Paderborn. Die Entscheidung ist gefallen: Dr. Udo Markus Bentz, bislang Weihbischof in Mainz, ist neuer Erzbischof in Paderborn.
Pünktlich um 12 Uhr ist die Entscheidung verkündet worden: Dr. Udo Markus Bentz (56), seit 2015 Weihbischof und seit 2017 auch Generalvikar in Mainz, ist neuer Erzbischof von Paderborn und damit Oberhaupt von rund 1,4 Millionen Katholiken – auch im Sauerland, in Siegen-Wittgenstein, Hagen, Dortmund, dem Kreis Soest und Teilen Dortmunds. Paderborn ist eines von nur sieben Erzbistümern in Deutschland. Der Erzbischof von Paderborn nimmt damit eine der zentralen Führungspositionen in der katholischen Kirche in Deutschland ein.
Das Interesse an dem neuen Erzbischof war am Samstagmittag groß: Der Dom zu Paderborn war um 12 Uhr voll, die Menschen standen in großen Gruppen am Rand, jeder Sitzplatz war belegt. Viele filmten mit Handys. Anwesend waren außer vielen geistlichen Würdenträgern und Medienvertretern vor allem Bürger alle Altersgruppen – und auch Kinder.
Der neue Erzbischof von Paderborn
Nach der Verkündung des Namens durch Dompropst Joachim Göbel (der an diesem Tag seinen 65. Geburtstag feierte) trat der neue Bischof ans Mikrofon und bekannte: „Wenn Sie wüssten, was für einen Puls ich habe... .“ Der 56-jährige Bentz beschrieb dann, wie er von seinem neuen Amt erfahren habe. Vor acht Tagen habe er einen entgangenen Anruf des Dompropsts gesehen und zurückgerufen. Göbel habe gesagt: „Hier ist der Dompropst von Paderborn. Wir müssen reden. Wir kommen zu Ihnen nach Mainz. Heute oder morgen.“ Udo Bentz sagte dem Dompropst: Auf keinen Fall heute, er müsse sich erst sammeln. Am vergangenen Sonntag fand dann das entscheidende Gespräch statt. Bentz bekannte, dass er auch Angst vor der neuen Aufgabe habe, ebenso aber viel Hoffnung.
Der im pfälzischen Rülzheim geborene Theologe machte nach dem Abitur 1986 zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Ab 1988 schloss sich in Mainz und Innsbruck das Studium der Philosophie und Katholischen Theologie an, 1995 empfing er im Dom zu Mainz die Priesterweihe und von 1998 bis 2002 arbeitete er als Sekretär des damaligen Mainzer Bischofs und Kardinals Karl Lehmann. Die Amtseinführung von Bentz ist laut Bistum am 10. März. Er folgt auf Hans-Josef Becker, der am 1. Oktober 2022 als Paderborner Erzbischof zurückgetreten war.
Ein überzeugter Pfälzer: „Bin gern bei de Leud‘“
In einer ersten Reaktion im Paderborner Dom sagte Bentz, das Bistum Mainz habe ihn mehr als alles geprägt. „Es ist meine kirchliche Heimat mit ganz viel Herzblut.“ Er gehe schweren Herzens von dort weg, komme aber mit innerer Freiheit und Offenheit nach Westfalen. Er habe wahrgenommen, wie intensiv sich das Erzbistum in seinem Zukunftsbild mit einer Perspektive für die Jahre 2030+ auseinandergesetzt habe. „Dazu will ich viel hören und lernen.“ Er wolle die Erzdiözese aber auch mit ihrer dunklen Seite annehmen. „Sonst können wir keinen gemeinsamen geistlichen Weg in die Zukunft finden.“
Darauf gab es langen und lauten Applaus. Ohnehin: Die Spannung im Dom war vor der Verkündung des Namens groß, an vielen Stellen war aufgeregtes Tuscheln zu hören. Beim Abschlusslied wirkten aber dann alle sehr gelöst. Viel Applaus gab es auch für den Paderborner Diözesanadministrator Michael Bredeck, der das Erzbistum in der Übergangszeit geleitet hatte.
