Hohenlohe mausert sich mit alten Rinder- und Schweinerassen bei Feinschmeckern zu einer guten Adresse.

Manchmal muss ein nicht allzu bekanntes Fleckchen Erde ein bisschen Schwein haben, um plötzlich in aller Munde zu sein. Nehmen wir das mit dem Schwein im Mund ruhig wörtlich. Schließlich reißen sich inzwischen selbst Spitzenköche um jene Sau, die vor ein paar Jahrzehnten (es war die schöne Zeit, als man auch Städte „autogerecht” zu bauen begann) für Fortschrittsapostel moderner Agrarwirtschaft unter der Rubrik nutzloses Nostalgievieh fiel.

Es war Mitte der 1980-er der Wolpertshausener Visionär und Landwirt Rudolf Bühler (Bild oben), der die Agrar-Sünde erkannte, die letzten ihrer Art aufstöberte, eine Zucht aufbaute – und einen grunzenden Markenartikel schuf, der ein Mosaikstein ist im neuen Feinschmeckerbild der Region Hohenlohe. Stolz ist sie auf ihr „Schwäbisch-Hällisches Landschwein”, das, pardon, zum Zugpferd wurde.

Eine unbekannte Größe

Hohenlohe, seltsamerweise selbst bei passionierten Deutschlandreisenden immer noch eine eher unbekannte Größe, geht mit viel Geschmack in die Offensive. Einst fast das Armenhaus des Landes, ist eben dieser Zug heute ein Kapital Hohenlohes: riesige Waldflächen, über endlose Kilometer nahezu bausündenfreie Rad- und Wanderwege, sanfte Höhen, weite Felder, Weinberge, nicht zu vergessen die idyllischen Täler, durch die sich die Flüsse Jagst und Kocher schlängeln.

INFO

Hohenlohe

Lage: Im Nordosten Baden-Württembergs gelegen, erstreckt sich Hohenlohe von den Ausläufern des Schwäbisch-Fränkischen Waldes bis über den Fluss Jagst hinaus ins so genannte Bauland hinein. Größere Orte in Hohenlohe sind Künzelsau, Öhringen und Schwäbisch-Hall.

Anreise: Per Auto: Die A 6 Richtung Nürnberg führt durch Hohenlohe. Abfahrt: zum Beispiel Öhringen. Per Bahn: Anreise über größere Bahnhöfe wie Heilbronn oder Schwäbisch-Hall. Die S4 (die traditionsreiche „Hohenlohe-Bahn” www.3-loewen-takt.de verkehrt regional auf 88 Kilometern zwischen Heilbronn und Crailsheim. Viele kleinere Orte sind allerdings nur mit dem Bus zu erreichen.

Kontakt: Touristik-Gemeinschaft Hohenlohe, 07940/18 206, www.hohenlohe.de, www.kocher-jagst.de

Weitere Infos zu regionalen Produkten:www.besh.de, www.schafskaese.com, www.holunderzauber.de

Sollten wir es also mit Württembergs Bioländle zu tun haben? Ganz so naiv darf man es ´vielleicht nicht sehen, aber Kulinaria-Reisende dürften zwischen Waldenburg (ob der begnadeten Höhenlage der „Balkon Hohenlohes”), Pfedelbach und Langenburg rasch fündig werden.

Und landeten sie nicht beim Schwein (welches Gasthöfe, die auf sich halten, selbstredend auf der Karte führen), dann zwangsläufig beim Limpurger. Eine Rinderrasse, auch sie wiederentdeckt, auch sie in mühevoller Nachzucht wieder angesiedelt für die Weiden der satten Flusstäler.

Ende des 18. Jahrhunderts waren die Limpurger mit ihrem saftigen, fein marmorierten und hocharomatischen Fleisch dermaßen begehrt, dass Hohenlohes Bauern sie in langen Trecks bis nach Paris trieben, Frankreichs Küche zu bereichern. Daher der Zweitname „Boeuf de Hohenlohe”. Und der „Louis d'or” war zu diesen goldenen Zeiten Zahlungsmittel in Hohenlohe (!) – selige, subventionsfreie Zeit. Ganz langsam nähert man sich ihr wieder. Mit Patriotismus und einem Qualitätsbegriff, der über die Landesgrenzen hinaus Schlagzeilen macht.

Lauter Gourmetgeschcihten am Wegesrand

Die Gegend, ein Wanderparadies ohnehin, ist mit historischen Ölmühlen und familiär betriebenen Mostereien voll von charmanten Gourmet-Geschichten. Natürlich empfehlen sich die Top-Adressen von Lothar Eiermanns Molekularkünsten in Friedrichsruhe bis zur kreativen Regio-Mediterran-Kombi, für die Olaf Pruckner in Ailringens „Altem Amtshaus” steht.

Es geht aber auch deftiger. Wer in Bächlingen bei Bernulf Schlauch, Bruder des Grünen Rezzo, seinen aus Wildsammlung („Da komm ich immer ganz voller Zecken aus dem Wald!”) hergestellten Holundersekt kostet, stillt den auf diesen duftenden Leichtfuß (Alkohol: 2 %) folgenden Appetit am besten ganz in der Nähe – auf dem biodynamischen Schafskäsehof von Norbert Fischer.

Fischer ist ein cleverer Aussteiger, der es von einer kleinen Schafsschar zur stattlichen Herde gebracht hat.

Sein Kapital (neben enorm aromatischen Käsen, die sich rasch einen Platz in der Spitzengastronomie eroberten): Findigkeit. Um die Erweiterung seines Hofs auf den Höhen vor Langenburg zu finanzieren, hat er Kunden „Genussrechte” angeboten.

Sein Slogan ist auf unwiderstehliche Weise mit einem ehrlichen Produkt verbunden: „Unser Zins ist Käse!”

Wer ohnehin in Langenburg weilt, sollte das Schloss nicht links liegen lassen. Ja, es gibt hier (wie in Öhringen) noch Hohenlohes. Der Langenburger heißt Fürst Philipp, lässt uns wissen, dass Schlossbesitz leider eine bodenlos teure Angelegenheit ist und die englische Königin im kleinen Kreis gar nicht so streng auftritt, wie Bürgerliche glauben. Der Fürst darf sie übrigens „Aunt Lilibeth” nennen.

Von der Burg (es gibt deren etliche im Hohenlohe-Kreis) blickt man zum Jagsttal hinunter. Postkartenschönheit pur. Freilich hat man bei der verbalen Etikettierung dieses Landstrichs die Wahl, der leutselig-anekdotischen Schöpfungsgeschichte zu folgen, in der der erste Hohenloher angesichts der lieblich-romantischen Gegend schlicht feststellte „Do bleib i, do gfelld's mir” – oder doch der ungleich poetischeren Definition Eduard Mörikes, der es „eine besonders zärtlich ausgeformte Hand voll Deutschlands” taufte.

Seinen touristischen Zenit dürfte Hohenlohe noch vor sich haben. Doch scheint es, als könne man mit dem Geheimtipp-Status ebenfalls recht gut leben. Als ihn kürzlich ein kleinkarierter Sachse belehren wollte, wie die Hinweisschilder zum Hofladen am besten aufzustellen seien, hat der Schafskäser Fischer ihm mit freundlicher Gelassenheit entgegnet: „Hohenlohe soll man ja entdecken – und nicht gleich finden.”