Essen. Nur noch wenige Urlauber nutzen den attraktiven Autoreisezug. Die Bahn will Pkw daher künftig mit Lastwagen an Urlaubsorte bringen.

Die Reichsbahn bewarb den Autoreisezug in seinen Kindertagen einmal so: „Häufig besteht bei Kraftfahrern der Wunsch, den Kraftwagen mit der Eisenbahn zu versenden und selbst die Reise schnell, bequem und ohne jede Anstrengung im Eisenbahnzuge zurückzulegen.“ Am Prinzip des Autozuges hat sich bis heute wenig geändert: Der Wagen fährt auf einem Waggon mit, der Fahrer kann sich im Zug entspannt zurücklehnen. Doch die Wünsche der Fahrer sind offenbar andere als in den 30er-Jahren, als das erste Auto auf der Schiene mit rollte – der Autoreisezug ist ein Auslaufmodell.

In der jungen Bundesrepublik hatte sich der Autoreisezug trotz des Booms der zivilen Luftfahrt zunächst zu einem beliebten Verkehrsmittel entwickelt. 1988 bot die Deutsche Bundesbahn insgesamt 2929 Autozüge und 484 D-Züge mit Autobeförderung an. Damit wurden 26 innerdeutsche und 61 internationale Verbindungen erschlossen. In den 90er-Jahren gab es Routen bis Griechenland und in die Türkei. Der AE13273 von Berlin nach Istanbul brauchte 27 Stunden und 48 Minuten.

Doch in den vergangenen Jahren hat die Deutsche Bahn ihr Angebot stetig ausgedünnt. Zum Sommer 2015 sind noch einmal einige Verbindungen entfallen: nach Innsbruck und Villach in Österreich, nach Narbonne in Frankreich, ins italienische Alessandria im Piemont. Die einzigen zwei Verbindungen, die bis zum Ende des Sommerfahrplans 2017 aufrecht erhalten werden, sind Hamburg-München und Hamburg-Lörrach – vor allem für Schweiz-Urlauber eine interessante Option. Dann ist auch hier Schluss.

Ein Marketingfehler – sagt der AvD

Von der österreichischen ÖBB gibt es noch ein Angebot zwischen Wien und Hamburg sowie Düsseldorf. In Frankreich existiert ein breites Angebot an Autotrain-Verbindungen, die aber nicht über die Grenze in die Bundesrepublik fahren. Auch in Europa werden die Verbindungen zusammengestrichen.

„Das klassische Autozug-Geschäft hat sich überlebt“, erklärt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Es sei seit Jahren „nachhaltig defizitär“. Bis 2014 nutzten nur rund 200.000 Fahrgäste jährlich dieses Angebot – das sind weniger als ein Prozent der rund 129 Millionen Bahnkunden pro Jahr. Johannes Hübner, Sprecher des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt am Main, sieht im Rückzug der Deutschen Bahn auch einen Marketing-Fehler: Sie macht ein Angebot und schaut, wie viele Menschen es nutzen. Sie stellt dann fest, dass weniger Züge reichen. Daraufhin fahren aber auch weniger Menschen mit. „So baut man das Angebot ab.“

Und so müssen die Deutschen bald auf eine eigentlich sehr angenehme Reiseform verzichten. „Der Urlaub beginnt schon mit der Abfahrt, das ist das Schöne am Autoreisezug“, sagt Hübner. „Ich kann mit der Familie im Speisewagen essen, die Landschaft zieht draußen vorbei, und plötzlich bin ich am Ziel. Eigentlich ist das ja toll“, schwärmt der Automann von den Vorzügen des Schienentransports. Keine Staus, keine Unfälle. Man kann schlafen und ist bei der Ankunft erholt.

„Das ist eine gute Sache“

Auch Jürgen Grieving vom ADAC hält den Autozug für ein attraktives Reisemittel – vor allem für Menschen, die ungern lange Strecken fahren, aber am Zielort mobil sein wollen. Für Senioren etwa sei das Angebot ideal: „Sie können am Urlaubsort mit ihrem vertrauten Wagen unterwegs sein.“ Während der Anreise schonen sie sich selbst und ihr Fahrzeug. Die Alternative ist ein Mietwagen vor Ort. Das Argument dagegen: Viele wollen lieber mit dem eigenen Auto fahren, unabhängig vom Alter. Das sei wie mit Skiern und Fahrrädern, sagt Johannes Hübner. Die gibt es schließlich auch überall zu leihen, und trotzdem transportieren die meisten ihre eigenen Sportgeräte in den Urlaub. Ganz günstig ist der Autoreisezug laut Grieving allerdings nicht.

Möglicherweise läuft das Modell Autozug aber auch deshalb aus, weil junge Menschen heute anders reisen. In vielen Ferienregionen bieten die Tourismusämter nun etwa Carsharing an, gerne mit Elektroautos. Dagegen wirkt das neue Angebot der Deutschen Bahn etwas aus der Zeit gefallen: Sie transportiert diesen Sommer beim Pilotprojekt „Auto+Zug“ die Pkw auf Lastwagen über die Straßen. Eine „moderne Alternative zum klassischen Autozug-Geschäft“, wie die Bahn schreibt, für eine „umweltfreundliche Beförderungen“ von Mensch und Auto. Das erschließt sich nicht jedem: „Ein Auto auf einem Laster zu transportieren, das ist schon etwas widersinnig“, findet Hübner.

Eine Fahrt von Düsseldorf nach München (ein PKW, zwei Erwachsene, zwei Kinder zwischen 6 und 14 Jahren) kostet ab 249 Euro (Spezialpreis, nur Hinweg), der Rückweg ab 219 Euro (Spezialpreis). www.dbautozug.de