Einst waren Teneriffas Weine weltberühmt - nun sollen sie der Insel zu einem neuen Image verhelfen.
Gerade erst aus dem Flugzeug-Schlummer erwacht und auf den ersten flüchtigen Blick, könnte man meinen, man sei in England gelandet: Hinter den großen Fenstern des Flughafen Teneriffa Süd dämpft ein grauer Himmel die Euphorie, und am Gebäckband stehen Menschen mit blasser Haut, die in leichter Panik auf ihre Koffer warten. Nur ein Flieger kommt aus Madrid, die anderen aus London, Nottingham und Bournemouth.
INFO
Teneriffa
Lage: Teneriffa gehört zur spanischen Inselgruppe der Kanaren, die westlich der marokkanischen Küste im Atlantik liegt.
Anreise: Von Düsseldorf fliegen u.a. TUIfly, Condor und Air Berlin.
Wein: Teneriffa ist der größte Weinerzeuger der kanarischen Inseln mit fünf geschützten DO-Bereichen (Denominación de Orígen): Tacoronte-Acentejo, Valle de Güímar, Valle de Orotava, Ycoden-Daute-Isadora, Abona. Mit 12 600 ha Anbaufläche zählen die fünf Gebiete zusammen zu den kleinsten DO's Spaniens. Nur wenige Flaschen gehen in den Export. Auf vulkanischem Boden wachsen in Höhen zwischen 50 bis 1700 Meter vor allem die weißen Traubensorten Listán blanco und Malvasía sowie die roten Listán negro und Negramoll. Größere Bodegas, die Führungen anbieten: Bodegas Insulares de Tenerife, Viñatigo, Monje, El Lomo, Afecan, La Ortigosa, Valle Oro, Arca.www.webtenerife.com www.rutasyvinos.com
Kontakt: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Grafenberger Allee 100, 40237 Düsseldorf, Tel.: 0211/68 03 981 www.spain.info www.webtenerife.com www.tenerifenatural.com
Briten sind besonders von allem Spanischen fasziniert - und das nicht erst seit es Charter- und Low-Cost-Airlines gibt. Bereits im 16. Jahrhundert liefen englische Schiffe Häfen auf Teneriffa an. In Garachico wurde das kostbarste Gut verladen, das die Insel zu bieten hatte, der Malvasier-Wein. Damals hieß es, er sei der beste Wein der Welt. Sogar Shakespeare hat ihn in „Falstaff” verewigt.
Wie das spanische Weltreich und die englische Handelsmacht, so ging es auch mit den kanarischen Weinen irgendwann bergab. Heute weiß kaum jemand, dass auf den Atlantikinseln vor der afrikanischen Küste überhaupt Wein angebaut wird.
Promotion für kanarischen Wein
Wenn es nach den Promotoren des Kanarentourismus' und nach den örtlichen Weinbauern geht, soll sich das ändern. In Fachkreisen hat man schon zur Kenntnis genommen, dass die Qualität der Weine aus Teneriffa, dem größten Anbaugebiet der Kanaren, seit Mitte der 80-er Jahre beständig gestiegen ist. Damit sich das auch herumspricht, will man die 3,5 Millionen Besucher, die jedes Jahr nach Teneriffa reisen, aus den Hotelanlagen in die Bodegas locken. Daheim werden sie dann erzählen, wie gut der Wein ist, und dass man auf Teneriffa auch so etwas wie Genussurlaub machen kann.
Das mit dem Weintourismus geht nicht von heute auf morgen. Die Kundschaft wünscht kleine, feine Landhotels, geschmackvolle Restaurants mit exquisiter Küche, schöne Landschaften und natürlich guten Wein, den man am besten bei einer Bodega-Besichtigung kennenlernt.
Die Genussinsel der Zukunft?
Teneriffa hat sehr gute Vorraussetzungen. Ob es gelingt, sich in Zukunft als Gourmet- und Genussinsel zu etablieren, bleibt dennoch abzuwarten. Im Unterschied zum spanischen Festland, wo sich schon vor Jahren unzählige gastronomische Adressen etabliert haben, fand die kanarische Küche nur wenig Resonanz. Man schätzte hier üppige Fisch- oder Fleischgerichte, die gewiss nicht schlecht sind - allerdings auf eine eher unspektakuläre Art.
Also hat die Inselregierung einen „Gastronomie-Plan” ins Leben gerufen, um zu fördern, was nicht mehr zu übersehen ist: Die kanarische Küche hat das Zaubern gelernt und entdeckt, welche kulinarischen Schätze die Inseln zu bieten haben: Palmenhonig und schwarze Kartoffeln, der Tausendsassa „gofio”, leichte Frisch- und Blütenkäse, Weine uralter Rebsorten.
