Essen. Fernab des sommerlichen Partyrummels wollen viele junge Touristen im Winter das authentische Mallorca genießen. Museumsbesuche und Paella inklusive.

Langsam steigen sie nach oben, verharren einen Augenblick und genießen den Blick über Pollença. Die Abendsonne taucht das kleine Städtchen im Norden Mallorcas in ein diffuses Licht. Der Carrer del Calvari ist wohl die berühmteste Treppe der Insel. Sie hat 365 Stufen und führt direkt zur Kapelle Eglésia del Calvari. „Die Atmosphäre hier oben ist einmalig“, sagt Martin Wolf. Der 39-jährige Schauspieler macht mit seiner Freundin Anika Lehmann ein paar Tage Winterurlaub auf Mallorca.

Zunehmend jüngere Gäste kommen im Winter auf die Insel. „Sie suchen das authentische Mallorca“, sagt Alexandra Wilms. Die Deutsche ist die neue Sprecherin des balearischen Tourismusministeriums. Wandern im Tramuntana Gebirge, Radtouren um die Insel, Spaziergänge an einsamen Stränden, Golf oder Tennis, Museen besuchen und nach einem Bummel in Palma bei einem Glas Wein frisch zubereitete Tapas genießen. Wilms: „Mallorca im Winter tut einfach gut.“

Auch die beiden Hamburger wollten mal raus aus dem ungemütlichen deutschen Schmuddelwetter, um zwischen Probe und Premiere ein paar Tage auszuspannen. Mit zwei Freunden mieteten sie sich eine Finca für fünf Tage zu einem Preis von 400 Euro. „Mit dem Fahrrad fahren wir morgens zum Bäcker und holen frische Brötchen, dann erkunden wir mit dem Mietwagen die Insel, und abends lassen wir uns in einem Restaurant die Paella schmecken“, erzählt Martin Wolf.

Zwei Monatefür 700 Euro

Mallorca erkunden – das steht auch auf dem Überwinterungsprogramm des Hamburger Rentners Manuel Mühlbeck, der sich mit seiner Lebenspartnerin Inge an der Playa de Palma für zwei Monate eine Ferienwohnung gemietet hat: für 700 Euro im Monat. Jeden Morgen beginnen sie mit dem gleichen Ritual: hinaus auf den Balkon, sehen wie das Wetter ist und dann das Tagesprogramm besprechen. „Mal sind wir mit dem Mietwagen unterwegs, mal mit dem Bus“, erzählen sie. Beide lieben die Märkte und die Museen der Insel.

Alle Jahre wieder Mallorca. Für das Rentnerehepaar Lisette und Alfred Heck aus Baden-Württemberg gibt es seit vielen Jahren nur das eine Ziel. Vier Monate bleiben sie, von November bis März, nur Weihnachten fliegen sie nach Hause. Auf der Insel treffen sie ihre Freunde aus allen Teilen Deutschlands. Wenn im Spätsommer der erste meldet: „Wir haben gebucht!“, dann wirkt das auf alle wie ein Zauberwort. „Jeder eilt ins Reisebüro und bucht ebenfalls“, berichtet Lisette Heck und betont: „Hier ist unser zweites Zuhause.“

Nur wenige Hotels haben in der Nebensaison geöffnet

Wenn sie Glück haben, genießen sie im Januar den sogenannten kleinen Sommer. Ein Wetterphänomen, das etwa zwei Wochen lang für rund 20 Grad, strahlenden Sonnenschein, wolkenlosen Himmel und völlige Windstille mitten im Winter sorgt. Ende Januar wird es dann meist kalt, die Gipfel der Serra de Tramuntana sind zu dieser Zeit fast immer schneebedeckt, alle fünf bis sieben Jahre bleibt die weiße Pracht sogar in der Ebene liegen. Der weltberühmte Schnee von Mallorca, die Mandelblüte, kündigt Mitte Februar dann den ersehnten Frühling an.

Auch interessant

Noch nie war die Insel als Urlaubsziel im Winter so gefragt wie jetzt. Als Grund werden von Tourismusexperten die aktuellen Krisenherde in den Urlaubsgebieten von Tunesien, Ägypten und auch der Türkei angegeben. Die Hoteliers und Fluggesellschaften versprachen bereits im Herbst, sich auf die voraussichtlich beste Nebensaison der letzten zehn Jahre einzustellen. Doch es klappte nicht ganz: Erste Überbuchungen werden gemeldet.

„Überbuchungen dürfen auf keinen Fall passieren“, sagt Jan Viebrock, Repräsentant der TUI auf Mallorca. Er und sein Kollege Jan Bailieux beklagen: „Leider haben in der Nebensaison zu wenig Hotels geöffnet.“ Dabei geben sich die Reiseveranstalter immer größere Mühe, den Urlaubern die Insel auch in der Nebensaison schmackhaft zu machen. „Wir haben für diesen Winter ein neues, spannendes Programm aufgelegt“, sagt Viebrock.

Baleareninsel locktdie Radfahrer

Ausflüge gehören zum Standardprogramm eines jeden Inselurlaubs im Winter. Beispielsweise der Rundwanderweg durchs Orangental – einer der schönsten der Insel. Der Weg durch Sóller führt direkt vom Rathaus an kleinen Geschäften und Restaurants vorbei, dann geht es weiter durch die Orangenplantagen, die Anfang des Jahres abgeerntet werden. Das Ziel: Fornalutx, das prämierte, schönste Dorf Spaniens.

Doch nicht nur Wandern gehört zu einem mallorquinischen Urlaubsprogramm im Winter. Es wird Rad gefahren, gegolft und Tennis gespielt. Francesco Saporito betreibt im Hotel Gran Fiesta ­eine Radsportstation des Schweizer Unternehmens Huerzeler Bicycle Holidays. Mit elf Stationen ist es der größte Radsportveranstalter auf Mallorca. Etwa 160 000 Radsportler kommen jährlich auf die Insel. „Wir bieten Kurse für Einsteiger an sowie Touren für Speedgruppen, die mehr als 100 Kilometer am Tag zurücklegen.“

Der Tag kann in Porto Petro im Süden der Insel ausklingen, einem kleinen Hafen mit Fischerbooten und Segeljachten. Die beiden Restaurants Es Bergant und La ­Caracola haben geöffnet, selbst auf den Terrassen gibt es kaum einen freien Tisch. Fast alle Gäste entscheiden sich für das Menue del dia: eine kleine Vorspeise, frischer Fisch, Dessert, Wein oder Wasser, alles ­zusammen für zehn Euro. Dazu die wärmenden Strahlen der mallorquinischen Sonne und das Lächeln eines gut gelaunten Kellners.