Hagen. Die Festival-Veranstalter stehen unter hartem Kostendruck: Welche Stars kommen im Sommer trotzdem ins Sauerland und Siegerland?
Tolle Musik in grandioser Landschaft unter freiem Himmel: Sauerland und Siegerland sind Sehnsuchtsziele der Open-Air-Szene. Doch seit der Corona-Pandemie werden die Rahmenbedingungen für Veranstalter immer komplizierter. Verregnete Sommer sind längst nicht mehr der größte Angstgegner von Festivals, sondern ein Teufelskreis aus fehlenden Platzkapazitäten und steigenden Vorinvestitionen.
Das neue Biggesee Open-Air musste wegen der unberechenbaren Rahmenbedingungen für 2023 und jetzt auch für 2024 abgesagt werden. Als Hauptgrund nennt Veranstalter Dietmar Harsveldt die ausstehende Genehmigung zur Erweiterung des Konzertgeländes für 15.000 Fans, die für eine wirtschaftliche Durchführung essentiell sei. Die erste Auflage des Biggesee Open-Airs in 2022 war mit 40.000 Besuchern an acht Tagen höchst erfolgreich, schrieb aber dennoch keine schwarzen Zahlen. Der Veranstalter und die beteiligten Konzertagenturen prüfen derzeit, ob und unter welchen Bedingungen das Festival überhaupt noch einmal realisiert werden kann.
„Alle Veranstalter haben damit zu kämpfen, dass einerseits seit Corona die Kosten stark gestiegen sind, Energiekosten, Wasserkosten, Inflation, Personalkosten“, beschreibt Konzertveranstalter Gisbert Kemmerling aus Bestwig die Situation. „Dazu kommen im ländlichen Raum aufwendige Genehmigungsverfahren.“
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Denn so schön und attraktiv die Seen, Steinbrüche und Parks der Region sind: Es gibt keine Infrastruktur, die mit den Großstädten vergleichbar wäre. Bühnen, Parkplätze, Zuschauerbereiche, Gastronomie und Sanitäranlagen müssen eigens für das jeweilige Festival aus dem Boden gestampft werden, und zwar alle Jahre wieder. Dafür sind komplexe Genehmigungsverfahren erforderlich, deren Sinn keiner in der Branche kritisiert. Sie steigern allerdings die Ausgaben, noch bevor das erste Ticket überhaupt verkauft ist. „Ein Sicherheitskonzept für 10.000 Besucher liegt im fünfstelligen Bereich. Dazu kommen Verkehrs- und Parkplatzkonzepte mit hohen Auflagen sowie die umwelttechnischen Parameter, was aber völlig ok ist. Wir wollen ja auch weg vom Plastikmüll“, schildert Kemmerling die Situation.
Diese Faktoren müssen stimmen
Kemmerling zählt auf, welche Faktoren zusammenspielen müssen, damit ein Open-Air-Programm beim Publikum ankommt und die Organisatoren nicht ruiniert: „Bei Stars wie Adele oder AC/DC spielt Geld keine große Rolle. Bei Adeles Auftritten in München rechnen die Veranstalter mit einer Tagesbesucherzahl von 80.000; es gibt bereits 1,2 Millionen Kartenvorbestellungen.“ In der Region fehlt hingegen das Gelände für die Superstars. Bei den Künstlern, die hier auftreten können, sei der richtige Zeitpunkt entscheidend: Hat der Star eine neue Platte? Ist er in den Medien präsent? „Man braucht eine mindestens fünfstellige Besucherzahl, damit sich das in der Kostenstruktur darstellen lässt“, so Kemmerling.
Nach der Decke strecken
Jens von Heyden bestätigt als Leiter des Festivals Kultur Pur die neuen Probleme, denen sich Festivals nach Corona durch die Krisenfolgen ausgesetzt sehen. Kultur Pur auf dem Giller bei Hilchenbach verbindet im 32. Jahr Rock, Pop, Jazz und Klassik mit Comedy, Theater und Tanz und schafft damit ein generationenübergreifendes Angebot, bei dem sich Heavy-Metal-Fans und Mozartfreunde begegnen können. Das Festival ist nicht nur ein Kultur-Leuchtturm, sondern das kulturelle Rückgrat der Region schlechthin. In diesem Jahr sind die Fantastischen Vier mit zwei Auftritten der Hauptact, beide waren sofort ausverkauft. „Das Problem der Kostensteigerungen fängt schon bei der Infrastruktur an, Technik, Bauzäune, Gagen, alles wird teurer. Wir können uns nur nach der Decke strecken, weil die Kassen der öffentlichen Hand auch nicht mehr so gefüllt sind“, resümiert Jens von Heyden. Das Land NRW und der Kreis Siegen-Wittgenstein fördern das Festival, und es gibt treue Sponsoren. „Wir versuchen an allen Schräubchen zu drehen, wo man sparen kann, so haben wir im Vergleich die Kosten noch im Rahmen halten können“, sagt der Festivalleiter. „Wir werden aber um eine moderate Erhöhung der Eintrittspreise nicht herumkommen.“
Auch auf dem Giller spielen die Besucherzahlen eine Rolle. Zwar hat Kultur Pur mit 61.000 Gästen in 2023 einen neuen Rekord gesetzt, aber für die Top-Acts wie jetzt Fanta4 gibt es eine Kapazität von lediglich 2600 Köpfen pro Konzert. Normalerweise spielt die Band erst ab einem Publikum von 10.000 Gästen. Ein Ort, wo dies möglich wäre, ist im ganzen Sauerland und Siegerland nicht zu finden - weswegen das Biggesee Open-Air seine Kapazitäten ja ausweiten möchte.
Das Ehrenamt spielt in der Open-Air-Szene der Region eine erhebliche Rolle, zum Beispiel beim beliebten zweitägigen Big-Day-Out-Festival in Anröchte. Knapp 200 freiwillige Helfer waren bei der 10. Auflage im Jahr 2019 mit Begeisterung am Start. Dann kam Corona. „Ich will nicht sagen, dass es das Festival nicht mehr gibt, aber ich kann auch nicht sagen, ob es 2025 wieder stattfindet“, konstatiert Marvin Kußmann, der Vorsitzende des veranstaltenden Vereins JZI Anröchte. „Die Branche hat unter Corona extrem gelitten“, sagt Kußmann nicht ohne Bitterkeit. „Für die kleinen, ehrenamtlichen Festivals ist die Situation katastrophal.“
Auf diese Stars kann sich das Publikum freuen
- Kultur Pur: 16. bis 20. Mai in Hilchenbach-Lützel. Mit u.a. Fantastische Vier (ausverkauft). www.kulturpur-festival.de
- Attendorn Open Air: 30. Mai vor der Attahöhle. Mit Michael Patrick Kelly
- Büren Open Air: 28. und 29. Juni in den Almeauen. Mit Toto (28. 6.) und Wincent Weiss (29. 6.) www.bueren-openair.de