Geführt und doch individuell. Gruppenreisen ermöglichen private Einblicke in den Tropensozialismus

Alte Männer, fröhliche Musik. Das Klischee, entstanden durch den Buena Vista Social Club, kommt der Realität oftmals tatsächlich sehr nahe. Foto: TV
Alte Männer, fröhliche Musik. Das Klischee, entstanden durch den Buena Vista Social Club, kommt der Realität oftmals tatsächlich sehr nahe. Foto: TV © MSG

Es klingt wie das süße Leben: „Sechs Pfund Zucker pro Monat erhält jeder Kubaner auf die libreta, die Lebensmittelkarte.” Erstaunte Blicke. Doch dann folgt die Einschränkung. „Milch und Rindfleisch sind rationiert, über 65-Jährige kriegen ein halbes Hähnchen mehr, Langusten sind verboten”, erklärt Luis Calzadilla Lugo den jungen Gästen in einem Lebensmittelladen in der kubanischen Hauptstadt Havanna. In den Holzregalen stapeln sich die Grundnahrungsmittel. Ganz schlicht verpackt, ohne Werbung, wie vor hundert Jahren.

Luis, Baujahr 1959, ist im Revolutionsjahr geboren. Und die Revolution wirkte sich auch auf die Essgewohnheiten der Inselbewohner aus: Die Lebensmittel wurden knapp und staatlich verteilt, der devisenbringende Zuckerrohranbau gefördert. Doch im Illegalen blüht der Handel - die „amigos” vermieten und bekochen, verkaufen und tauschen, was das Zeug hält.

Unterwegs durch die Gassen von Havanna. Der Blick hinter die Haustüren liefert die spannendsten Geschichten.    Foto: Nelissen
Unterwegs durch die Gassen von Havanna. Der Blick hinter die Haustüren liefert die spannendsten Geschichten. Foto: Nelissen © MSG

Wer Kuba also bereisen und sich nicht nur in All-Inclusive-Hotels am reichhaltigen Buffet bedienen mag, kann erahnen, dass im Tropensozialismus ganz alltägliche Dinge kompliziert werden können. Deshalb macht es Sinn, sich einer geführten Rundreise anzuschließen. Für Alleinreisende allemal. Zumal es inzwischen auch für junge Traveller zwischen 20 und 35 Jahren Erlebnisreisen gibt, die in einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter durchgeführt werden.

Im Internetforum verabreden sich die Single-Reisenden schon vor dem Abflug - und so buchen dann die Bankkauffrau aus Dortmund und die Produktmanagerin aus Landshut gemeinsam je ein halbes Doppelzimmer, um ihre Reisekasse zu schonen.

INFO

Kuba

Lage: Kuba, die größte Antilleninsel, liegt südlich von Florida.

Anreise: Ab Düsseldorf mit LTU nach Varadero, ab dort Bustransfer.

Einreise: Mit noch sechs Monate gültigem Reisepass und Touristenkarte (ca. 24 €, über Reiseveranstalter); Ausreisegebühr 25 CUC.

Gesundheit: Impfschutz gegen Tetanus, Diphterie und Hepatitis A empfohlen; Insel gilt als malariafrei; vereinzelt Fälle von Dengue-Fieber, deshalb Mückenschutz sinnvoll.

Sicherheit: Kuba gilt als eines der sichersten Reiseziele, dennoch sollte man Geld und Wertsachen verschließen.

Reisezeit: November bis März, durchschnittlich tagsüber 27 Grad, Wassertemperatur um 25 Grad; Hurrikan-Saison von Juni bis November.

Währung: 1 € = 1,28 Peso cubano convertible (CUC); am günstigsten tauscht man am Flughafen und in Cadesa-Wechselstuben in größeren Hotels; US-Dollar werden überhaupt nicht mehr akzeptiert. Es gelten nur Kreditkarten, die nicht über US-Banken ausgestellt sind (Visa, Mastercard).

Kosten: Mojito 3 CUC, Sandwich 4 CUC, Obstsalat 3 CUC, Fisch- oder Hähnchen- Gericht ca. 7 CUC.

