München. In Bayern scheint vielerorts die Zeit still zu stehen. So findet man auch heute noch überall Hoflieferanten - obwohl es lange keinen König mehr gibt.

Möchte der traditionsbewusste Bayer es bis heute kaum glauben: Die Absetzung des Königs ist nun auch schon wieder fast 100 Jahre her. Weil aber die Uhren und mit ihnen wohl auch die Herzen unten im Süden der Republik ein bisschen anders schlagen, ist der Kini auch an der Ladentheke lebendig. Ganz vorn in dieser Hinsicht: München.

Sie brauchen die herrschaftlichsten Schuhe der Stadt? Da gehen’s zum Ed. Meier, der is nämlich „Königlich Bayerischer Hoflieferant“. Etwas für die Zigarrenpause danach? Beim Hoflieferanten Zechbauer in München gibt’s welche, wie sie schon im vorvorigen Jahrhundert die Wittelsbacher gerne rauchten – inklusive der Anekdote, dass Prinzregent Luitpold in seinen Gehrock zwei Taschen für Tabakwaren hatte einnähen lassen. Zum spontanen Verschenken griff er in die mit der preiswerten Sorte.

"Durch allerhöchste Entschließung allergnädigst bewogen gefunden"

Und wenn einem beim Rauchen im vorwinterlichen München die Finger kalt werden, schaue man beim Roeckl hinein: Hoflieferant und erste Handschuh-Adresse der Stadt. Die halten sogar noch einen aussterbenden Beruf am edlen Leben: Herr Gebhardt stellt die vornehmsten Exemplare noch in Handarbeit her, Schmeichelndes vom Pekarischwein. Auch der Dallmayr ist seit 1900 Hoflieferant. Die repräsentativen Theken für Edelfisch und alten Käse erzählen verzierungsreicher davon als Kaffee-Werbespots es ahnen lassen.

Ja, man ist stolz. Warum sollten die feschen Adressen es auch verleugnen, heißt es doch 1895 in der Urkunde des königlichen Obersthofmeisters Graf zu Castell, dass Seine Majestät sich einerseits „durch allerhöchste Entschließung allergnädigst bewogen gefunden“ habe, den Titel eines Königlichen Hoflieferanten an den Schuhmachermeister Eduard Meier zu verleihen. Andererseits bleibe das so, „solange Allerhöchstdieselben nicht anders zu verfügen geruhen“.

Genialer Marketingcoup

Nun, und da bislang keiner das Gegenteil gesagt hat, führt Urenkel Peter Eduard Meier in seinen die andachtsvolle Aura zeitloser Mode verströmenden Verkaufsräumen an der Brienner Straße den Titel weiter. „Vorm.“ für „vormalig“ steht auf den Visitenkarten, aber die internationale Übersetzung zeigt doch, in welcher Liga man spielt: „By Appointment To His Majesty The King Of Bavaria“. Man kennt das ja von der Queen, selbst Streichhölzer und Klospray tragen das britische Hoflieferantensiegel. So what?

Reise-Infos

Anreise: Mit dem Auto aus dem Ruhrgebiet über die A3 Richtung Frankfurt bis Nürnberg, weiter über die A9 nach München. Mit der Bahn nach München.
Herrschaftliches Bayern: Dieses Thema, von Manufakturen über Residenztheater bis zu Gärten und Museen, wird in einer Übersicht beleuchtet. Info-Broschüren: 089/2 12 39 70.
Veranstalter: Graf's Reisen bietet eine viertägige München-Fahrt ab 319 Euro pro Person.
Kontakt: München Tourismuswww.bayern.by

Herr Meier, umgeben von kostbaren Schuhen, Tüchern und Tweed, nimmt die Sache mit merkantilem Augenzwinkern. „Der Titel“, sagt er, „war schlichtweg ein genialer Marketingcoup für mittelständische Unternehmen.“ Denn natürlich brach sich die Liebe zum Royalen auch per Nachahmung (also Konsum) die Bahn. Tut sie es nicht bis heute, da halb England Kates Designerröckchen ordern wollte?!

Man kann übrigens auch beides sein: Hof – und Lieferant. Vor den Toren der Stadt treffen wir Prinz Luitpold von Bayern, Adresse: Nördliches Schlossrondell 8, München.

Eine Welt vor unserer Zeit

Ein diskreter, überaus höflicher Mann, der Erbfolge nach künftiger Chef des Hauses Wittelsbach und damit dann (wenn auch nicht aktuell amtierender) König von Bayern. Das Schlossrondell ist die Adresse der „Porzellan Manufaktur Nymphenburg“, fast 270 Jahre alt. Dass er seine Firma die „letzte reine Porzellanmanufaktur der Welt“ nennt, wundert. Und Meissen? Auch die, sagt der Prinz, machten längst nicht mehr alles von Hand: Manches Blütenblatt tupften Maschinen auf. Nicht so bei Nymphenburgs. Mit den Werkstätten (leider keine Führungen!) betreten wir eine Welt vor unserer Zeit. Die uralten Porzellanmühlen werden noch mit Wasserkraft betrieben, in der tageslichtgefluteten Galerie arbeiten in meditativer Stille Maler (manche seit 40 Jahren), kolorieren bayerische Löwen oder blütensattes Porzellan für Käufer aus aller Welt. Wer die Arbeit einmal aus der Nähe gesehen hat, wird sein Wundern über die Preise – auch kleine Tässchen sind dreistellig ausgezeichnet – gedämpft wissen.

„Unsere Nachkaufgarantie endet nie“, sagt Luitpold, „wir haben noch alle Entwürfe, können alle Farben und Formen jederzeit wieder herstellen.“ Es klingt wie ein Gleichnis: Design kommt, Design geht. Königreiche aber, selbst die derzeit ruhenden, haben einen langen Atem.