Hagen/Altena/Iserlohn. Der Regen hat aufgehört. Warum die Situation in vielen betroffenen Städten aber trotzdem angespannt bleibt.
Stadt Iserlohn, Ortsteil Lasbeck. Sabine Mohr sitzt im Wartehäuschen einer Bushaltestelle an der kein Bus hält zurzeit. Kurz mal durchatmen. „Was für Tage.“ Und die Nächte erst. Mittwoch um 1 Uhr ist die Feuerwehr gekommen. „Dammbruch am Steinbruch“, rufen die Männer. „Sie müssen raus. Sofort.“ Nur eine Tasche und den Hund darf die 50-Jährige mitnehmen. Alle anderen Tiere bleiben zurück in der Wohnung. „Es war schrecklich.“
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Erst am Donnerstagmorgen dürfen Mohr und ihre Partnerin Christina Wachtel kurz zurück, dürfen die vier Vögel holen, die Schildkröte und „ein paar persönliche Sachen“. Bei einer Bekannten sind sie untergekommen. „Erst einmal.“ Ob sie je zurückkehren? „Der Statiker hat uns wenig Hoffnung gemacht.“
Fast alle Keller stehen unter Wasser
Ein paar Meter entfernt fließt die braune Brühe immer noch hinunter, stetig gespeist aus einem Bach, der im Sommer sonst nicht mehr als ein Rinnsal ist. Durch den Regen der letzten Tage aber hat er sich in einen kleinen Fluss verwandelt. Fast alle Keller hat das Wasser geflutet, hat kleine Steine und große Asphaltbrocken mitgebracht und Wände reißen lassen.
Oben am Weg haben sie mittlerweile einen Damm aus umgekippten Bierbänken gebaut, um den Strom des Wassers direkt in die nahe gelegene Lenne abzuleiten. Seit dem Morgengrauen fegen und wischen sie und räumen aus, was die Flut im Haus wieder freigegeben hat. Erschöpft, durchnässt, frustriert. „Alles kaputt“, sagt einer.
„Wir fühlen uns von den Behörden im Stich gelassen“
Aus der Nachbarschaft sind Helfer gekommen. „Bei uns ist nichts passiert“, sagt Christian Knecht. „Da habe ich mir Urlaub genommen, um hier mit anzupacken.“ Jede Hand ist willkommen. „Von der Feuerwehr kommt nämlich nicht viel“, klagt ein Anwohner. Deshalb hat er sich selbst Pumpen und Schläuche besorgt, mit denen er nun das Wasser aus dem Haus auf die Straße drückt. „Wir fühlen uns von den Behörden im Stich gelassen“, sagt ein andere Anwohner. „Aber“, sagt er auch, „viele hat es ja noch viel schlimmer getroffen.“
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Die Menschen in Altena zum Beispiel. Noch immer ist die Stadt, in der am Mittwochabend ein Feuerwehrmann in den Fluten sein Leben verlor, von der Außenwelt abgeschnitten. Alle Zufahrtsstraßen sind überflutet oder gesperrt, das Leben in der Stadt steht still. Überschwemmungen in Altena sind nicht ungewöhnlich. Doch dieses Mal ist es nicht nur die Lenne, die im engen Tal über die Ufer getreten ist. Dieses Mal ist es vor allem die nur acht Kilometer lange Nette, die gefüllt durch die Regenmenge vom Berg hinab wahre Wassermassen in die Stadt stürzen lässt und mitreißt, was sich in den Weg stellt.
Autos schwimmen durch die Stadt
Bewohner berichten am Telefon von Autos, die in der Brühe schwimmen und dem Geruch von Öl und Diesel, der über der Stadt liegt. Straßen seien zu vermüllten Grachten geworden, Keller und Geschäfte vollgelaufen. Die meisten Anwohner halten sich an die Aufforderungen der Behörden und bleiben zu Hause. „Aber bei den ersten werden langsam die Lebensmittel knapp“, weiß ein Mann aus dem benachbarten Lasbeck durch die What’s App Nachricht eines Freundes. „Das ist noch lange nicht vorbei.“
Ganz im Gegenteil. Denn am Nachmittag ist die oberhalb von Altena gelegene Biggetalsperre vollgelaufen und beginnt damit, Wasser abzulassen. Inwieweit dadurch der Pegel der Lenne steigen könnte ist unklar. Die Möhnetalsperre steht am Nachmittag ebenfalls kurz vor dem Überlaufen
Talsperren sind vollgelaufen
Auch für Schwerte, Holzwickede und das erst vor wenigen Tagen überschwemmte Fröndenberg gibt es am Nachmittag eine akute Warnung vor Überflutung. In Wickede-Echthausen droht ein Wehr der Ruhr zu brechen und wird deshalb kontrolliert geöffnet. Eine größere Flutwelle bleibt allerdings zunächst glücklicherweise aus. In Hagen werden dennoch die Campingplätze entlang der Ruhr vorsorglich evakuiert.
Angespannt bleibt die Lage dort fast den ganzen Tag über. Schwere Räumpanzer der Bundeswehr haben zwar mittlerweile die Arbeit aufgenommen und schieben den Unrat von den Straßen, von denen sich das Wasser zurückgezogen hat. Noch immer aber sind weite Teile der Stadt überflutet. Die Volme ist so stark angestiegen, dass sie mehrere Brücken im Stadtgebiet weggerissen hat.
Vorsicht, wenn der Strom wieder da ist
Im ebenfalls vom Regen schwer getroffenen Wuppertal wird am Nachmittag damit begonnen, nach und nach den Strom wieder einzuschalten, verbunden allerdings mit einer Warnung der Behörden. „Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu schauen, wie es im überfluteten Keller aussieht.“