Aber fast so abenteuerlich unterwegs: Mit dem Seekajak durch die Adria vor Dalmatiens Küste.
Weiße Wellenkämme brechen schäumend über dem Bug zusammen. Der Kajak kämpft sich durch die schwarzblaue Adria, taucht seine spitze Nase in die aufgewühlte See, streckt sie bald wieder triefend aus dem Wasser; das Boot klatscht von einer Woge zur nächsten.
Welch grandioses Gefühl, sich mit dem Doppelpaddel durchs Meer zu arbeiten, die Muskeln zu spüren, sich den Elementen zu stellen. Die Sonne brennt auf die nackten Arme nieder. Der Wind bläst die Gischt frontal ins Gesicht. Das Wasser sammelt sich im Dekolletee oberhalb der Schwimmweste und rinnt in kühlen, erfrischenden Sturzbächen das Brustbein hinab bis zum Bauchnabel, wo es in der schwülen Wärme zwischen Bootsrumpf, Hintern, Beinen und Spritzdecke verdampft.
Nur noch wenige Meter bis zum anderen Ufer der fjordartigen Bucht von Stari Grad. Schroff und karstig ragen die Felsen der Insel Hvar aus dem dalmatinischen Meer. Dort drüben wollen wir rasten. Arme und Schultern ausschütteln, Beine strecken, ruhen. Die Fahrt über das offene Meer ist anstrengend und gefährlich, vor allem, wenn die großen Fähren in Richtung der Hafenstadt Split unseren Weg kreuzen. In ihrer Nähe, in ihren Bugwellen wird das wendige Seekajak zu einem schutzlosen Nachen, wirkt wie eine zerbrechliche Nussschale, die vom stählernen Riesen überrollt wird.
Wir sind also umsichtig, vorausschauend, nicht etwa so waghalsig wie die Piraten, die hier Jahrhunderte lang zwischen den kleinen und kleinsten Inseln ihr Unwesen trieben. Dennoch fühlen wir uns ein bisschen wie die Freibeuter, spüren Freiheit und Stärke.
Unser Piraten-Abenteuer dauert 14 Tage, und wir erleben es zwischen der „Dicken” und der „Langen”. Die „Dicke”, das ist die kompakte Insel Brac, und die „Lange”, das ist die schlanke Insel Hvar. Beide liegen sie vor der Hafenstadt Split. Wir entern entlegene Buchten, lagern an weißen Kiesstränden und erobern uns kulturhistorische Stätten, einige davon aus den Anfängen der Besiedlung durch griechische Händler im vierten Jahrhundert vor Christus.
INFO
Kroatien
Lage: Die Küste der Republik Kroatien umfasst den größten Teil der östliche Adria-Küste. Luftlinie sind das knappe 600 Kilometer, die Gesamtlänge der Küstenlinie wird aber oft mit dem Zehnfachen angegeben - was auch daran liegt, dass über 1000 Inseln dazugehören.
Anreise: Ab Düsseldorf fliegen Air Berlin und Croatia Airlines nach Split, Zagreb und Dubrovnik, ab Köln und ab Dortmund steuert Germanwings Split an.
Einreise: Personalausweis genügt.
Sicherheit: Die Kriegsfolgen sind größtenteils beseitigt, nur in wenigen Regionen bestehen Risiken durch noch nicht geräumte Landminen. Vor allem Grenzregionen sind betroffen. Info im Internet unter www.hcr.hr
Reisezeit: Beste Reisezeit für Seekajak-Touren sind das späte Frühjahr und der Frühsommer.
Währung: Der Kuna (HRK): 1 € enspricht etwa 7,28 HRK. Kreditkarten werden meist akzeptiert, Bargeld bekommt man unkompliziert mit der EC-Karte an vielen Automaten.
Veranstalter: Eine Seekajaktour bieten zum Beispiel folgende Veranstalter: Club Aktiv, 0441/98 49 812, www.club-aktiv.de
Natours Reisen, 05473/92 290, www.natours.de
Abenteuer Expedition Reisen, 06392/40 94 90, www.aex-reisen.de
Kontakt: Kroatische Zentrale für Tourismus, Kaiserstr. 23, 60311 Frankfurt, 069/23 85 350, www.kroatien.hr
In unseren Booten fühlen wir uns wie die kleinen Brüder der Mittelmeerpiraten. Nur zehn Zentimeter über der Oberfläche des Meeres schnellen unsere Kajaks durch die Wellen. Dick bepackt mit wasserdichten Seesäcken, Zelten und Verpflegung trotzen wir der Strömung. Nach einem Tag haben wir unseren Rhythmus gefunden. Die Paddel stechen gleichmäßig ins Wasser, immer abwechselnd rechts, links, rechts, links. Der Oberkörper bringt Schwung in die gleichförmige Bewegung.