Der neue Bischof Udo Bentz zeigte sich auch von der humorvollen Seite: „Du lieber Himmel, wer kommt denn da nach Paderborn? Zunächst einmal: Da kommt ein Pfälzer. Ein Pfälzer vom Rhein an die Quelle der Pader nach Westfalen. Ich hoffe, dass das gutgeht.“ Ein lautes Lachen ging durch den Dom und Bentz fuhr mit erkennbarem Pfälzer Dialekt fort: „Mir geht es wie vielen Pfälzern: Ich hab‘ Spaß an de Leud.“
In einer ersten Reaktion sagte Marcel Eliasch, Kantor in Marsberg sowie Assistent des Domorganisten am Hohen Dom: „Ich bin positiv überrascht von seiner Herzlichkeit und Wärme. Er wirkt nah am Menschen. Ich bin jetzt gespannt, ob er auch liturgienah ist.“
Immer noch „fürchterlich aufgeregt“
In einer anschließenden Pressekonferenz sagte der neue Erzbischof Udo Bentz: „Ich spüre eine ganz große Herzlichkeit. Es ist klar, dass daran viele Erwartungen geknüpft sind.“ Er sei immer noch „fürchterlich aufgeregt“. Auch zum Thema Aufarbeitung der Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche nahm er Stellung: „Es ist der Ansatz der Aufarbeitungsstudien im Bistum Mainz, Betroffene zur Sprache kommen zu lassen.“ Im Bistum Paderborn habe er noch nicht genug Einblick, wolle aber sagen: „Jedes Bistum muss dazu seinen eigenen Weg gehen. Das wahrzunehmen, ist mir sehr wichtig. Es braucht ganz viele Gespräche, und ich möchte mich den Erwartungen und Gesprächen stellen und Zeit dafür nehmen, zuzuhören.“ Die Kirche brauche eine gute Erinnerungskultur: „Das Erinnern muss für uns prägend sein und weiterhelfen im Umgang mit Schutzbefohlenen. Die Kirche muss ein Raum sein und wieder zu einem Raum werden, in dem man gut und sicher leben kann.“
Dompropst Joachim Göbel machte zudem deutlich, dass es sich um eine historische Wahl handele. Bentz sei seit 1891 der erste Erzbischof, der nicht aus dem Bistum Paderborn stamme, sondern von außen komme: „Als 67. Bischof und fünfter Erzbischof von Paderborn ist er seit dieser langen Zeit der erste. Das wird uns als Bistum guttun.“ Bentz, so Göbel mit Verweis auf dessen langjährige pastorale Erfahrung, sei für „diese große Aufgabe mit vielen guten Gaben ausgestattet“.
Die Vorgeschichte
Die Spannung stieg am Samstag vor 12 Uhr: In Paderborn war nach 433 Tagen endlich Post vom Papst eingetroffen. Das Domkapitel hatte aus den drei Namensvorschlägen des Heiligen Stuhls einen neuen Erzbischof für das Erzbistum Paderborn gewählt. Um 12 Uhr wurden die Glocken für den neuen Erzbischof geläutet. Der Stuhl war im Oktober 2022 vakant geworden, nachdem das Rücktrittsgesuch von Erzbischof em. Hans-Josef Becker durch Papst Franziskus angenommen wurde.
Mehrere Bischofssitze sind oder waren in Deutschland verwaist, neben Paderborn noch Bamberg (aber auch hier wurde am Samstag eine Entscheidung verkündet: Herwig Gössl (56) wird neuer Erzbischof; er ist seit 2014 Weihbischof in der bayerischen Diözese) Stuttgart und Osnabrück. Die Besetzung wird weitreichende Folgen haben, sie wird die Machtverhältnisse in der Bischofskonferenz neu sortieren oder bestärken. Im Vorfeld war spekuliert worden: Installiert der Papst Traditionalisten wie Kardinal Woelki in Köln oder den Regensburger Rudolf Voderholzer? Hätte er gerne Reformer wie Essens Franz-Josef Overbeck oder Hildesheims Heiner Wilmer, der in Paderborn als ein Wunschkandidat genannt wird?
Zukunft der Katholiken
Mit dem neuen Erzbischof der reichsten Diözese Deutschlands könnte sich sogar die Zukunft der Katholiken in Deutschland entscheiden. Die Paderborner bilden traditionell das Zünglein an der Waage. Vom Ruf her sind sie tiefschwarz. Doch unter Alt-Erzbischof Hans-Josef Becker haben die Paderborner einen unaufgeregten Reformkurs eingeschlagen, sie unterstützen den Synodalen Weg nachdrücklich, aber leise.
