Essen. Rachel Brathen ist auf der Yogamatte daheim – und auf Aruba. Von dort verzückt sie Fans aus aller Welt über Instagram und andere soziale Netzwerke.
Mit einem Handstand am weißen Postkartenstrand fing alles an: Wenn Rachel Brathen heute ein Foto von sich auf der Yogamatte, mit ihrem Hund Ringo oder einfach nur einen frisch gemixten Smoothie auf Instagram teilt, dann erreicht sie damit gut 1,4 Millionen Follower. Als „Yoga Girl“ hat sich die 26-jährige Schwedin mit Bildern vor der Karibikkulisse ihrer Wahlheimat Aruba zu einem international bekannten Yogi in den sozialen Netzwerken gepostet.
Die Sonne über Aruba ist gerade aufgegangen, da treibt sie mit Retrosonnenbrille und bunter Leggins schon im Schneidersitz auf dem Paddleboard im Wasser. „SUP-Bro“ steht auf Rachel Brathens Shirt. Schließlich war sie eine der ersten, die Yoga vor fünf Jahren aufs Brett und ins Meer holte – und das zeigt sie auch. „Mein Mann Dennis hat eines Tages einen unserer Hunde mit zum Surfen genommen und aufs Brett gestellt.“ Warum sollte dann nicht auch die Yoga-Position des „nach unten schauenden Hundes“ auf dem Wasser funktionieren, habe sie sich damals gefragt. Heute gelingt ihr auch ein Handstand darauf, und Brathen bietet zusammen mit eigens ausgebildeten Trainern die einzigen zertifizierten SUP-Yoga-Stunden auf der Karibikinsel an.
Kurse sind rasend schnell ausgebucht
An diesem Morgen schleppen Rachel Brathen und Ehemann Dennis zehn Boards ins Meer. Die Plätze für den Kurs mit Yoga Girl sind begrenzt und bereits wenige Stunden, nachdem Brathen die Anmeldung auf ihrem Instagram-Profil geteilt hat, ausgebucht.
Acht Frauen und zwei Männer aus Kalifornien und Arizona, Wyoming und Florida schaukeln da wenig später das „Om“ murmelnd mit ihren Boards auf dem Wasser. In ihrem Rücken erhebt sich das Ritz Carlton wie eine sandfarbene Festung vom Palm Beach, Arubas High-Class-Hotelstrand. Es ist die Ruhe vor dem Sturm: Später werden hier Jet-Skis und Windsurfer übers Wasser jagen, während Kellner „Sex on the Beach“ an die Strandliegen servieren.
Sie war 16 Jahre alt, da sagten ihr die Ärzte, nur eine Operation an der Wirbelsäule könne die Rückenschmerzen, die die Skoliose verursachte, lindern. Dabei war alles, was sie brauchte Yoga, sagt Rachel Brathen heute. Nach dem Schulabschluss verließ sie ihre Heimat und flog nach Costa Rica – da war sie 18. „Ich wollte die Welt bereisen und mein Spanisch verbessern“, erzählt sie. Vor allem aber die Liebe zum Yoga war es, die sie in diesen drei Jahren in Costa Rica – für Brathen „das Indien Zentralamerikas“ – entdeckte: „Wenn du eine schwere Zeit durchmachst, glaubst verrückt zu werden, Schmerzen hast oder wütend bist… egal was es ist: Yoga bringt dich zurück zu dir selbst.“ Doch dann wirbelte ein Kurzurlaub auf Aruba das Leben der jungen Frau erneut durcheinander: Beim Surfen lernte sie ihren Ehemann Dennis kennen – und blieb.
Mit ihm und ihren Hunden lebt Rachel Brathen an der North Shore Arubas. Die kleinste Insel der Niederländischen Antillen, nur 25 Kilometer entfernt von Venezuela, kann man in zwei Stunden mit dem Auto umrunden. „Viele Touristen sehen hier aber nichts als ihr Fünfsterne-hotel am Palm Beach. Das ist traurig, das ist doch nicht alles, was Aruba ist”, sagt Brathen. Zwischen glitzernden Luxushotels, Casinos und Shoppingmalls und der ursprünglichen Nordküste liegen Welten.
