Essen. Mit Full Metal Cruise bietet TUI Cruises die etwas andere Kreuzfahrt an. Sechs Tage lang können Heavy Metal Fans an Bord der “Mein Schiff 1“ feiern.
Matze, Matze, Matze!“ grölt die ganze TUI-Bar. Eigentlich heißt er Matthias, und so hat er sich auch vorgestellt. Matthias leitet die Seenotrettungsübung. Das heißt, er versucht es. Doch die Kundschaft, die sich hier versammelt hat, will nicht üben, sondern feiern. Sechs Tage auf der Full Metal Cruise, der größten Heavy Metal Kreuzfahrt Europas. Von Mallorca nach Barcelona, Ibiza und zurück. Sechs Tage wird das Mittelmeer zum Metalmeer. „Wenn jemandem schlecht ist...“, versucht Matthias den nächsten Satz. „Hier!“, recken sich 500 Headbanger-Hände in die Höhe.
Die Musterstation, wie der Sammelplatz für den Notfall heißt, wird zum Happening. Was „Matze, Matze, Matze“ auch formuliert, wird mit Standing Ovations und La Ola-Wellen unterstützt. Der größte Brüller: „Das Benutzen von Reisebügeleisen in der Kabine ist verboten!“ Die Metalheads johlen und halten sich vor Lachen die Bäuche. Allein die Vorstellung, dass sie ihre Wacken Open Air Shirts bügeln könnten. Skurril. Die Demonstration der Rettungsweste durch zwei weibliche Crew-Mitglieder wird mit „Anziehen, Anziehen“-Gesängen begleitet. Nach der Polonaise zu den Rettungsbooten ist die Übung beendet, und die Besatzung von „Mein Schiff 1“ macht drei Kreuze.
Zum zweiten Mal ist TUI Cruises Gastgeber der etwas anderen Kreuzfahrt. In nicht mal einer Stunde war das Schiff ausverkauft. Seit frühmorgens wurden in Palma 80 Tonnen „Light & Sound“ an Bord gehievt. Die Heavy-Hardware steht nun verteilt auf den drei Hauptbühnen: im Theater, im Casino und auf dem Pooldeck.
Mambo Kurt eröffnet die Cruise auf der Heimorgel
Dort eröffnet Wacken-Legende „Mambo Kurt“ die Full Metal Cruise. Auf seiner Heimorgel. 2000 Kreuzfahrt-Kehlen singen textsicher die schrillen Strophen mit. Mit der Dose Becks in der Hand – die richtige Einstimmung auf die ersten Konzerte heute Abend mit „Hammerfall“ im Theater und „Doro“ auf dem Pooldeck. Punkt 0.00 Uhr verlässt die Full Metal Cruise Palma de Mallorca Richtung Barcelona. Durch die Nacht, durchs Metalmeer.
Der erste Seetag. Der erste Metal-Morgen. Es ist 9 Uhr. Wenige sind schon wach, ein paar mehr sind noch wach. Moderator „Maschine“ bereitet sich auf die ersten Ansagen vor. Ausnahmsweise keine Bands wie „Subway to Sally“ oder „Axxis“ ankündigen, sondern die Metal-Modenschau im Atrium. Bevorzugte Modefarbe: schwarz. Geschlitzt, gefranst, genietet. Das ist der Dresscode an Deck.
Wer komplett am Körper tätowiert ist, der trägt alternativ den geöffneten Kabinen-Bademantel. Dazu ein schickes Kapitänsmützchen und schwarze Lederstiefel. Oder natürlich das W:O:A-Shirt, denn die Stammkundschaft des Wacken Open Air Festivals ist an Bord. Oder die Passagiere kommen gar selbst aus dem kleinen Dorf bei Itzehoe in Schleswig-Holstein. So wie Bauer Uwe, 74 Jahre. Hätte er seine Äcker nicht zum Abrocken freigegeben, wäre Wacken weiter eine 2000-Seelen-Gemeinde und keine Weltmarke des Heavy Metal. Nun hat Bauer Uwe gerade Stress mit der Schiffs-Security, weil er auf dem Kreuzfahrtklo geraucht hat. Bauer Uwe ist einer der Hauptdarsteller im Film „Full Metal Village“, der diese einmalige Symbiose aus Dorfbewohnern und Headbangern zeigt. Was in Wacken funktioniert, das funktioniert auch an Bord. Besatzung und Banger verstehen sich. Selbst bei rund 120 Dezibel.