- Kardinal Hengsbach: Betroffene lässt sich nicht abwimmeln
- Päpstliches Geheimnis: Was soll das sein?
- Bistum Paderborn: Keine Kündigung mehr für Homosexuelle
Paderborn geht nicht gegen Priester vor, die alle Liebenden segnen, hängt aber die Regenbogenflagge auch nicht allzu plakativ von den Domtürmen, hat zudem als erstes Bistum in Deutschland eine queere Pastoral eingerichtet. Die Paderborner haben ebenfalls versucht, Laien an der Wahl des neuen Erzbischofs zu beteiligen, sind aber zu ihrer Enttäuschung vom Vatikan brüsk zurückgepfiffen worden. Wenn der Papst dezidiert einen Konservativen auf dem Paderborner Bischofsstuhl gewünscht hätte, wäre der Synodale Weg Geschichte gewesen.
Der Schatten von Köln
Über alle vier Wahlen wirft Köln seine Schatten. Vor Verhältnissen wie am Rhein haben sie Angst in Paderborn, Bamberg und Osnabrück. Und in Rom. Die völlige Zerrüttung des Vertrauens zwischen einem Erzbischof, seiner Priesterschaft und seinen leitenden Priestern sowie den Gemeinden, Austrittszahlen, die explodieren, all das kann leicht auch in den vakanten Diözesen passieren, wenn der Papst die falsche Personalentscheidung trifft. Zauderte Franziskus deshalb?
Vertrauen zusammenhalten
Es ist in Zeiten der Kirchenkrise nicht mehr gesetzt, dass ein neuer (Erz)bischof untertänig vom Kirchenvolk verehrt wird und machen kann, was er will. Die Gemeinden und Laienvertretungen sind kritischer und lassen sich nicht mehr alles gefallen, Machtmissbrauch ebenso wenig wie persönliche Luxusallüren. Die Ortspfarrer wollen das Vertrauen, das noch da ist, zusammenhalten. Sie brauchen nicht noch mehr Unruhe durch einen weltfremden oder führungsschwachen Oberhirten. Dazu kommen die anstehenden Zukunftsfragen, immer weniger Gläubige, kaum noch Priester, wie geht man damit um? Außerdem steht die Veröffentlichung der Paderborner Missbrauchsstudie an. Das wird nicht schön.
Für Paderborn hatte das „Westfalen Blatt” vor einiger Zeit sogar Georg Bätzing ins Rennen gebracht, Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Auf der anderen Seite geisterte Titularerzbischof Georg Gänswein durch die Personalspekulationen, der frühere Privatsekretär von Altpapst Benedikt XVI., der von Papst Franziskus ohne Amt zurück nach Deutschland beordert wurde. Gänswein sagte jüngst von sich selbst, dass er auf Arbeitssuche sei.
Wenig Sympathien für Bischöfe
Es ist bekannt, dass der argentinische Papst wenig Sympathien für die deutschen Bistümer und ihre Probleme zeigt und manchmal einen eher speziellen Sinn für Humor offenbart. Dass er Woelki nicht ins Kloster schickt, interpretieren manche Vatikankenner als Über-Bande-Spiel, bei dem der Kölner Kardinal die Kugel ist, mit der sich die Reformgegner selbst erledigen sollen. Dem machtverwöhnten ultrakonservativen Gänswein wird nachgesagt, dass er Alt-Papst Benedikt immer wieder für Intrigen gegen Franziskus in Stellung brachte. Ihn in ein nüchternes westfälisches Bistum wie Paderborn zu versetzen, hätte genau jene Art von Umgang mit offenen Rechnungen sein können, welche Franziskus gefällt. Aber mit dem neuen Erzbischof Udo Bentz sind all diese Spekulationen nun hinfällig.
Es gibt nicht genug Personal
Bei der Besetzung der vakanten Bischofsämter kam man nicht an der Tatsache vorbei, dass in ganz Deutschland nur wenige Kandidaten überhaupt für ein Bischofsamt in Frage kommen, auch das ist eine Folge des Priestermangels. Wer unter den 50-bis 60-Jährigen Priestern sich durch Begabung und Führungsgeschick auszeichnete, ist bereits Bischof oder Weihbischof und würde seinerseits wieder eine Lücke reißen, wenn er wechselt. So nun geschehen mit den beiden 56 Jahre alten neuen Erzbischöfen Udo Bentz und Herwig Gössl.
