Fast eine Weihnachtsgeschichte: Wie eine Zoologin mit Unterstützung von Touristen geschundenen Tieren hilft

High Noon am Fish River. Unbeschlagene Mulihufe sorgen für dicke Luft imCanyon. Sand und Staub wirbeln auf, ein Muli tänzelt bockig im trockenen Flussbett vor einem Hindernis, beäugt von einem knappen Dutzend Trekkingreisender diesseits davon und sieben Muli-Kollegen jenseits.

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© MSG

Die Zoologin und Treckführerin hat zwar die Zügel in der Hand, aber sie zieht nicht daran. Die Mulis bestimmen, wann die Reise weitergeht. Bushmann hat sich das Gelobte Land für Mulis offenbar anders vorgestellt. Jedenfalls zeigt er null Lust, den winzigen Felsvorsprung im sandigen Flusscanyon hinunterzusteigen.

Als eines Tages Frederik Witbooi vom Stamm der Nama und die Pferdeversteherin Telané Greyling bei ihm auf der Wüstenfarm auftauchten um ihn von dort mitzunehmen, hatte sein Muli-Dasein eine plötzliche Wendung zum Sanften genommen. Ein Leben ohne Schläge, kein Ziehen mehr des typischen Karrens, dem zweirädrigen Volkswagen schwarz-namibianischer Familien: Die Aussichten waren paradiesisch.

Sein Besitzer hatte auf eine Kleinanzeige reagiert, die Interesse am Kauf von Arbeitsmulis signalisierte. So war er also in Namibias Süden gelandet, wo er fortan den gutmütigen, plüschohrigen Reisebegleiter von touristischen Canyon-Expeditionen geben sollte. Wohlausgewogen beladen mit nagelneuen Packtaschen, im Trott mit sieben weiteren Mulis, die ihr Leben bislang auch meist unter irgendeiner Knute gefristet hatten.

Telané Greyling bietet den ehemaligen Arbeitstieren mit ihren sanften Trekking-Touren ein Leben ohne Zwang und Schläge. Fotos: Müller
Telané Greyling bietet den ehemaligen Arbeitstieren mit ihren sanften Trekking-Touren ein Leben ohne Zwang und Schläge. Fotos: Müller © MSG

Telané kennt sich mit Tieren aus. Jahrelang hauste sie in einem Wohnwagen in der Einsamkeit und schaute für ihre Doktorarbeit über die ausgewilderten Pferde deutscher Kolonialtruppen und Farmer angestrengt in die Wüste.

Dorthin hatten sich die Vierbeiner verzogen, als es vor fast hundert Jahren Krieg um Deutsch-Südwestafrika gab und leben immer noch in der Gegend von Klein-Aus. Unlängst hat Telané dann ihre Einsiedelei verlassen, Mulis im ganzen Land gekauft und sie auf ihren ersten Trip mit Reisenden durch den Canyon des Fish River vorbereitet.

„Sie tun so, als seien die Hindernisse gefährlich“, grinst Telané und überzeugt die Vierbeiner sanftmütig vom Gegenteil. Mit dem selben Langmut haben sie und Muli-Vormann Frederik die Tiere am Treffpunkt zum ersten Mal mit Packsätteln und dem penibel ausgewuchteten Wanderer-Gepäck beladen. Alles ohne böse Worte oder Schläge. Dann beginnen die Plüschohren noch etwas ungläubig ihre neue paradiesische Laufbahn und zockeln hinter Telanés wippendem Pferdeschwanz her.

Wir nähern uns den Tieren vorsichtig und knüpfen in den nächsten Tagen freundschaftliche Bande. Immer wissend, dass wir für einige Mulis die ersten netten Zweibeiner sind. Auch die Bewohner des Canyons staunen über den eigenartigen Treck.

INFO

Namibia

Lage: Namibia liegt im Südwesten Afrikas, zwischen Südafrika und Angola. Die Hauptstadt Windhoek liegt im Hochland.

Anreise: LTU fliegt mehrfach die Woche von Düsseldorf nach Windhoek. Der Fish-River-Nationalpark liegt ganz im Süden des Landes, kann deshalb auch mit einem Südafrika-Urlaub kombiniert werden.

Einreise: Touristen benötigen einen noch 6 Monate gültigen Reisepass.

Gesundheit: Grundsätzlich werden Impfschutz gegen Polio, Diphterie,Tetanus und Hepatitis empfohlen. Im Canyon selbst lauert höchstens die Gefahr des verstauchten Knöchels. Trinkwasser muss mitgeführt und abgekocht werden.

Reisezeit: Das namibianische Frühjahr (August, September) bietet die angenehmsten Trekking-Temperaturen zwischen 20 und etwa 28 Grad und lässt zahlreiche Wüstenpflanzen aufblühen. Nachts können die Temperaturen auf etwa 10 Grad sinken, im Winter (Mai bis Juli) auch darunter.

Besonderheiten: Homosexualität ist in Namibia strafbar.

