Venabygd. Wer keinen typischen Winterurlaub machen möchte, der ist in der kalten Jahreszeit in Norwegen gut aufgehoben. Im Venabygdsfjell - etwa drei Stunden nördlich von Oslo - kann man sich durchaus auch auf Skiern durch die malerische Landschaft bewegen und dort die ruhige, familiäre Atmosphäre genießen.
Die Welt ist schön, aber manchmal möchte man sie für eine Weile vergessen. Dann sollte man im Winter nach Norwegen reisen. Und zwar in die Rondaneberge, ins Venabygdsfjell. Natürlich liegt dieses Fjell, diese Gebirgslandschaft oberhalb der Baumgrenze (das bedeutet das norwegische Wort „fjell“) nicht außerhalb der Welt, dann käme man ja überhaupt nicht dorthin. Aber in den Tagen, da man den Winter in Venabygd genießt, kommt man sich schon manchmal vor wie auf einem anderen Stern.
Was ist das alleine schon für ein Schnee, der hier in solchen Mengen fällt und zusammengeweht wird, dass Rondanevegen, die Straße vom Gudbrandsdal über das Gebirge ins Ǿsterdal im Passbereich, oft tagelang gesperrt ist. Dabei erreicht die Passhöhe kaum 1100 Meter. Doch dank der hohen nordischen Lage entspricht das einer Höhe von rund 2000 Metern in den Alpen. Der Schnee ist so trocken, wie man das in den Alpen kaum irgendwann einmal erleben kann. An solchen Tagen wird die Straße zum Winterwanderweg mit einzigartigen Ausblicken über eine unvergleichliche Hochgebirgslandschaft.
Berühmtes Gemälde einer Winternacht
Auch aus dem Speisesaal des Hotels lässt sich die Aussicht genießen. Soweit das Auge reicht, dehnt sich eine Hochfläche aus, so dick in Schnee verpackt, dass man nicht einmal ahnen kann, wie viele große und kleine Seen in sie eingestreut liegen. Am Horizont ist Bewegung in den Linien, da ragen Dutzende von sanft geschwungenen Bergkuppen auf, allesamt kaum höher als 1500 Meter, wie Lars und Haldis, die Gastgeber im Fjellhotell, versichern. Sie scheinen so weit entfernt, dass es wirkt, hinter ihnen könne es nicht mehr weiter gehen.
Ob über Tag die Sonne scheint, ob es die Zeit der langen Dämmerung ist am Morgen oder Abend, immer liegt ein bläuliches Licht über diesen Bergen, lässt den Schnee seltsam unwirklich erscheinen. Dabei kann der Ton dieses Lichtes sehr unterschiedlich sein. Mal erscheint er zart dunkelblau, dann wieder violett angehaucht oder er schimmert ins Ultramarin. Dieses blaue Licht von Venaby sei berühmt, erzählt Lars am Abend am Kaminfeuer. Dieses Licht habe schon immer Maler nach Venaby und in die Rondaneberge gelockt. Berühmt wurde der norwegische Maler Harald Sohlberg mit seinem Gemälde „Vinternatt i Rondane“, Winternacht in den Bergen von Rondane. Es wurde zum norwegischen Nationalgemälde kreiert.
Kaminfeuer statt Après-Ski
Zwei Hotels liegen hier oben im Passhöhenbereich, das Venaby-Fjellhotell und das Hotel Gudbrandsdalen. Neben diesem ganz im Stil der großen alten norwegischen Bauernhöfe gebauten Hotel schnurrt ein Skilift in die Höhe und erschließt ein harmloses Pistenskigebiet. Doch wer nach Norwegen in den Winterurlaub fährt, weiß ohnehin schon, dass Alpinskilauf hier eher klein geschrieben wird. Skilaufen in Norwegen ist vor allem eins: Tourenskilauf. Dass das durchaus nicht das Gleiche ist wie Langlauf, macht Lars gleich am ersten Morgen klar als er gebeten wird, mitgebrachte Langlaufski für den ersten Ausflug zu wachsen. Missbilligend schüttelt er den Kopf. „Das sind keine Skier für das Fjell.“ Die seien viel zu schmal, im Fjellgelände würden wir zu schnell umkippen. Er sucht ein paar passende Fjellskier heraus, breiter und mit Stahlkanten versehen. Die Loipen werden nur nach Schneefall gespurt, aber nicht gepflegt. So sind sie manchmal vereist, und das sei gefährlich.