So erreichen wir das Ufer, im seichten, glasklaren Wasser sieht man Fischschwärme vor weißem Meeresgrund. Gelegenheit zum Schnorcheln gibt's jetzt aber leider nicht: Hinter uns braut sich über Brac eine dunkle Wolkenwand zusammen. Dumpf grollt der Donner vom Vidova Gora herüber, dem höchsten Berg der Adria. An seinem Fuß verbringen wir die Nacht, die Zelte im Schatten verkrüppelter Kiefern aufgeschlagen, das Lagerfeuer auf dem steinigem Grund entzündet.
Nach erholsamer Nacht im Zelt beginnt am Morgen der Aufstieg durch Olivenhaine zum Kloster Blaca, einer Einsiedelei aus dem 16. Jahrhundert, die wie ein Schwalbennest an den Wänden der breiten Schlucht klebt. Die massiven Mauern wirken uneinnehmbar über dem einzigen Zugang zum Meer. In dieser Abgeschiedenheit bauten die Mönche ein astrologisches Observatorium auf. Und sie tauschten Wein, Olivenöl und Honig gegen Teleskope, um den Himmel zu beobachten, und gegen Flinten, um Piraten abwehren zu können.
Später geht's im Boot weiter: Noch 18 Kilometer bis zum Tagesziel Milna auf der Südseite der Insel Hvar. Die Hälfte davon gegen Wind und Wellen. Was das offene Meer hinter der westlichen Landzunge von Hvar offenbart, wissen wir nicht. Also paddeln wir zügig die drei Kilometer bis zur nahe gelegenen Bucht von Vira. Der Campingplatz wird jedoch umgebaut. Kipper rattern über die Auffahrt, der Platz ist voller Schutt und Müll. Reiseleiter Lutz ruft kurzerhand per Handy ein Taxi. Wir ziehen die Boote an Land, lassen sie dort liegen, schleppen das Gepäck zur Straße und empfinden die Fahrt über die Insel als puren Luxus.
Durch die offenen Fenster zieht der würzige Duft der Mac-chia in den Kleinbus. Das dichte Gestrüpp zwischen Olivenbäumen und Kiefern trägt Anfang Mai sattes Grün. Der Ginster beginnt zu blühen und setzt gelbe Tupfer dagegen. Erdbeerbäume und Rosmarin tragen Blüten, die nur aus der Nähe zu sehen sind. Später wird die Insel von einem lilafarbenen Teppich überzogen sein. Seit der napoleonischen Besetzung gilt Hvar als Lavendelinsel. Die Lavendelblüte bekommen wir nicht zu sehen, aber der lokale Honig mit dem lila Etikett versüßt unser Frühstück am nächsten Morgen. Der Campingplatz von Milna ist nur durch ein Steinmäuerchen vom Meer getrennt.
Der Duft frisch gebrühten Kaffees lockt uns am nächsten Morgen aus den Zelten. Wir hocken auf Baumstämmen unter windschiefen Pinien, blicken auf die sanfte Dünung der Adria und beobachten, wie die Sonne hinter dem östlichen Ufer der Bucht aufsteigt.
Aus dem nahen Fischerdorf dringen Wortfetzen und Hundegebell herüber. Langsam erwacht unser Entdeckergeist, und kurze Zeit später wandern wir in die drei Kilometer entfernte Hafenstadt Hvar, die mit ihren Bars und prachtvollen Patrizierhäusern einen angenehmen Kontrast zu unserem sonstigen Programm bietet. Nach dem ausgiebigen Genuss von Kultur, Wein und Kaffee setzen wir unser Abenteuer fort.
Die Boote liegen in Vira, wie wir sie verlassen haben. Schnell stopfen wir das Gepäck in die Rümpfe und zwängen uns in die Sitzschalen. Herrlich, wieder Wasser unter dem Hintern zu spüren! Stumm gleiten wir aus der Bucht. Der Wind zersaust die Haare, wir finden den Rhythmus wieder, lassen uns von der Dünung treiben.