Essen. Georg Gaber ist auf dem Pferderücken groß geworden. Vor 20 Jahren zog es den Mülheimer nach Kanada. Dort betreibt er eine Rinderfarm.

Georg Gaber ist Geschichte. Seit der Mülheimer vor gut 20 Jahren nach Kanada ausgewandert ist, nennt er sich „George“ und spricht selbst mit seinen deutschen Feriengästen auf der „La Reata Ranch“ nur noch englisch. Dabei ist George auch ohne Allüren ein Cowboy wie aus dem Bilderbuch.

Die „Equitana“ in Essen, die weltweit größte Messe für Reitsport, hat Georges Leben für immer verändert. Hier buchte der Pferdenarr damals einen Urlaub im Südwesten Kanadas, „drei Stunden bevor sie geschlossen haben“, betont er noch. Der Rest war Liebe auf den ersten Blick: Die unendliche Weite der Prärie, die Stille, die Einsamkeit – das alles war genau nach seinem Geschmack.

Die Provinz Saskatchewan, ziemlich genau in der Mitte des Kontinents gelegen, ist das kanadische Pendant zum amerikanischen Cowboy-Staat Montana. Knapp doppelt so groß wie Deutschland leben hier gerade einmal gut eine Million Menschen. Etwa 40.000 Farmen und Ranches soll es in der „Kornkammer des Landes“ noch geben – mit ihnen hat auch die Lebensart des Wilden Westens überdauert: Harte Kerle schwingen beim Rodeo ihre Cowboy-Hüte, in den kleinen Orten gewähren Stoppschilder den Männern mit ihren Pferden Vorfahrt, abends am Lagerfeuer werden die Gitarren ausgepackt und durch die tiefschwarzen Nächte dringt tatsächlich das Geheul der Kojoten.

Auf dem Pferderücken groß geworden

George hat das alles aufgesogen wie das fruchtbare Farmland von Saskatchewan den Regen. Vor dem Blockhaus seiner Rinderfarm, die er nach der Texas-Ranch aus dem James Dean-Film „Giganten“ benannt hat, weht eine Kanada-Flagge, drinnen läuft gemütliche Country Musik. Und der gelernte Landschaftsgärtner selbst sieht aus, wie man sich einen Cowboy in Mülheim an der Ruhr so vorstellt: Zu Jeans und ordentlich gebügeltem Karohemd trägt er fast neue Cowboy-Stiefel, gerade so abgewetzt, dass sie in einem coolen Secondhand-Laden stehen könnten. Der weiße Cowboy-Hut sitzt trotz kräftiger Windböen wie festgetackert und teilt das Gesicht mit dem leichten Bartschatten in eine gebräunte, fast wettergegerbte und eine von der Sonne unberührte Partie. „Long live Cowboys“ steht auf der Jacke des Farmers. Frei übersetzt bedeutet das wohl: Ich gehöre hierher.

„Ich bin auf dem Pferderücken groß geworden“, sagt George, dessen Eltern in der Nähe von Breitscheid einen Bauernhof mit Schweinen, Kühen, Schafen und Hühnern bewirtschafteten. „Ich hatte schon ein eigenes Pferd bevor ich überhaupt geboren war.“ Doch den Traum von der eigenen Farm in Kanada verwirklichte er allein. Er baute die Gästehäuser, die inzwischen
Platz für 20 Touristen bieten, das Blockhaus und eine kleine Bar. Heute kümmert er sich auf 20 Quadratkilometern um 280 Kühe und Bullen und 23 Pferde. Drei freiwillige Helfer, oft junge Deutsche, die für eine Weile ins Ausland wollen, gehen ihm dabei zur Hand. Zäune müssen repariert, Pferde gepflegt, Gäste versorgt und das Vieh zusammengetrieben werden. Vor allem im Sommer, wenn die Tiere ihre Brandzeichen bekommen, geht es heiß her. Meist ist George aber sowieso den ganzen Tag auf dem Pferd unterwegs.

Touristen müssen sich an die Stille gewöhnen

Seinen Gästen zeigt er dabei die perfekte Cowboy-Romantik: Die Pferde traben gemütlich über die von goldenem Präriegras überzogenen Hügel, George schwingt sein Lasso, unten im Tal glitzert der Diefenbaker See. Früher haben hier die Blackfoot- und Crow-Indianer gelagert, um auf den weiten Ebenen nach Büffeln zu jagen. Sitting Bull wurde nach der berühmten Schlacht am „Little Bighorn“ in Saskatchewan vor den Amerikanern Asyl gewährt. Die Landschaft dürfte sich seitdem kaum verändert haben – soweit das Auge reicht stören auch heute weder Strommasten noch Straßen die Szenerie. Für den Mittfünfziger, der sein genaues Alter nicht verraten will, bedeutet dieses Leben Freiheit: „Keine Nachbarn, keine Regeln, niemand, der dich beobachtet.“

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Touristen allerdings müssen sich an die Stille erst gewöhnen. Auf „La Reata“ gibt es weder Fernseher noch Wifi. Bis nach Kyle, mit gut 400 Einwohnern nach deutschem Verständnis eher ein Dorf als eine Stadt, sind es 30 Kilometer. „Gerade Deutsche fragen ständig: Was machen wir jetzt? Wie ist der Plan?“, erzählt George lachend vom Aktionismus seiner Landsleute. „Nach drei Tagen dann müssen wir sie morgens schon wecken.“

Statt vollen Einkaufszentren, Gedrängel in der Disco und schicken Restaurants bietet der Ranchbetrieb Abwechslung der etwas anderen Art: Ausritte bis zum Horizont, Hufeisen-Weitwurf und Übungen mit dem Lasso, ein paar Drinks im Saloon und natürlich Bohnen mit Würstchen unter freiem Himmel.

Er selbst habe es in der Stadt noch nie ausgehalten, sagt George, der beteuert, aus Deutschland vermisse er nur das Brot und den Käse. Im Winter aber, wenn die Gäste-Ranch ihre Winterpause macht, eisige minus 40 Grad in die Knochen ziehen und Freundin Elina, die keine permanente Aufenthaltsgenehmigung für Kanada hat, zurück nach Schweden fliegt, muss man die Einsamkeit der kanadischen Prärie aushalten können. Sogar der nächste Nachbar, der fürs Mittagessen schon mal Tomaten oder Rhabarber aus seinem Garten vorbeibringt, wohnt rund 30 Autominuten entfernt.