Vor dem Hotel wartet eine Gruppe, fertig für die Tour. Die Leute tragen keine modisch eleganten Langlaufbekleidungen, wie sie so oft auf den Loipen zu sehen sind. Denn im Fjell kommt es nicht auf Schick und Eleganz an, sondern darauf, dass die Klamotten praktisch und warm sind. Solche Einstellung entspricht den Ansprüchen der Norweger, die das Hauptkontingent in den beiden Hotels hier oben stellen. Mitteleuropäer sieht man hier nur selten. Lässt so mancher Hotelier in alpenländischen Skiorten morgens das Frühstücksbüffet überwachen, um zu verhindern, dass der ein oder andere sich auf Piste oder Loipe Verpflegung mitnimmt, sind die Büffets in den Fjellhotels auf die Verpflegung für die Touren eingestellt – bis hin zum Verpackungsmaterial. Und am Abend gibt es kein Après-Ski mit Partygetue, sondern man sitzt mit den anderen Gästen um das offene Kaminfeuer und versucht mit Bruchstücken verschiedener Sprachen eine Unterhaltung zustande zu bringen.
Die letzte Wildren-Herde
Lars sei Dank: Man übersteht die erste Tour im Fjell, ohne umzukippen. Die Loipe, die in den Nationalpark Rondane führt, ist voller Überraschungen. In dieser Landschaft, der geradezu unendlichen Weite, herrscht nicht das Diktat des mangelnden Platzes. Kilometerweit geht es geradeaus, abwärts in kleine Täler hinab und wieder hinauf. Viele Tourengeher sind unterwegs: Einzelne, Paare, aber auch Familien. Hat man auf einer alpenländischen Loipe schon einmal Kinder gesehen? Dann kommt uns eine Familie entgegen: Vater, Mutter, der etwa achtjähriger Sohn – auf Fjellskiern natürlich. Der Vater zieht den jüngsten Spross in einem kinderwagenähnlichen Schlitten, Pulkka genannt, hinter sich her. Auch Hunde als Zugtiere solcher Gefährte trifft man unterwegs an. Oder Schneehühner, die aus ihren Schneehöhlen flattern, um auf Futtersuche zu gehen. Doch so weit wir auch kommen, die Berge im blauen Licht kommen nicht näher – sie scheinen unerreichbar.
Das Loipennetz ist nicht sehr dicht, aber lang gezogen. Loipen dürfen hier oben im Nationalparkbereich nicht nach Belieben gespurt werden. Lars erklärt es – und an einem Spätnachmittag, an dem das blaue Licht von den Bergen näher heranzureichen scheint als sonst, ist der Grund in Gestalt der zahlreichen über den Schnee verstreuten Tiere einer großen Rentierherde zu sehen. Der Rondane Nationalpark wurde vor Jahren eingerichtet, um den Schutz der einzigen großen Herde von Wildrenen zu gewährleisten, die es heute noch in Skandinavien gibt. Es sind die Nachkommen der Tundrarentiere, die vor Jahrhunderten und Jahrtausenden ganz Skandinavien bevölkert haben. Hier oben im Venabygdsfjell und in den Bergen unter dem blauen Licht hat sich diese letzte große Herde erhalten.
Reise-Infos
Anreise: Mit Scandinavian Airlines (www.flysas.com) ab Düsseldorf nach Oslo, weiter mit dem Mietwagen in den Rondane-Nationalpark.
Veranstalter: Hotels und weitere Unterkünfte sind über Norwegen Tourismus buchbar.
Kontakt: Norwegen Tourismus, 040/22 94 15 88, www.visitnorway.com