Zermatt. Seit seiner Erstbesteigung vor 150 Jahren fasziniert das Matterhorn Bergsteiger aus aller Welt - und birgt auch heute immer noch seine Gefahren.

"Plötzlich bemerkten wir in der eisigen Nordwand das unverkennbare Rauschen einer Lawine. Wir blickten sofort nach oben und sahen eine Steinlawine direkt auf uns zu rasen“, schildert Norbert Wieskotten aus Essen die brenzlige Situation. Der erfahrene Extrembergsteiger hat so ziemlich alles gemacht, was schwer ist. Nur die Matterhorn-Nordwand fehlt ihm noch. An dieser anspruchsvollen Wand hat er sich einige Male vergeblich versucht. Wie vor wenigen Wochen, als es beinahe richtig schief gegangen wäre: „Ich dachte: ‚Das war’s!’ Gerade noch konnten wir uns in der Wand an das Eis schmiegen und die Eispickel krampfhaft festhalten. Ein Wunder, dass wir nur Prellungen abgekriegt haben. Danach mussten wir den Rückzug antreten.“

„Noppes“, wie ihn seine Freunde nennen, wird trotzdem wiederkommen. Faszination Matterhorn eben. Dabei hat er den Gipfel schon längst über den „Normalweg“, den Hörnligrat, von der Schweizer Seite aus bestiegen. „Man kann als Kletterer den Berg schon hundert Mal auf Postkarten, Bildern oder in Filmen gesehen haben – wenn man das erste Mal durch Zermatt schlendert und das ‚Horu’, wie es die Schweizer nennen, live sieht, ist jeder erst mal überwältigt. Schon der ‚Normalweg’ stellt recht hohe sportliche Anforderungen an Kletterei, Ausdauer und absolute Höhe.“

Triumph und Katastrophe

Genau über eben jenen „Normalweg“ gelang vor 150 Jahren die Erstbesteigung, die in einem Drama endete! Der Brite Edward Whymper hatte zusammen mit dem italienischen Bergführer Jean Antoine Carrel etliche erfolglose Anläufe über den zerklüfteten Südwestgrat (Liongrat) von Italien aus unternommen. Beide wollten den Gipfelsieg unbedingt. Für den Sommer 1865 hatten sie sich erneut verabredet, als Carrel von höchsten Stellen die Weisung bekam, das Matterhorn ohne britische Beteiligung für Italien zu „erobern“. Während er mit seiner Gruppe schon auf dem Liongrat unterwegs war, blieb Whymper nur der Versuch, dem Italiener über den Hörnligrat noch zuvor zu kommen. Ein Wettrennen begann, dass die Engländer mit ihrem eilig zusammengestellten Team tatsächlich am 14. Juli 1865 für sich entscheiden konnten! Dann beim Abstieg die Katastrophe: Ein unachtsamer Schritt, und vier der sieben Erstbesteiger stürzten über die gewaltige Nordwand in den Tod. Wäre es nicht zum Seilriss gekommen – auch Whymper und seine beiden Begleiter, der Zermatter Bergführer Taugwalder mit seinem Sohn, hätten wohl nicht überlebt. So lagen Triumph und Tragödie dicht beieinander und machten den Berg und Zermatt weltberühmt.

Wahrzeichen, Werbeträger, Kunstobjekt

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Das Matterhorn ist Wahrzeichen, Werbeträger, Kunstobjekt. Ob aus Schokolade geformt oder als Modell nachgebildet wie etwa im kalifornischen Disneyland Resort. Und millionenfach fotografiert, gefilmt, gemalt. Es ist Traumziel für Menschen aus allen Nationen. Jahr für Jahr wollen es Aberhunderte besteigen, einmal im Leben vom höchsten Punkt auf 4478 Metern die fantastische Aussicht erleben. Vielen gelingt es in der Obhut eines Bergführers, eine große Zahl muss aber auch den Wunsch aufgeben. Wegen widriger Verhältnisse, wegen Selbstüberschätzung. Dabei ist alles am Matterhorn bestens auf Bergsteiger eingestellt. Mit Beratung, mit Top-Bergführern, mit einem super Rettungswesen, wenn es einmal zum Schlimmsten kommen sollte. Denn das Horn von Zermatt ist technisch anspruchsvoll, wirklich hoch und durch seine isolierte Lage dem Wetter besonders ausgesetzt. Schön, aber eben gefährlich.

Am Fuße des mächtigen Viertausenders heißt man in Zermatt auch jene herzlich willkommen, die nicht an eine Besteigung des Matterhorns denken. Bergbahnen bringen den Urlauber in eine Welt, die sonst nur dem Bergsteiger vorbehalten ist. Den Bergwanderer erwarten prächtige Panorama- und Themenwege. Beschildert und erklärt. Und der Löwe von Zermatt, wie das Horn oft bezeichnet wird, setzt gern mal eine Wolkenfahne an eine seiner Flanken. Dann kann sich wirklich niemand mehr der Wirkung dieses Berges entziehen.