Wie eine dunkle Wolke schwebt zudem der Missbrauchsskandal über allen anstehenden Bischofswahlen. Denn es ist nicht mehr unvorstellbar, dass das Domkapitel oder der Nuntius bei der Eignungsprüfung der Kandidaten etwas übersehen, was ihnen später auf die Füße fallen kann, den Besuch von Pornoseiten etwa oder von Datingportalen für Männer oder noch Schlimmeres. Und davor dürften sie in Rom ebenfalls Angst gehabt haben, was vielleicht zum Teil das Zaudern des Papstes erklärt.
Geheimnisse über Geheimnisse
Viele Geheimnisse umranken eine Bischofswahl auch heute noch, und der Laie versteht nicht, warum. Eines davon ist die Frage, wie denn die hochgeheime Dreierliste nun tatsächlich zum Domkapitel kommt. „Die Zustellung solcher sensiblen Unterlagen geschieht in zuverlässiger Weise, die die Vertraulichkeit sicherstellt. Das kann man sich so ähnlich vorstellen wie bei einer Briefwahl“, weiß Benjamin Krysmann, der Sprecher des Erzbistums Paderborn. Doch was bedeutet das konkret? Kommen die Namen per Mail nach Paderborn, per Telefon, per Einschreiben mit der Briefpost, im verschlossenen Umschlag über einen Vatikan-Kurier oder sogar mit dem reitenden Boten? In Paderborn konnte auf diese Frage im Vorfeld der Bischofswahl niemand eine Antwort geben, denn für alle wahlberechtigte Domkapitulare war es die erste Bischofswahl. Die Nuntiatur in Berlin weiß es, wollte es aber nicht verraten, zumindest nicht an Journalisten. Und so prallten schon bei dieser unschuldigen Recherche wieder die Welten von Vergangenheit und Zukunft zusammen.
So war der Ablauf:
In Paderborn und Osnabrück gilt das Preußenkonkordat, hier schlagen die Domkapitel dem Papst Kandidaten vor. Die Terna kann Namen von dieser Liste enthalten, muss aber nicht. Aus den drei Namen der Terna wählte das Domkapitel den neuen Erzbischof. Den folgenden Ablauf schildert Benjamin Krysmann, Sprecher des Erzbistums: „Nach der Wahl durch das Metropolitankapitel fragt es bei den Regierungen der Länder NRW, Hessen und Niedersachsen (auf deren Gebiet das Erzbistum verortet ist), ob es politische Bedenken gegen den Gewählten gibt. Ist das nicht der Fall, informiert das Metropolitankapitel den Heiligen Stuhl über das Ergebnis der Wahl. Das geschieht über die Nuntiatur in Berlin. Der Papst ernennt den neuen Erzbischof von Paderborn.“ Die öffentliche Bekanntgabe der Ernennung erfolgte dann jetzt in Absprache zeitgleich durch den Heiligen Stuhl in Rom und das Metropolitankapitel in Paderborn. Es ist Tradition, dass dazu für einige Zeit feierlich und merkbar die Glocken läuten, zuerst in Paderborn und dann im ganzen Erzbistum – um die Mittagsstunde.
Wie geht es weiter?
Nach der öffentlichen Bekanntgabe seiner Ernennung zum neuen Erzbischof von Paderborn durch Papst Franziskus wird Dr. Udo Markus Bentz in Kürze den im Konkordat vorgeschriebenen Treueeid vor den Ministerpräsidenten der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen ablegen. Mit etwas zeitlichem Abstand wird der neue Erzbischof von Paderborn schließlich im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes am 10. März im Hohen Dom in sein Amt eingeführt und übernimmt damit die Amtsgeschäfte. Dabei präsentiert er dem Metropolitankapitel seine päpstliche Ernennungsurkunde und nimmt symbolisch auf dem Bischofsstuhl, der Kathedra, Platz. Mit der Amtsübernahme endet die Vakanz und damit zugleich das Amt des Diözesanadministrtors.