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5,5 Liter pro Kopf – pro Tag
Natürlich sind diese Passagiere trinkfester als das normal-bürgerliche Kreuzfahrt-Klientel. Durchschnittlicher Bierkonsum bei der Full Metal Cruise: 5,5 Liter pro Kopf – pro Tag. Ist ja alles all inclusive, also auch das Frühstücksbier. Gerne wird auch mal im Whirlpool mit der Dose angestoßen.
Aber die Metalheads sind liebenswürdig, lebensfroh und kreativ. Und eines eben gerade nicht: gewalttätig. Auch wenn die hammerharten Black-Metaller von „Endstille“ furchterregend aussehen – sie wollen nur spielen. Gespielt wird auch im Casino. Natürlich Metal, aber auch Blackjack. Um den Spieltisch haben sich die Headbanger versammelt. In der einen Hand die Dose Bier, in der anderen die Chips.
Zur Mittagstunde schallen ganze andere Klänge über das Pooldeck. Ein Verhaltensauffälliger im Ringelpulli bläst in eine Trompete. Er gehört zur Gruppe Russkaja, eine Truppe, die härtere, russische Tanzmusik spielt. Das tun sie um Mitternacht im Theater. Und 1500 Headbanger tanzen den Putin-Pogo. Achja bevor wir es vergessen: Tagsüber waren wir in Barcelona, der Gaudi-Stadt. Aber längst nicht alle wollten sich den Baustil von Antonio Gaudi anschauen. Ein tätowierter Trash-Metal-Fan öffnet die nächste Dose und erklärt dem Fahrstuhl: „Was soll ich in Barcelona? Gaudi haben wir an Bord genug.“
Erholung wird auf der Full Metal Cruise kleingeschrieben. Und wenn schon Wellness, dann bitteschön auf Metal-Art. Der Ort dafür ist das Spa auf Deck 11. Das Programm für die Tiefenentspannung heißt „Körperanwendung mit Wacken-Schlamm“. 45 Minuten für 54 Euro. Ob der Schlamm wirklich aus Wacken kommt oder ob es eine Mogelpackung ist – völlig egal. Die Idee zählt. Da hat sich „Mein Schiff“ komplett auf die „Metallers“ (O-Ton Kapitän) eingestellt.
Catharina hat Kundschaft unter der Nadel
Einen Beautyraum weiter klingt es nach Zahnarzt. Behandelt der Deck-Dentist einen Metaller mit Kreuzfahrt-Karies? Der Bohrer entpuppt sich als Tattoomaschine. Catharina aus Deutschlands ältester Tattoostube hat gerade die nächste Kundschaft unter der Nadel. Marco aus Berlin lässt sich das Logo „Full Metal Cruise“ stechen. Es war gar nicht leicht, noch einen freien Platz auf seiner Haut zu finden. An der Wade wird Catharina fündig.
Das Schiff hat mittlerweile Ibiza erreicht. Die Party-Insel, auf der eigentlich eher Electro läuft. DJs sind hier die Stars und nicht langhaarige Gitarristen. Aber heute ist alles anders. Obwohl auf Ibiza die Saison erst beginnt, sind alle Pubs und Bars geöffnet. Es hat sich rumgesprochen, dass die Metalheads mehr als eine Apfelschorle bestellen. Auf dem Kastell Dalt Vila hoch oben über der Altstadt steigt das Landkonzert mit U.D.O. Der Ex-Accept-Sänger, mit bürgerlichem Namen Dirk Schneider, lebt auf der Insel und rockt in einem stimmungsvollen Ambiente: Die Mauern sind angestrahlt, dazu wummert der Metal-Sound über die erleuchtete Stadt.
Am nächsten Morgen macht die Full Metal Cruise wieder in Palma de Mallorca fest. Crew und Passagiere verabschieden sich unter Jubelstürmen auf dem Pooldeck . Die Metalheads wissen zu würdigen, mit welcher Leidenschaft die Besatzung hier dabei war. Kein Missklang – bis auf eine Beschwerde wegen des „Konzertkraches“ von Onkel Tom auf dem Pooldeck. „Die Leute vom Ballermann haben sich wegen Lärmbelästigung beschwert“, flüstert ein Metalhead. Und öffnet eine letzte Dose Bier. Ganz leise.