Breslau. Sie galten als Symbol der Anarchie, nun stehen sie für Völkerverständigung - Zwerge sind nicht nur im Kulturhauptstadtjahr in Breslau allgegenwärtig.

Sie sind klein, bärtig und können verdammt hart sein. Vor allem, wenn man spätabends in einer schlecht beleuchteten Altstadtgasse über sie stolpert: Die Zwerge von Breslau (Wrocław), zipfelmützige Wahrzeichen der niederschlesischen Metropole und Europäischen Kulturhauptstadt 2016, haben sich seit 2001 überall im Stadtgebiet ausgebreitet.

"Wir wollten etwas Unverwechselbares, so wie Warschau die Weichselnixe "Sirena" hat und Krakau den legendären Drachen in der Höhle am Fuß des Wawelhügels", sagt Monika Mazur vom Büro für Stadtwerbung. Und warum ausgerechnet Zwerge? "Es gibt alte Stadtlegenden von Zwergen, die den Leuten helfen oder Schabernack treiben." Und dann sei es natürlich nicht allzuweit in die Bergbauregion, wo nicht nur Kohle, sondern auch Erz gefördert wird - und Zwerge haben ja den alten Legenden zufolge eine Schwäche für Metalle.

"Unsere Zwerge sind unpolitisch"

Es gibt aber noch eine viel jüngere Verbindung von Zwergen und Breslau: In den 80er Jahren setzten sich die Mitglieder der "orangenen Alternative" um den Sponti-Künstler "Major Fryderich" gerne Zipfelmützen auf, um bei Happenings die kommunistische Obrigkeit zu veralbern. Zwergen-Graffiti wurden zusammen mit aufmüpfigen Parolen an Hauswände gesprüht.

Im damaligen Treffpunkt der Künstlergruppe befindet sich heute, umgestylt und szenig, das Café "BarBara", in dem derzeit auch das Büro des Europäischen Kulturjahres seinen Sitz hat.

Mit den Zwergen der "Pomeranczowa Alternatywa" hätten die bronzenen Zipfelmützenträger des heutigen Breslau aber absolut nichts zu tun, betont Mazur. "Unsere Zwerge sind unpolitisch!"

Zwergenorchester vor dem Musikforum

Fryderich, der mittlerweile Breslau den Rücken gekehrt hat, ist von der Zwergenwerbung überhaupt nicht begeistert. Er fühlt, so erklärte er in einer Stellungnahme, seine Idee zu bloßer Stadtpromotion missbraucht.

Bildhauerin Beata Zwolanska-Holod posiert in Breslau mit einem Zwergenmodell.
Bildhauerin Beata Zwolanska-Holod posiert in Breslau mit einem Zwergenmodell. © dpa

Für die Bildhauerin Beata Zwolanska-Holod dagegen ist der Zwergenboom ein Stück Existenzsicherung. Die zierliche Künstlerin mit schwarzer Wuschelfrisur erhält regelmäßig Aufträge, in ihrem Atelier in einem alten Straßenbahndepot einen neuen Zwerg zu schaffen. Denn die knapp 20 Zwerge, die die Stadt in Auftrag gab, waren nur ein Anfang. Inzwischen sind es laut aktueller Zählung auf der eigens eingerichteten Website 269.

Behörden, Unternehmer, Privatleute orderten ebenfalls Zwerge. So ist vor einer Apotheke in der Innenstadt ein Zwerg, der Medizinpulver anrührt, vor einer Spielhalle sitzt eine zipfelmützige Zockerrunde und vor dem Nationalen Musikforum hat sich ein komplettes Zwergenorchester versammelt.

Bärte sind bei Zwerginnen filigraner

"Von der Idee und ersten Skizze bis zum fertigen Zwerg vergeht etwa ein Monat", erzählt die Künstlerin. "Manche Auftraggeber verfolgen jedes kleine Detail und haben ganz genaue Vorstellungen." Manchmal bleibe da nur wenig Gelegenheit, auch andere Projekte zu verfolgen, gibt sie zu.

Dafür leisten Zwolanska-Holods Zwerge mittlerweile auch einen Beitrag zur Völkerverständigung: Vor dem deutschen Generalkonsulat in Breslau sitzen die Zwerge "Polonikus" und "Germanikus" einträchtig nebeneinander und prosten sich mit ihren Bierkrügen zu. Die Zwerge mögen keine Revolutionäre mehr sein, aber politische Spannungen sind ihnen fremd. Zu unterscheiden sind Germanikus und Polonikus nur an den Länderflaggen an ihrer Kleidung.

Überhaupt ist es mit der Einheitserscheinung der Zwerge so eine Sache - dabei soll es auch drei Zwerginnen geben. Zwergenkennerin Zwolanska-Holods findet, das sei doch ziemlich offensichtlich: "Die Zwerginnen haben Brüste. Und die Bärte sind irgendwie filigraner." (dpa)