Tipp: Kubaner sind in Sachen Trinkgeld sehr einfallsreich - sie bieten sich für Fotos an, zeigen den Weg, waschen Autos und erhoffen sich dafür einen CUC. Gerne werden auch Kaugummis, Haarspangen o.ä. genommen.

Veranstalter

Weltweite Erlebnisrundreisen für 18- bis 35-Jährige:Marco Polo Young Travel, 00800/44 01 44 01, www.younglinetravel.com

Moja Travel, 0800/77 67 790, www.moja-travel.net

Contiki Holidays Young & Free (im Dertour-Katalog), www.contikiholidays.de

Literatur: Ganz neu erschienen ist das Reisehandbuch „Cuba” von Wolfgang Ziegler, sehr umfangreich und detailliert, 720 Seiten, 22,90 Euro, Michael-Müller-Verlag.

Kontakt: Kubanisches Fremdenverkehrsamt, 069/28 83 22, www.cubainfo.de

Mit Luis, dem einheimischen Scout, zieht die Gruppe in Havanna los: Zum Rumtest ins Havanna-Club-Museum, zum Salsatanzen mit Kubanern und zu einem Bürgermeister, der herzergreifend erklärt, wie er die Lebensbedingungen in seinem Viertel verbessert. Luis hat einige „amigos” und weiß, wo man die echten Cohibas und Che-Guevara-Münzen kauft, welche Taxen legal sind oder wo man Mojito zu fairen Preisen schlürft.

Das entstresst den Urlaub ungemein. Denn natürlich lässt sich das alles auch auf eigene Faust entdecken, doch drängen sich die Kubaner regelrecht auf, den Weg zur Hemingway-Bar zu zeigen, fürs Foto zu posieren oder saubere Autos trotzdem täglich zu waschen.

Unterschwellig beschleicht einen deshalb oft das Gefühl, man würde ständig über's Ohr gehauen. Und das passiert in der Gruppe mit einem einheimischen Scout eben nicht so leicht. Andererseits: Niemand bettelt. „Alemanes” winkt ein Kubaner am Malécon, zieht eine Flasche Rum aus der Jackentasche und will auf der Stelle mit den Fremden anstoßen. Einfach so.

Zeit für eigene Entdeckungen ist auch drin - obwohl sich die Singles auf Reisen dann doch wieder im „Los Amigos” treffen, einem Paladar in Havannas Villenviertel Vedado. Luis' Tipp für kubanische Hausmannskost ist ein Restaurant im privaten Wohnzimmer. Die Köchin ist meist die Frau des Hauses, oft eine waschechte kubanische Mama mit jahrzehntelanger Erfahrung im Kochen. So stehen im „Los Amigos” ein halbes Dutzend Varianten Hühnchen oder Fisch auf der Karte. Umgerechnet kostet ein Gericht zwischen fünf und zehn Euro.

Seit 1995 der Staat erlaubte, privat Mahlzeiten anzubieten, sind die wenigen lizenzierten Wohnzimmer der Kubaner voll. Oder besser: Die zwölf Stühle sind ununterbrochen besetzt. Denn nur zwölf Gäste, so will es der Staat, dürfen gleichzeitig und ausschließlich von Familienmitgliedern bewirtet werden. In dem Anbau mit Weihnachtsbeleuchtung und Porzellankitsch herrscht deshalb ein ständiges Warten und Nachrücken. Sobald Gäste gehen, erheben sich Wartende aus dem Vorgarten oder dem Fernsehraum und geben ihre Plätze für Nachrücker frei.

Neue Lizenzen zur privaten Bewirtschaftung gäbe es nicht, meinte Luis. Die Ideologen ringen mit dem Erfolg der Paladares, die die kreolische Kost wohl beliebter gemacht haben als staatliche Restaurants und Hotelküchen. Immer neue Vorschriften und teure Lizenzen würden den privaten Betreibern nun das Leben schwer machen.

Nach wie vor bestimmt die Marktlage die Speisekarte - auch Paladar-Betreiber brauchen viele Freunde, damit der Fisch abends in der Pfanne brutzelt. „Auf Kuba ist alles verboten, doch wir tauschen und machen vieles möglich”, zwinkert ein Einheimischer. Und deshalb braucht ein Kubaner auch sechs Pfund Zucker im Monat.