Die Internetwelt ist immer mit dabei
Die Tour für ihre Biografie, Yoga-Workshops und Retreats: 40 Wochen war Rachel Brathen in Yoga Girls Namen allein im vergangenen Jahr in Nord- und Südamerika, in Thailand und Schweden unterwegs. Nicht ohne die Internetwelt auf ihre Reisen mitzunehmen: Yoga im Infinity-Pool, ein Handstand auf dem Times Square in New York, die Position des Kriegers vor San Franciscos Golden Gate Bridge. „Yoga every damn day“ – Yoga Girls Hashtag ist auch Rachel Brathens Mantra: „Ich mache jeden Tag Yoga! Aber das Reisen hat meine Übungen auf ein Minimum gebracht. Am Anfang war das sehr frustrierend.“
Doch etwas anderes als Yoga habe es für sie nie gegeben: „Früher habe ich kleine Kurse am Strand unterrichtet. Aruba hat keine große Yoga-Community.“ Es war diese Reise nach Florida vor drei Jahren, auf der aus Yoga Girl plötzlich mehr als nur Spaß wurde. „Wir waren eigentlich auf einer Surfmesse in Orlando, aber die Leute, die mich von Instagram kannten, wollten unbedingt, dass ich dort einen Yogakurs gebe.“ Also mietete Brathen für viel zu viel Geld ein kleines Studio. „Ich war mir sicher, dass vielleicht zehn Leute teilnehmen würden.“ Am Ende kamen 50. Ein Mädchen sei sechs Stunden gefahren, um mitmachen zu können.
Mit Yoga Messehallen füllen
Heute füllt Yoga Girl auf ihrer USA-Tour Messehallen: Matte an Matte drängen sich die Schüler da in ihren Workshops zu einem riesigen Menschenteppich. Atmen, schwitzen, meditieren, weinen zusammen – und werden am Ende eins. „Für mich macht das keinen Unterschied. 50 oder 700 Leute – es ist immer noch verrückt.“ Ihr Leben im Karibikparadies, die Fotos vom Strand, das sei vielleicht ein Grund, warum Yoga Girl so viele Menschen im Netz fasziniere. Ihr Erfolg habe aber mehr Substanz, glaubt Brathen. „Es gibt so viele Yoga Girls auf Instagram. Aber wenn alles perfekt ist, dann macht das die Leute eifersüchtig.
Der perfekte Körper, das perfekte Leben, immer glücklich – das ist nicht mehr authentisch.“ Dass ihr Leben nicht perfekt ist, zeigen auch Rachel Brathens Instagram-Posts: Erst der tödliche Unfall ihrer besten Freundin, dann der Tod ihres Hundes Pepper und der Selbstmordversuch der Mutter – die Instagram-Community leidet mit Yoga Girl. „Mein Leben ist keine heile Welt, und ich zeige das! Ich teile meine Tiefpunkte, wenn ich traurig bin und einen schlechten Tag habe, schreibe ich darüber. Und wenn ich einen guten Tag habe, dann zeige ich das auch“, sagt Brathen.
Fotos vom ersten Hochzeitstag etwa beim Candlelight-Dinner mit Ehemann Dennis. „Ich habe gelernt, die Wahrheit zu sagen, ermutige auch andere dazu. Für mich ist das erlösend.“
Sie ist überzeugt, ihre Follower, viele darunter junge Mädchen, identifizierten sich auch deshalb mit Yoga Girl. Täglich überschwemmen Fluten von E-Mails ihr Postfach – bewundernde, manchmal auch verzweifelte. „Da ist diese große Verantwortung von Yoga Girl, die ich als Rachel nicht habe. Wenn ich anfangen würde eine Diät zu machen und das 1,4 Millionen Teenager auf Instagram mitbekommen, würden sie es wahrscheinlich nachmachen. Ich liebe es Wein zu trinken. Aber das ist der Grund, warum ich es nicht auf sozialen Netzwerken zeige.“
Stattdessen stellt sie lieber ein Bild vom Yogakurs auf dem Paddleboard auf ihr Profil. Am Ende des Tages hat sie fast 36.500 Likes. Doch Rachel Brathen weiß um die Schnelllebigkeit von Instagram und Co.: „Das beste an Yoga Girl sind die Bekanntschaften, die ich durch sie mit Menschen auf der ganzen Welt mache. Wenn aus online offline wird.“