Provence. . Nach herben Verlusten an Oliven durch Schädlingsbefall im vergangenen Winter, rechnen die französischen Produzenten auf gute Ernteerträge im November.
Rosé und Lavendel, Sonne und Mistral, Kräuter und Olivenöl: Das ist die Provence. Doch was ist, wenn das Gold der Provence plötzlich nicht mehr vorhanden ist, wenn der Reisende überrascht in die leeren Regale in den kleinen Läden der Ölmühlen schaut, und der Produzent die fragenden Blicke nur mit einem Schulterzucken und bedauerndem Gesichtsausdruck beantwortet?
Es ist Spätsommer in der Provence und nur noch wenige Viertelliterkanister stehen auf der Ladentheke der traditionsreichen Ölmühle Mas des Barres in Maussane im Tal von Les Baux. „Seit Anfang Juli füllen wir nur noch in ganz kleinen Einheiten ab, damit unsere Kunden wenigstens noch ein bisschen Öl kaufen können“, sagt Charline, die Tochter des Besitzers René Quenin.
Ein deutscher Winzer in der Provence
Die Familie stellt seit Jahren ein hervorragendes Öl her, das national und international bereits viele Auszeichnungen erhielt und von Liebhabern als das beste der Welt bezeichnet wird. Das wenige Öl ist schnell verkauft. Mitte September gibt es gar nichts mehr. Mehr als die Hälfte haben die Quenins bei der letzten Ernte verloren. Andere Betriebe kamen glimpflicher davon, wieder andere büßten gar den gesamten Ertrag ein.
Schuld an dieser fatalen Situation ist die Mouche d’Olivier. Die Olivenfruchtfliege legt ihre Eier in die reifen Oliven. Ihre Larven fressen das Fruchtfleisch auf. „Schutz dagegen gibt es nicht“, sagt Matthias Wimmer (58). „Allein schon deshalb nicht, weil wir hier fast alle biologisch anbauen, also keine Pestizide einsetzen.“
Der Deutsche aus Essen-Borbeck lebt seit Ende der 80er Jahre in der Provence und kreiert auf der expandierenden Domaine d’Eole in Eygalières wunderbaren Wein. Ehefrau Marion hat ihre Liebe für das Olivenöl entdeckt und u. a. 2014 beim Concours Général Agricole in Paris eine Goldmedaille erhalten. In diesem Jahr fragt der Reisende bei ihr vergebens nach dem Öl.
Französisches Olivenöl ist eine Rarität
Mit Schaudern erinnern sich Marion und Matthias Wimmer an den Herbst und Winter 2014/2015. „So etwas haben wir noch nie gesehen, solange wir hier sind“, sagt der Winzer. „Nachbarn erzählten, dass es einen derartiger Befall der Olivenbäume durch die Mouche zuletzt vor 40 Jahren gegeben habe.“ Da ist es nur ein schwacher Trost zu wissen, dass auch die anderen Mittelmeerstaaten wie Italien und Spanien heimgesucht wurden.
Im Laden der Domaine Mas de Gourgonnier der Familie Cartier in Mouriès sind die Ölregale ebenfalls leer. „La Mouche“, sagt Madame Cartier nur knapp und hat damit alles gesagt. Auf 48 Hektar des Anwesens werden Weinreben angebaut und auf 20 Hektar Olivenbäume. Einmal mehr muss der Feinschmecker verzichten und wird mit den Worten verabschiedet, doch im November wiederzukommen, wenn die neue Ernteperiode beginnt. Die verspricht eine gute zu werden.
Millionen Olivenbäume stehen in der Provence. In Deutschland ist französisches Olivenöl eine Rarität. Es ist nur in ausgesuchten Feinkostläden zu erhalten oder eben online zu beziehen. Durch die enormen Ernteverluste wurde in diesem Jahr kaum französisches Öl exportiert, und die Preise sind deutlich gestiegen. Durchschnittlich 30 Euro kostet derzeit der Liter. Durch den Schädlingsbefall hat auch die Qualität gelitten.
Ein Besuch in der Stadt der Päpste
Eine Winterreise durch die Provence ist allemal lohnend, wenn das erste kaltgepresste Olivenöl abgefüllt wird, es Verkostungen gibt, es auf den Märkten herrlich nach den frischen Oliven duftet und sich der erdig-modrige Geruch der Wintertrüffel einmischt. Die besten wachsen angeblich am Fuße des Mont Ventoux in der Gegend zwischen Montélimar, Orange und Nyons.
In Richerenches findet samstags der bedeutendste Trüffelmarkt der Provence, ja ganz Frankreichs statt. Nach dem Marktbummel in morgendlicher Kühle tut ein kleines Mittagessen unter blauem Himmel richtig gut: vielleicht ein Omelett mit schwarzen Trüffeln, ein paar Tomaten mit frischem Olivenöl und Fleur de Sel aus der Camargue.
Auch im Tal von Les Baux, im Dreieck zwischen Arles, St. Remy und Salon-de-Provence lässt es sich in der kalten Jahreszeit gut leben, wenn die Dörfer nicht überlaufen sind, und es überall Parkplätze gibt. Ein Besuch in Avignon, der Stadt der Päpste, oder Marseille, der ewig spannenden Stadt am Meer mit den meisten Sonnenstunden im Jahr, sollte nicht fehlen. Ein Gläschen Pastis im Bistrot La Samaritaine am Quai du Port, dort wo der Marseiller Schriftsteller Jean-Claude Izzo (1945-2000, Marseille Trilogie) oft gesessen und nachgedacht hat, lässt Vorfreude auf den nächsten Frühling und Sommer aufkommen.