Essen. Die bayrische Hauptstadt hat im Herbst einiges zu bieten: Straßentheater, Konzerte, Lesungen, und Ausstellungen locken Touristen nach München.
Nur noch wenige Cabrios fahren mit offenem Verdeck über die belebte Schwabinger Leopoldstraße. Zum Dirndl gehört ab sofort die warme Wollstrumpfhose. Und auf der Terrasse des Kult-Cafés Tambosi neben dem Hofgarten sitzen die Gäste in Decken gehüllt und beobachten das Treiben auf dem Odeonsplatz. Der Sommer ist auch in München vorbei. Es ist Herbst. Kulturherbst.
Auf der „Wiesn“ ist das letzte „Prosit“ verklungen, der nächste touristische Höhepunkt, der traditionelle Christkindlmarkt, startet erst Ende November. „Die Leute denken oft, in der Zeit zwischen Oktoberfest und Vorweihnachtszeit gibt es nicht viel. Aber sie irren“, sagt Geraldine Knudson, Leiterin von München Tourismus. Die Stadt habe jetzt im Herbst viel zu bieten: Straßentheater, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Führungen, und und und.
Klee und Kandinsky im Lenbachhaus
Ein besonderes Schmankerl in diesem Jahr: die Ausstellung „Klee und Kandinsky“ im Kunstbau des Lenbachhauses. Eben noch im Münchner Alltags-Strom aus Pendlern und Touristen, betritt man den Kunstbau direkt im U-Bahnhof Königsplatz. Die Türen schließen sich, Lärm und Hektik bleiben draußen. Ein großzügig geschnittener und heller Raum liegt vor den Besuchern. Beim Umbau der Station haben Stadtplaner den großen Leerraum entdeckt, der seitdem verschiedenen Wechselausstellungen Platz bietet.
Bis zum 24. Januar sind Werke Paul Klees und Wassily Kandinskys hier zu sehen. Klassische Moderne trifft auf Avantgarde, Bauhaus auf die Anfänge der abstrakten Kunst. In großformatigen Bildern verlieren sich die Betrachter in bunten Aquarellen, düstere Zeichnungen von Paul Klee lassen teilhaben an den schrecklichen Erfahrungen zur Zeit des Nationalsozialismus.
Von Warhol bis Beuys
Wieder an der Oberfläche, lädt die Münchner Herbstsonne zum Spaziergang ein. Der Kunstbau des Lenbachhauses liegt am Rand des sogenannten Kunstareals. 16 Museen und rund 60 Galerien sind von hier aus zu Fuß zu erreichen. Antike Skulpturen gibt es in der Glyptothek, Malereien europäischer Meister in der alten und neuen Pinakothek, moderne und zeitgenössische Kunst – von Andy Warhol bis Joseph Beuys – im Museum Brandhorst.
Auch das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst liegt im Areal. Die Erhabenheit der Exponate lässt sich schon zu Beginn erahnen: Besucher betreten den Raum nicht, sie schreiten. Großzügig tief geschnittene Treppenstufen lassen Zeit, die Größe und Offenheit des Baus wirken zu lassen.
Klare Strukturen führen durch die Ausstellung, die ausschließlich Originale zeigt. Das fasziniert: Ganze Familien, Eltern, Kinder, Paare stehen gebannt vor den Büsten und Skulpturen ägyptischer Pharaonen. Sie schauen sich kunstvolle Stoffe an, erfühlen verschiedene Gesteinsproben. Nackte, hohe Betonwände umschließen die Räume, Fenster gibt es nicht. Doch statt des Gefühls erdrückt zu werden, wirken sie befreiend und lassen die Exponate zu berechtigt großer Geltung kommen.
Auch Shopping steht hoch im Kurs
Wer möglichst viele Museen und Galerien sehen, Opern, Theateraufführungen und Konzerte besuchen möchte, braucht viel Zeit. Rund sieben Prozent aller Besucher kommen ausschließlich der Kultur wegen nach München. Das hat eine Befragung unter Touristen im vergangenen Jahr ergeben. Beim Großteil der Gäste standen Sehenswürdigkeiten, aber auch Shopping ganz hoch im Kurs. Das große Ziel für die kommenden Jahre: Vor allem im Herbst soll die Zahl der Kultur-Touristen deutlich steigen.
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Die Angebote, die es im Rahmen des Kulturherbstes gibt, sollen zu diesem Zweck künftig besser gebündelt und dem Besucher in einfacher und übersichtlicher Form – etwa in Flyern und auf der Homepage – präsentiert werden. Die verschiedenen Ausstellungen sollen aufgeführt, Termine, etwa für Führungen hinter die Kulissen der Staatsoper, aufgelistet werden.
Erst Staatsoper, dann Street Art
Zu den Angeboten gehören auch Rundgänge durch die Münchner Straßen. Denn Kunst, so lernt man dabei, hängt nicht nur im Museum an der Wand, sondern gibt es auch unter Brücken und in verlassenen Hinterhöfen. Die Street Art-Szene sei bedeutender als in Berlin, sagt Martin Arz mit typischer charmant-Münchner Bescheidenheit. Der Künstler, Autor und Verleger führt regelmäßig Touristen durch die Stadt. Er erzählt Geschichten von Sprayern, die mit 14 Jahren zu Sozialstunden verdonnert wurden und heute zu den Größten der Szene gehören. Er zeigt bunte Bilder unter der Donnersberger Brücke, der „größten Freiluft-Galerie Deutschlands“. Auch der ehemalige Viehhof an der Tumblinger Straße ist bunt. Viele Künstler haben sich hier in der „Hall of Fame“ verewigt. Große Koikarpfen prangen an einer Mauer, einige Meter weiter ist eine Halloween-Szenerie in der Mache. Und wiederum einige Schritte entfernt stülpt sich ein Sprayer einen Mundschutz übers Gesicht und greift zur Farbdose. Stören lässt er sich nicht.
Als Besucher werde man selten ausgeschlossen von den Münchnern, sagt Astrid Schwerin von Krosigk. Auch das hat die Befragung der Touristen aus dem vergangenen Jahr ergeben. „Teilhabe ist das Stichwort. Unsere Gäste haben das Gefühl, dazu zu gehören.“ Und so endet der Besuch des Kulturherbstes beim Frühschoppen in einer bayerischen Gaststätte. Die Gläser klirren beim Prosten, Tischnachbarn kommen ins Gespräch, Ur-Münchner und Auswärtige sitzen beisammen. Weißwurst und Blasmusik gehören zur Münchner Kultur schließlich dazu.