Essen. Die Kreuzfahrtgesellschaft Hurtigruten kehrt zu ihren Wurzeln zurück. Das Programm an Bord hat im Grunde nur einen Namen: Landschaft.

Die Hurtigruten sind vielleicht der berühmteste touristische Markenartikel zu Wasser. Da braucht viel Fingerspitzengefühl, wer das Schiff in der Zeit halten will, ohne dabei die Tradition zu verwässern. Vermutlich hat die alte Postschiff-Linie, deren Slogan „Die schönste Seereise der Welt“ bislang kein Konkurrent juristisch anzugreifen wagte, 2016 alles richtig gemacht. Wer die jüngst in der norwegischen Werft Fosen Yard ästhetisch neu definierten Schiffe der Linie betritt, sieht eine Rückkehr zu den Wurzeln. Es ist der fortschrittlichste Rückschritt, den man wagen kann. Das neue Innendesign der Bar, des Restaurants oder des fast wohnküchenhaft privat anmutenden „Multe“-Cafés auf Deck 7 (eine alte Passagierin nennt es das „schönste Esszimmer der Welt“) folgt einem klaren Bekenntnis. Holz, Schiefer, Leder stehen für eine klare Linie, die so ziemlich das Gegenteil des in die Jahre gekommenen Vorgänger-Interieurs ist.

Wie Moden eben sind: Damals, als sie 1992 in Stralsund stolz vom Stapel lief, war das Innere der Kong Harald „state of the art“. Doch der etwas aufdringlich schimmernde Schick, der an Nobelrestaurants des ausklingenden letzten Jahrhunderts erinnert, ist gewichen.

Das Naturschauspiel bleibt im Vordergrund

„Arktisches Design“ taufen die Hurtigruten ihre neue Optik. Sie ist diskret, was in vieler Hinsicht der Programmatik einer Schiffspassage aufgreift, die sich stolz wie ein schwimmendes gallisches Dorf behauptet gegen die immer größer werdenden Pötte maritimer Spaßgesellschaften. Nein, es fährt auch auf Hurtigruten reloaded kein Zauberer mit oder, wie auf der „Aida“, die fitnessverheißende Weitspringerin Heike Drechsler. Die MS Polarlys, die Kong Harald, die Nordkapp und Nordnorge bleiben auch im neuen Antlitz ein sich dem Naturschauspiel aus Bergen, Fjorden, Polarkreis und Nordmeer unterordnendes Fahrgeschäft. Ein Bollwerk ruhigsten Fahrwassers – es gibt nur etwa 600 Reisende, keine Musical-Show, keine Tanzkapelle, es gibt keinen Serviettenfaltkurs bei Regen, nicht mal Bingo wird angeboten. Ab und zu eine Dia-Show über Küstenvögel. Oder die Samen.

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Das Programm an Bord hat im Grunde nur einen Namen: Landschaft. Staunen über die Lofotenwand, deren rund 100 Kilometer ununterbrochenes Bergmassiv wie Mini-Alpen mitten ins Meer geplumpst scheinen. Oder über die unverzichtbare Kehre im Trollfjord, so eng, das die schroffen Steilwände zum Greifen nah sind; präzis wie eine Kompassnadel lässt der Steuermann seinen „König Harald“ um sich selbst kreisen, ehe wir wieder die Küste passieren. Es ist einer der magischen Momente jeder Hurtigruten-Fahrt. Selbst Ludvig, der smarte Barkeeper, hört einen Augenblick mit dem Gläsertrocknen auf und schaut hinaus. Es ist großes norwegisches Kino, das zu sehen man kaum müde wird.

Fjorde, Fischerdörfer, Schneekuppen, endloses Wasser

Eine oder zwei Wochen Natur, je nachdem, ob man die Strecke Bergen-Kirkenes einfach oder retour bucht: Nicht weniger, nicht mehr, füllen den Ereigniskatalog der einstigen Postschiffe. Die Sauna? Vorsintflutlich. Der Fitnessraum? Vernachlässigbar. Die meisten Gäste schätzen das. Bloß Rüdiger, ein selbstständiger Heizungsinstallateur aus Hamburg, äußert schon an Tag zwei der Reise Zweifel: „Tolle Landschaft, aber es wiederholt sich, muss man sagen.“ Zum Glück hat er ein Smartphone dabei, seine Frau mehrere Sudoku-Heftchen. Rüdiger hat schon die Schlittenhundefahrt gebucht. Es gibt allerhand Touren-Pakete für Landgänge zwischen Alesund, Tromsø und Hammerfest.

Womit die Natur draußen aufwartet“, sagt Heiko Jensen, Geschäftsführer von Hurtigruten Deutschland, das wolle man im Innern der neu eingerichteten Schiffe fortsetzen. Das ist gut geglückt: Die Farben von Küste und See regieren nun die Aufenthaltsräume, Blau, Braun und graue Steintöne herrschen vor. Und noch bei heruntergelassenem Rollo entgeht man der Landschaft nicht. Über jedem Kabinenbett schwarz-weiße Fotokunst, die das Ewige der Kult-Strecke bannt: Fjorde, Fischerdörfer, Schneekuppen, endloses Wasser.

Kulinarisch norwegisch

Unsere Abendstunde verbringen wir im weißen Schaukelstuhl in der „Multe“: Schaffell, Spitzendeckchen auf dem Teetisch, Omas Häkelkissen, dazu ein Haferkeks. Man kann den üppig prosperierenden All-you-can-eat-Dampfern einer schönen neuen Reise-Welt derzeit kaum angenehm Schlichteres entgegensetzen.

Auch kulinarisch versucht die in vielerlei Hinsicht patriotischen Hurtigrute (etwa 90 Prozent der Crew sind Norweger, was auch den Preis prägt) nicht, im Kochtopf internationalen Mischmaschs zu enden. Es gibt reichlich Fisch aus dem Nordmeer. Man reicht herzhafte Aufläufe, kräftige Suppen. Schon das Frühstück kann (muss aber nicht) landestypisch beginnen. Erst gewöhnungsbedürftig, dann köstlich: Brunost, karamelisierter Molkekäse. Dazu kräuteriges Knäckebrot, deftige Würste, Dickmilch, solche Sachen.

Ein saures Früchtchen

Und natürlich findet sich die Moltebeere in sahnigen Quarkdesserts und Törtchen wieder, ein saures Früchtchen, das die Kälte liebt. In Finnland ziert es die Zwei-Euro-Münze.

Unsere Reise mit der Kong Harald hatten wir angetreten, die Design-Reform zu bestaunen. Gesiegt hat am Ende jene Welt, für die die Hurtigruten einst erfunden worden sind. Die klugen Inneneinrichter werden das als Kompliment verstehen.