter“ zwischen Heimbach und Rursee inzwischen sich selbst. Der Mensch greift nicht mehr ein – bis auf eine Ausnahme: Er hält den „Wilden Weg“ für Besucher frei. Der ca. 1,5 Kilometer lange Pfad ist ein Musterbeispiel für barrierefreien Tourismus. Er ist mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen leicht zu benutzen. Dazu gibt es Kartentische mit ertastbaren Landschaftsprofilen, gut lesbare und verständliche Infotafeln, Infos in Blindenschrift, Behindertentoiletten, Funksender für Hörhilfen und alle 250 Meter eine Bank zum Ausruhen.

Eher Ausnahme als Regel: Barrierefreiheit

Das Projekt erhielt bereits mehrere Auszeichnungen. 2015: Nominierung für den Deutschen Tourismuspreis. 2016: „UN-Dekadeprojekt Biologische Vielfalt“. Und erst kürzlich den „DB Award Tourismus für Alle“. Diese machen auch auf die Probleme von Menschen mit Handicap und Altersbeschwerden aufmerksam. Sie können nicht oder nur eingeschränkt gehen, sehen, hören oder sprechen, möchten aber trotzdem reisen. Typische Hemmschwellen sind fehlende oder defekte Aufzüge, Höhenunterschiede zwischen Oberkanten von Bahnsteigen und den Türen von Bahnen und Bussen, zu kleine Schriften, quäkende Lautsprecher, enge Durchgänge, Stufen vor Restaurants, fehlende Behinderten-WCs, Hotelzimmer mit zu schmalen Türen und zu kleinen Bädern. Die Liste ist sehr lang. Barrierefreiheit auf Reisen scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein.

Das Statistische Bundesamt registriert rund zehn Millionen Deutsche mit einer amtlich anerkannten Behinderung. 7,5 Millionen gelten als „schwerbehindert“. Weitere 30 Millionen – darunter die wachsende Zahl der Senioren – stoßen aufgrund körperlicher und geistiger Einschränkungen mit ihrer Mobilität mehr oder weniger schnell an Grenzen. Die „Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle (NatKo)“: „Rechnet man Personen mit vorübergehenden Handicaps durch Unfall oder Operation, Eltern mit Kinderwagen oder Fahrgäste mit Gepäck dazu, dann wird schnell deutlich, dass jeder unterwegs irgendwann auf Barrieren stoßen kann.“

Es war wohl auch das wirtschaftliche Potenzial dieser Bevölkerungsgruppe, das Politik und Tourismusbranche zum Handeln bewegte. Verkehrsunternehmen bieten persönliche und technische Einstiegshilfen an, Tourismusorte bauen Bordsteinkanten ab. Restaurants und Hotels ersetzen Stufen durch Schrägen und Aufzüge, Seilbahnen halten Rampen für den Einstieg in Gondeln bereit. Smartphones mit Kamera hören aufs Wort, übersetzen Sprache in Text, lesen vor, erkennen Landschaften. Handantriebe für Rollstühle – auch mit Elektromotor –, Verstärkeranlagen für Hörgeräte, gute Beleuchtung, aber auch Hilfsbereitschaft öffnen Menschen mit Handicap heute viele Lebensbereiche.

Hotels, Ferienregionen und Hilfsmittelhersteller holen sich nun Behinderte mit Spezialwissen als Berater. Rollstuhlfahrer Alexander Lang: „Eine gute Planung bei Neu- oder Umbau verhindert bereits viele Hürden. Oft sind es einfache Lösungen, die Bauherren und Architekten nicht erkennen.“

Nordseeinsel steht für Barrierefreiheit

Auch die Nordseeinsel Langeoog setzt auf Barrierefreiheit. Der frühere Kurdirektor Peter Wettstein zu den Anfängen: „Unsere älter gewordenen Stammgäste wünschten sich mehr Bequemlichkeit. Und junge Familien wollten auch mit Kinderwagen zum Strand fahren. Also haben wir Stolpersteine beseitigt, Wege geebnet und Hilfsangebote geschaffen. Das alles kommt natürlich auch den Insulanern zugute.“ Wetterstein und andere Experten sind sich aber einig: „Vollständige Barrierefreiheit kann es niemals geben. Aber jeder weitere Schritt dorthin lohnt sich für 100 Prozent der Reisenden: 10 Prozent gewinnen ein Stück mehr Freiheit. 40 Prozent kommen weiter als bisher. Und die restlichen 60 Prozent dürfen sich über mehr Komfort freuen.“

>>> Info:

  • Flugreisen: Alle großen Flughäfen bieten einen Behindertenservice. Details dazu auf den Websites und im Reisebüro.
  • Bahnreisen: Die Deutsche Bahn informiert im Internet (www.bahn.de) über Reiseplanung, Hilfe beim Ein-, Aus- und Umsteigen, Sitzplatzreservierung, Fahrkartenkauf und mehr. E-Mail:msz@deutschebahn.com
    Telefon: 01806/512 512
    Die Broschüre „Reisen für alle – Bahn fahren ohne Barrieren“ gibt es in ServiceCentern oder zum Download im Internet.
  • Öffentlicher Nahverkehr: Fast jedes Unternehmen hat auf seiner Website einen Link zum barrierefreien Angebot. Dort gibt es eine Bahnhofsliste mit Rampen oder Aufzügen. Ob sie aktuell funktionieren, erfährt man aber nicht. Bahnhöfe außerhalb des VRR-Gebietes fehlen.
  • Reisen: Behindertenverbände organisieren eigene Reisen, haben Kontaktadressen und Empfehlungen für Ansprechpartner. Reiseländer, Regionen, Urlaubsorte und Gastgeber haben barrierefreie Angebote.
  • Kontakt: Die großen Reiseveranstalter haben Spezialprogramme für Menschen mit Handicap.
    Empfehlenswerte Portale:
  • www.reisen-fuer-alle.de: Informationen zur Barrierefreiheit von ca. 1800 Hotels, Restaurants usw.
  • barrierefreie-reiseziele.de: Neun deutsche Urlaubsregionen stellen ihr Angebot vor. Reisen mit der Bahn werden als Baukastensystem angeboten.
  • www.ab-nrw.de: Ausflugs- und Freizeitangebote in NRW.
  • www.gemeinsam-einfach-machen.de: Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über das Thema Barrierefreiheit und Teilhabe auch im Bereich Freizeit und Reisen.