Veranstalter: Infos zur beschriebenen Tour gibt es unter www.mule-trails-namibia.com

Währung: Ein Euro entspricht etwa 9,70 Namibianischen Dollars.

Kontakt: Namibia Tourism Board, 069/13 37 360www.namibia-tourism-com

Das wütende Bellen von Pavianen hallt von den ockerfarbenen Felswänden aus Schist und Dolomit wider, als wir eine Enge mit hohem Schilfgras um ein sumpfiges Wasserloch navigieren. Am ersten Lunch-stop erheben sich Löffelschnäbler und Graureiher träge in die Luft. Ein ziemlich stattlicher Waran schreckt aus seinem Verdauungsschlaf, als wir an einem Gewässer von Freibadgröße unser Lager aufschlagen und in das erfrischend kühle Wasser springen.

Unsere Ankunft spricht sich schnell unter den handgroßen Gelbfischen herum, die wiederum die gründelnden ziemlich großen Welse an die Oberfläche bringen. Am Wegrand liegt ein verstorbenes Zebra, fast schon ausgedörrt mumifiziert, was darauf hinweist, dass hier kaum Raubtiere durchziehen. Beruhigend zu wissen, schließlich schlafen wir unter freiem Himmel.

Als wir uns gerade einen Weg durch das Ufergestrüpp bahnen, sucht ein kapitaler, müder Kudu-Bulle langsam das Weite, mit hellen Geweihspitzen, die sein fortgeschrittenes Alter verraten. Etwas weiter finden wir ihn, halb verendet zusammengebrochen, und Johan, begleitender Tierarzt aus Lesotho, kümmert sich um das leidende Tier.

ine Muli-Karawane etwas flussauf von der bekannten Wanderstrecke im Fish-River-Nationalpark ist der neueste Einfall von Mannfred Goldbeck. Der kreative Deutsch-Namibianer, dem die Idee bei einer Mulitour im amerikanischen Grand Canyon kam, bastelt seit Jahren erfolgreich an der Vision, durch strategischen Landkauf entstandene private Naturschutzgebiete in großzügige, von Farmzäunen befreite Wildbahn zurückzuverwandeln.

Dadurch entstand Stück für Stück die bekannte landesweite Gondwana Desert Collection, unter anderem mit einem wunderbar in eine Granitlandschaft eingepasste Bungalow-Unterkunft, die das Übernachtungsvakuum an der global zweitgrößten Canyonschlucht des Fish River ausfüllt.

Das Hotel-Camp ist inzwischen fast autark. Schweinehaltung versorgt die eigene Wursterei, von Jerseykühen gibt's Milchprodukte und ein erstaunliches Gartencenter versorgt die Restaurantgäste mit frischem Gemüse. Frederik Witbooi wurde hier mal zum wohlbeleibten Metzger ausgebildet, kümmerte sich dann um die Pferdetouren und mutiert gerade zum enorm verschlankten Muliführer. Er soll teilhaberisch ins Mulitrecking einsteigen, ein einheimischer Fährtenleser und ehemaliger Halbnomade auf neuen Karriere-Pfaden.

Unsere üppige Wegzehrung ist bunter Kontrast zum neuen, kargen Nomadenleben auf Zeit. Mit Wein, Früchten, Gemüse, Brot und Trockenfleisch für zwischendurch beladen, passen wir uns im Tempo dem immer flüssiger werdenden Mulitrott an.

Das Gehen befördert die Freundschaft und mancheiner mag sich bald den Marsch ohne die Hand am Zügel nicht mehr vorstellen. Die zunächst wüstenhaft dürr erscheinende Landschaft erschließt sich im Schritt-Tempo und öffnet den Blick für blühende Herero-Veilchen am Fuß von Dünen, die saftig-prallen Auswüchse von Kandelaber-Euphorbien zwischen wie geschmolzen geformtem Gestein, grandios sich im trockenen Flussbett behauptenden Baumriesen, an denen in vier Metern Höhe angeschwemmtes Treibgut die Wucht der letzten Regenflut ermessen lässt.

Unser von Haus aus zielorientierter gradliniger Weg mäandert bald wie der Flusslauf, an den türkis schimmernden kühlen Wasser- und Badestellen brüllen wir wie nacktärschige Paviane.

Beim nächtlichen Aufwachen, das Lagerfeuer ist längst zur schwachen Glut heruntergekommen, wird der funkelnde südliche Sternenhimmel selbst für kurzsichtige Wanderer zur unübersehbaren Zudecke, wenn auch milchstraßenartig verschwommen.

Die Mulis träumen etwas entfernt angebunden vom vielleicht ja doch Gelobten Land am Fish River. Zwei Sterne glühen besonders nahe, fast wie herabstürzende, schwach reflektierende Meteoriten. Als sie ganz nahe sind, kitzeln sie im Gesicht und es riecht nach Muliatem. Bushmann? Bushmann! Er hat sich losgemacht und beschnuppert neugierig seine ungewohnt reglosen neuen Freunde.