Mosel. Er gehört zu den beliebtesten Wanderwegen des Landes: Der Moselsteig. Auch international hat er mit seinen 365 Kilometern einiges an Aufsehen erregt.

Er war nicht mal getauft, da gab es schon ein ganz besonders hübsches Siegel: „Leading Quality Trail“. Der Moselsteig darf international mitspielen – passionierte Wanderer werden die grandiose Strecke mindestens in Abschnitten längst kennen, aber im Zug der großen deutschen Steige ist er jetzt offiziell dabei, wo Rhein-, Rothaar- und all die anderen bilderbuchhübsch durch Deutschland mäandern. In seiner Ausnahme-Schönheit liegt er weit vorne. Wie schnell das Liebliche ins Abenteuer übergehen kann, wie Geschichte und Landschaft im pittoresken Schulterschluss stehen, das hat er uns auf drei Testetappen gezeigt.

Drei sind wenig für den langen Lauf, der (Luxemburg im Rücken) in Perl beginnt und in Koblenz endet, wo aus der Mosel reiner Rhein wird. Entdecker der Langsamkeit könnten aus dieser europäischen Traumstrecke gar ein meditatives Ganzjahreserlebnis zaubern: tatsächlich wäre das möglich; die Disziplin, nur tausend Meter am Tag zu machen, vorausgesetzt. Exakt 365 Kilometer hat der Moselsteig.

Keine Schluchten, keine Felsen - nur endlose Felder

Zunächst das organisatorische: Wir finden die Strecke exzellent beschildert. Keine einzige Irritation auf den gut 40 Kilometern in drei Tagen. Schilder zeigen nicht nur Distanzen und Dörfer, auch Bahnhöfe und touristische Extras sind ausgewiesen. Die Bahnhöfe sind nicht unwichtig: Wer nicht etappenwandernd den Gepäckservice nutzt, kann reichlich Varianten per Moselbahn einbauen.

Unser Auftakt führt von Löf nach Kobern-Gondorf. Ein bisschen Landstraße, dann hinauf. Wir sind schnell in den Reben, unter uns knirscht der berühmte Schiefer, links und rechts grünt jener Riesling, der den Moselweinen ihren Weltruf beschert. Der Fluss wird kleiner, die Sicht immer schöner. Das haben die Moselsteig-Planer gut ausgetüftelt: Selbst Menschen, die zu wissen glauben, wie „die“ Mosel ist, werden noch neue Welten entdecken. Man muss sich fast zwingen, auch mal auf den Pfad zu schauen, weil diese unten im Tal sanft sich schlängelnde Mosel ihren Reiz nie verliert. Wir staunen über die Weite des Mosel-Hinterlandes hoch oben auf dem Weg zur Röder-Kapelle – kein enger Fels, keine Schluchten. Stattdessen nicht enden wollende Felder, Auen, Habichte in der Luft.

Eine geschichtliche Rast: Wenn Historikerin Christiane Horbert (weinwandern-durch-die-zeit.de) erst einmal anfängt, kann man schon mal aus dem Wandertakt kommen – und zwar gern. Eben noch hat sie in schillerndsten Farben den Mittelalter-Streit um Burg Thurant ausgemalt, jetzt sind wir plötzlich in die Frühgeschichte marschiert, wo es an der Mosel mehr Waldelefanten als E-Bikes gab. Bei Oberfell erinnert eine wuchtige Dickhäuter-Stahlskulptur an Wild Life im Weinberg. Wir denken an Wisente im Sauerland und fühlen uns recht sicher.

Freiwillige Verrückte

Menschen wie Christiane Horbert treffen wir immer wieder: echte Mosel-Patrioten, stolz und strahlend. Die Treiser Winzerfrau Gudrun Castor mit ihren edlen Gästezimmern und der schönen Hofküche samt deftigem Hausgemachten.

Oder Olaf Schneider, Hotelier, Weinmacher und einer von den freiwilligen Verrückten, die hier nach Feierabend vom Verfall bedrohte Steillagen zurückerobern. Die zehn zupackenden Winzer rund um Traben-Trarbach nennen sich „Der klitzekleine Ring“.

Drei Tage, drei starke Touren. Ganz wunderbar-weinreich war die von Reil nach Traben-Trarbach. Sie schenkt auch ein anderes Gefühl für den Wert des Weins. Wir schwitzen in den rasanten Steilhängen nur ein paar Stunden – und ahnen, was Winzer hier hundertfach übers Jahr leisten. Die Tour von Moselkern nach Treis-Karden führt wildromantisch zur Burg Eltz, danach wird es richtig hart: Felsen, Seilschaft, kein Spaziergang. Aber der Lohn ist süß – denn nie wird der Blick auf den Fluss zur Routine. Anderntags sinken wir im Trabener Hof abends erschöpft, aber rundum selig auf die dicken Kissen. Ein letzter Blick gilt noch dem alten Rathaus. Dessen Steinwappen sagt aus: „Ohne Fleiß, kein Preis“. Wie gut, dass wir es noch einmal schriftlich haben.