Thessaloniki. In Theassaloniki spürt man kaum etwas von der Wirtschaftskrise. Die Märkte und Uferpromenaden sind quirlig wie eh und je.

„Probieren Sie unser Pastourma, frisch gesalzen und abgehangen“, fordert uns der nette Herr mit dem grau-melierten Haarschopf hinter der Theke auf und drückt uns den Holzpiekser in die Hand. Würzig-rauchig schmeckt das luftgetrocknete Rindfleisch, dazu den frischen Schafskäse Kasseri – nordgriechische Tapas vom Feinsten. Lefteris Amalia spricht fast fließend Deutsch, selbst der österreichische Akzent kommt noch durch. „Ich denke noch gern an meine Zeit in Graz zurück“, gerät der ehemalige Bauingenieur ins Schwärmen.

Ein eigener Puls

Seit drei Jahren hilft er seinem Sohn Panajotis in dessen Feinkostladen Nóotos mitten im lebhaften Marktviertel von Thessaloniki. In Tonfässern lagern Hunderte von schrumpeligen Oliven in Salzwasser, an den Wänden trocknen Knoblauchzwiebeln. In der Vitrine duften verschiedene Feta-Varianten aus dem Westen des Landes. „Das Geschäft läuft gut“, sagt Panajotis und lächelt – in seiner Stimme schwingt die Hoffnung mit, dass ihn die Wirtschaftskrise Griechenlands nicht mehr erwischt. Seit 2008 stieg auch in der zweitgrößten Stadt des Landes – mit über 200 000 Studenten – die Arbeitslosenquote von rund acht auf 26 Prozent. Die Jüngeren wandern aus, die großen Firmen siedeln um nach Bulgarien und Albanien. „Doch seine Lebendigkeit und Fröhlichkeit hat Thessaloniki nicht verloren, die geschichtsträchtige Stadt ist eher noch spannender geworden“, findet Despina Karagiozi.

Die Köchin führt Freunde der griechischen Kulinarik bei ihrer „Eat and Walk“-Tour seit sechs Jahren durch die Märkte, Feinkostläden und Bars der nordgriechischen Hafenmetropole – inklusive anschließendem Kochen. Der Markt unweit der Agía Sofia-Kirche mit ihren berühmten Kuppelmosaiken aus dem 8. Jahrhundert ist ein eigener Kosmos – mit seinem eigenen Puls, seiner eigenen Geschwindigkeit und einer Aura, die immer wieder an den Orient erinnert. Ein buntes Durcheinander aus Farben und Gerüchen, hier wird gefeilscht und gehandelt, gestritten und gelacht. An den Ständen bieten Marktfrauen gerne Lukoumádes, frittierte Teigkugeln mit Honig, auf die Hand an, oder Halvas – eine Süßspeise aus Hartweizengrieß, Karamell und Honig. Ein paar Straßen weiter wartet bei Papageorgiou erneut eine Schleckerei in riesigen Tonkrügen – Glyko Koutaliou, in Sirup gekochte und eingelegte Birnen, Kirschen, Orangen. Supersüß.

Jüngere kommen zurück aufs Land

Mittlerweile haben sich Bars wie die „On the road“ an der gerade neu gebauten Uferpromenade am Meer gefüllt mit jungen, lachenden Studenten. Auch während der Woche seien die Bars und Discos bis tief in die Nacht geöffnet, erzählt die Gastronomin. Von der Krise ist kaum etwas zu spüren – oder lassen sich die jungen Griechen das Feiern einfach nicht verbieten?

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Auf dem Lande – rund eineinhalb Stunden vom quirligen Thessaloniki entfernt – am östlichsten Finger der Halbinsel Chalkidiki mit ihren langen, weißen Sandstränden, schmucken Buchten und schnuckeligen Fischerdörfern, sind die Menschen weniger getroffen von der Krise. Sie produzieren noch ihre eigenen Lebensmittel, haben Hühner und Ziegen, gehen fischen – und leben vom Tourismus. Schicke Luxushotels säumen die Küste. „Viele Jüngere, die in der Stadt studiert und dort erst versucht haben, einen Job zu bekommen, kommen mittlerweile zurück in ihre Dörfer“, weiß Priester Vartholomaios. Der junge Gläubige betreut die beschauliche 990-Seelen-Gemeinde in Néa Róda, ganz in der Nähe der berühmten Mönchsrepublik Áthos. In dem selbstverwalteten monastischen Staat – einer Unesco-Welterbestätte – leben rund 2300 Ordensbrüder in 20 gewaltigen orthodoxen Klöstern rund um den Heiligen Berg Áthos, streng nach der Lebensphilosophie und Religiosität der Byzantiner. Nur einige wenige männliche Besucher mit einem Visum dürfen Áthos und seine Mönche besuchen. Der Rest ist auf Ausflugsdampfer angewiesen, die zu Touren rund um die verbotene Halbinsel aufbrechen.

Probleme mit der ersten Freundin

Vartholomaios ist glücklich vor den Toren des Mönchsstaates, in seiner kleinen Gemeinde mit der frisch renovierten Panagia-Kirche. Um ihn herum mit Ikonen geschmückte Wände, gold glänzende Kronleuchter, Weihrauchgefäße und pompöse Altare. Plötzlich piept es in der Stille, und der Fromme mit dem üppigen Vollbart holt aus den Tiefen seiner langen schwarzen Robe ein lilafarbenes Handy hervor. „Ich berate viele Jugendliche, wenn sie Probleme mit der ersten Freundin oder der Jobsuche haben – und da läuft es oft über Facebook“, erklärt der Sanftmütige und lacht: „Mittlerweile bin ich da ziemlich fit.“ Die Weltlichkeit des jungen Priesters verblüfft, dennoch scheint die griechisch-orthodoxe Kirche immer öfter auch in weltlichen Dingen auszuhelfen – schön in diesen krisenbehafteten Zeiten.