Cilento. Cilento ist landschaftlich ähnlich reizvoll wie die Amalfiküste, aber deutlich weniger überlaufen. Das wissen Naturliebhaber und Wanderer zu schätzen.

Eine Blaue Grotte hat das Cilento auch zu bieten. Und die schimmert molto bene, mindestens so schön wie die Touristenattraktion auf Capri, versichert Kapitän Enrico. Das Phänomen ist das gleiche, hier wie dort. Die Sonnenstrahlen werden vom Wasser widergespiegelt und lassen die Höhle in einem tiefblauen, magisch anmutenden Licht erscheinen. Das Angenehme: Unser Boot ist das einzige in der Höhle. Anders als auf Capri, wo zehn und mehr Kähne in zwei, drei Minuten durch die Blaue Grotte geschleust werden.

Das Cilento – die Region ist landschaftlich ähnlich reizvoll wie die Amalfiküste, 100 Kilometer weiter nördlich, aber längst nicht so bekannt. Hier gibt es zwar keine touristischen Leuchttürme wie in Positano oder auf Capri, dafür aber auch keine Kilometer langen Staus. Im Gegenteil: Streckenweise ist auf der Küstenstraße in Richtung Palinuro gar kein Verkehr – weil nämlich ein Abschnitt gesperrt ist. Ein Loch klafft im Asphalt, bereits seit sechs Monaten. „Wir sind eben in Süditalien“, sagt Reiseleiterin Rita.

Keine Leuchttürme, aber auch keine Staus

Was Naturliebhaber durchaus zu schätzen wissen. Zum Eingewöhnen wandert die Gruppe, 14 so genannte Best-Ager, ums Kap Palinuro. Das helle Gestein des Karstgebirges dort reicht bis ans Ufer, das Meer schimmert verlockend in satten Blau- und Grüntönen. Das Kap war bei Seefahrern der Antike gefürchtet. Wer von Sizilien in Richtung Norden segelte, dankte Gott, wenn er die weit ins Meer ragende Landspitze heil passiert hatte. Wir konzentrieren uns derweil auf den Pfad, versuchen den stacheligen Sträuchern aus dem Weg zu gehen und erfreuen uns am verführerischen Duft von wildem Fenchel und blauem Rosmarin. Rund um das Kap sieht man Sarazenentürme in mehr oder weniger guter Verfassung hervorragen. Einst hielten Wächter dort Ausschau, um die Bewohner vor heransegelnden Feinden zu warnen. Auch eine Wetterstation der italienischen Armee gibt es hier. Ein großer Teil des Cilento wurde 1991 zum Nationalpark erklärt. Mit Hilfe von EU-Mitteln wird vor allem im gebirgigen Hinterland der Küste ökologische Landwirtschaft gefördert – ebenso wie Agriturismo, also Übernachtungen beim Bauern. Dies alles soll die Bergdörfer beleben, damit dort nicht allein die Alten übrig bleiben.

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Auf dem Dorfplatz von Laurino, beim Kaffeestopp auf der Wanderung durch die Caloreschlucht, sieht man die alten Herrschaften auf den Bänken sitzen, die gefalteten Hände auf ihre Spazierstöcke gestützt. Sie behalten das Treiben auf dem Platz im Blick. Einer von ihnen, Roberto (88), begrüßt uns mit einem herzlichen „Guten Tag“. Er hat fast 30 Jahre in Köln gearbeitet und ist erst als Rentner in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Nun freut er sich, mal wieder deutsche Töne, wenn auch keine Kölschen, zu hören. Denn im Cilento verbringen vor allem Italiener ihre Ferien. Deutsche sind selten anzutreffen, Pauschalreiseveranstalter steuern die Region nicht an, dazu fehlen die großen Hotelkomplexe.

Der Lange-Hosen-Weg

Der Calore, ein Fluss im Zentrum des Nationalparks, bildet insgesamt fünf Schluchten, die man wunderbar entlang wandern kann. Dabei hat man oftmals den rauschenden Wildbach im Ohr, gelegentlich auch im Blick. Ab und zu wechselt der Wanderer die Seite, gelegentlich auf einer schönen, mittelalterlichen Brücke.

Eigentlich wollten die meisten am „freien“ Tag, an dem keine geführte Wanderung auf dem Programm steht, nach Paestum oder Pompeji fahren. Doch die Gruppe hat inzwischen die Ruhe des Cilento schätzen gelernt, bummelt stattdessen lieber durch Palinuro oder badet im Meer. Das Wasser ist glasklar, nach dem Schwimmen kann man im Sand der kleinen, geschützten Badebuchten ganz wunderbar faulenzen. Es gibt nur wenige bewirtschaftete Strände, in denen die Liegen und Sonnenschirme in Reih’ und Glied aufgestellt sind. Ein schöner Platz, um sein Badehandtuch auszubreiten, findet sich hier immer.

Zum Endspurt schickt uns Rita von Pisciotta, dem schönsten Ort des Nationalparks mit vielen verwinkelten Altstadtgassen, zu einem Aussichtspunkt auf dem Castellucci, gut drei Stunden und 700 Höhenmeter entfernt. Die Wanderführerin spricht vom Lange-Hosen-Weg. Der Pfad ist teils zugewuchert, sicherheitshalber hat Rita sogar eine Gartenschere eingepackt, um besonders störrische Äste abzuschneiden. Der Pfad ist quasi ein Sinnbild für das Cilento: Seine landschaftliche Schönheit muss erst noch entdeckt werden.