Die Neuinterpretation von Klassikern
Unter der Hand von kreativen Köchen wie Jesús González werden aus diesen Zutaten leichte und ansehnliche Meisterwerke. González ist Küchenchef im El Duende, das zwischen Orotava und Puerto de la Cruz liegt. Im rustikal-minimalistischen Ambiente beeindruckt González, der vier Jahre in Deutschland gearbeitet hat, nicht mit Aromaschäumen und heißer Luft, sondern mit der Neuinterpretation von Klassikern, wie etwa einem geräucherten Butterfisch mit Himbeer-Vinaigrette.
Der Norden mit Santa Cruz, La Laguna, Puerto de la Cruz und Orotava ist vielleicht die beste Region, um die innovative kanarische Küche und deren Weine kennen zu lernen. Hier liegen die Anbaugebiete Tacoronte-Acentejo und Valle de La Orotava und der wichtigste Anlaufpunkt, wenn es um die Welt des kanarischen Weins geht: die Casa del Vino. Von der Café-Terrasse der ehemaligen Hacienda hat man einen weiten Blick über den Atlantik, und wie so oft auf Teneriffa, schiebt sich der Teide, mit 3718 Metern der höchste Berg Spaniens, recht dominant ins Bild.
In der Casa del Vino kann man sich gründlich mit dem Weinbau auf der Insel vertraut machen. Man lernt die traditionellen und arbeitsaufwändigen Methoden kennen, die fünf Anbaugebiete und die mehr als 30 Rebsorten. Man erfährt auch, dass längst vergessen geglaubte Arten, die im 16. Jahrhundert von den spanischen Eroberern und Siedlern mitgebracht wurden, wie Gual, Tintilla oder Castellana, wieder kultiviert werden und dass die Lese von Juli bis November dauern kann.
Anspruch auch bei einfachen Tischweinen
José Alfonso González ist der Direktor der Casa. Seiner Ansicht nach sind es „die mineralischen Lavaböden, die Reben und das atlantische Klima”, die den Wein ausmachen. Er erzählt von den Weinrouten, die in den jeweiligen Regionen angelegt werden und davon, dass die Inselbewohner auch bei einfachen Tischweinen anspruchsvoll sind.
Wie die Weine Teneriffas wirklich sind, prüft man am besten in der Bodega des Wein-Museums. Mitarbeiterin Angeles Dorta schenkt einen süß-starken Malvasier ein, den Auratava, ein trockener Weißwein aus der weißen Listán Traube, einen Flor de Chasna, dessen Trauben in einer Höhe von bis zu 1750 Metern gedeihen und den kräftigen, aromatischen Rotwein von Viña Norte, der schon mehrmals prämiert wurde.
Ebensfalls gute Weine kommen aus der Bodega Monje, die zur DO Tacoronte-Alentejo gehört und seit 1750 im Familienbesitz ist. Dort erklärt Kellermeister Juan José, was eine Kohlensäure Mazeration (maceración carboníca) ist: ein Gärverfahren, bei dem Schalen und Kerne nicht vom Saft getrennt werden. In der Bodega stehen noch einige der alten und mächtigen Kastanienfässer. In ihnen wird der traditionelle Teneriffa-Wein zwischen drei bis sechs Monate ausgebaut. Die Zukunft sucht man hier wie überall auf der Welt im Barrique, dem 225-Liter-Fass aus amerikanischer oder französischer Eiche.
Orotava und Garachico - die schönsten Weinstädtchen
Die schönsten Weinstädtchen sind Orotava und Garachico. Lieblich-südländische Idyllen, wie man sie etwa aus Italien oder Frankreich kennt, darf man auf der Kanareninsel nicht erwarten. Die Inseln, die für Jahrhunderte lang der letzte Halt vor der langen Reise in die Neue Welt waren, verbinden Kolonialarchitektur mit üppiger Pflanzenpracht. Überhaupt ist beim Weintourismus auf der Vulkaninsel der eigentliche Hauptdarsteller die Natur. Wer sich auf die Suche nach einem der seltensten Weine macht, dem „Las Fajantes”, kommt ins verwunschene Anaga-Gebirge und seinem Nebelwald. Das grandiose Schauspiel, das die Natur dem Besucher an der wilden Nordspitze bietet, beweist einmal mehr, dass Teneriffa mehr zu bietenhat als seinen Teide und das Meer.