Essen. Peking und Hong Kong sind dicht besiedelt und hochmodern. Dennoch blüht zwischen den Hochhäusern noch immer das traditionelle chinesische Leben.
Es ist ein Land, indem eine tausendjährige Kultur ebenso zu Hause ist wie eine ausgeprägte Tradition. Hinzugesellt hat sich der Drang zur Moderne, zu ungestümem Wirtschaftswachstum. China mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern schickt sich an, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. Aber überall blüht noch immer das traditionelle Leben mit seinen Eigenheiten, Absonderlichkeiten und Geheimnissen. Und bei einer solchen Fülle an Geschichte ist es nur folgerichtig, dass in Sachen Kultur neue Entwicklungen anstehen.
Beispiel Hong Kong. Die dort beheimatete Cathay Pacific setzt das weltweit modernste Flugzeug, den Airbus A350 ein, um viermal in der Woche Düsseldorf mit Hong Kong zu verbinden. Die Flieger landen heute auf dem internationalen Airport, 43 Kilometer vom Centrum entfernt. Der Anschluss per Bahn, Bus oder Taxi ist gut, wir haben allerdings eine außergewöhnliche Form des Transfers gewählt: Vor dem Flughafen wartet eine der 14 Rolls Royce Luxuslimousinen des Traditionshotel Peninsula. Rund 150 Euro kostet die Fahrt vom Flughafen zum Hotel, wer es eiliger hat, kann den Hubschrauber nehmen und direkt auf dem Hoteldach landen.
In den Straßen der Neun-Millionen-Einwohner-Stadt herrscht ein ständiges Gewusel, schließlich gehört Hong Kong zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt. In Folge verdrängten Hochhäuser die alten Straßenviertel immer mehr. Aber es gibt sie noch.
Vor zehn Jahren noch eine kulturelle Wüste
Mitten in der Stadt wird derzeit die Central Police Station restauriert. Die ehemalige Polizeiwache – das älteste Gebäude wurde 1864 gebaut – mit angeschlossenem Gefängnis (Victoria Prison) bildet ein Ensemble von 16 Altbauten im Kolonialstil, das nun zu einem bedeutenden Zentrum der Kunst- und Kreativszene der Stadt revitalisiert wird. Gemanagt wird alles von Tobias Berger. Der gebürtige Wiesbadener war zuvor als Kurator im M+ Museum in Hong Kong tätig. „Vor zehn Jahren sagten die Leute, Hong Kong ist eine kulturelle Wüste. Heute geht hier die Post ab.“
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Bei aller Moderne lebt die Tradition, aber auch der Aberglaube weiter. Mit der mehr als 100 Jahre alten Doppeldecker-Tram (Fahrpreis ein paar Cent) führt der Weg durch die Straßenschluchten zur Causeway Bay. Einmal im Jahr startet hier das Mid-Autumn Festival. Wichtigstes Ereignis: Der Tanz des Feuerdrachens in Tai Hang. Alles begann vor rund 100 Jahren: Zuerst richtete ein Taifun in der Gemeinde Tai Hang großen Schaden an. Es folgte eine Seuche und schließlich fraß eine Python den Viehbestand des Dorfes auf. Ein Wahrsager verfügte, dass sich das Chaos nur durch einen Feuertanz über drei Tage und Nächte beenden ließe. Die Dorfbewohner bauten einen riesigen Drachen aus Stroh und zündeten ihn an: Sie tanzten drei Tage, die Seuche verschwand. Und zum Gedenken – vielleicht auch ein wenig zur Vorbeugung von Ungemach – tanzen sie noch heute.
Auch in Peking, der Zwölf-Millionen-Einwohner-Hauptstadt mit ihrer etwa 2500 Jahre alten Geschichte geht man neue Wege in Sachen Kultur. Das Peninsula Hotel in Peking holte sich im Zuge des Gesamtumbaus des Hotels Rat beim MoCA, dem Museum of Contemporary Art. Gegründet wurde es von Qin Feng, einem führenden Avantgarde-Künstler Chinas. Seine größten Arbeiten – zwei fünf Meter hohe Tuschegemälde – schmücken nun die Lobby des Hotels. Beraten von MoCA-Direktor Michael Sue plant der gebürtige Belgier und Peninsula-General-Manager Joseph Sampermans eine für China neue Art der Künstler-Förderung. Im Fünf-Sterne-Hotel richtet er ein Apartment mit Atelier ein, jeweils drei Monate kann hier ein Künstler kostenfrei leben und arbeiten. Sue: „Wir wollen eine Plattform für Gespräche und Diskussionen schaffen.“
Eine andere Art des Zusammenlebens
Eine ganz andere Art des Zusammenlebens spielt sich in den Pekinger Hutongs ab. Sie bilden heute die Reste der historischen Pekinger Innenstadt. Eigentlich bezeichnet der Name Hutong die engen Gassen der alten Stadtteile von Peking. Oft sind die Gassen so eng, dass es kein Durchkommen für Autos gibt. Man geht zu Fuß, fährt Fahrrad oder einen modernen Elektroroller. Die schmucklosen Gebäude sind zumeist aus grauen Steinen gebaut. Die Eingänge der Häuser führen in einen Innenhof, in dem sich das tägliche Leben abspielt. Rund zwei Millionen Menschen werden es wohl sein, die in diesen Hutongs wohnen. Die meisten der Häuser haben keine eigene Toilette. Abhilfe schaffen da öffentliche Toilettenhäuser, die vom Staat unterhalten und bewirtschaftet werden – und kostenlos sind.
In einem solchen Hutong wohnt Herr Liu. In seinem Haus mit Garten haben sich schon zahlreiche Prominente umgesehen. Herr Liu ist ein bekannter Veranstalter von sogenannten Cricket fights. Dabei gehen männliche Grillen aufeinander los und kämpfen. Die Arena ist ein runder Tontopf. So eine „Kampf-Grille“ kann schon einmal gut ein paar Tausend Dollar kosten. In China ist dieser beliebte „Kampf-Sport“ seit mehr als 1000 Jahren bekannt. Und da die Chinesen es lieben zu wetten, bietet sich der Cricket fight natürlich geradezu an. Für besonders erfolgreiche Grillen wird bei ihrem Tod auch oftmals ein extra Sarg für die mutigen Kämpfer gebastelt. Herr Liu kennt alle Tricks, wie man die Tiere bei guter Gesundheit und dem rechten Kampfeswillen hält. Schließlich lebt er in einem Hutong – und auch da muss man sich behaupten.