Ruhrgebiet. . Nordrhein-westfälische Tierhalter sollen künftig keine giftigen Tiere mehr im Haus haben. Für andere, nicht ganz so gefährliche, wird eine Meldepflicht eingeführt. Denn in den letzten Jahren ist die Feuerwehr immer häufiger alarmiert worden wegen Schlangen und Skorpionen. Auch im Ruhrgebiet gab es etliche solcher Fälle.

Als der Alarmruf aus Wesel kam, wurde selbst Michael Harzbecker unruhig. Der Oberbrandmeister der Düsseldorfer Feuerwehr leitet in seiner Dienststelle eine sechsköpfige „Reptilien-Fachgruppe“ und gilt landesweit als einer der raren Spezialisten im Umgang mit giftigen Schlangen. Nun aber meldeten die Kollegen aus Wesel den Fall eines sehr speziellen Haustierhalters, der von seiner chinesischen Nasenotter gebissen worden war.

Der Kampf gegen tödlicheEmbolien und Thrombosen beginnt

Harzbecker wusste: Die Blutgerinnung fällt binnen sechs Stunden auf Null, der Kampf gegen tödliche Embolien und Thrombosen hat begonnen, ein lebensrettendes Serum ist auf die Schnelle nur in der Schweiz aufzutreiben. Der behandelnde Arzt wollte sich von den Feuerwehrleuten zunächst keine Ratschläge geben lassen. Doch am Ende überlebte der Schlangenbesitzer nur dank einer eiligen Alarmfahrt ins Nachbarland.

Immer häufiger müssen die Einsatzkräfte in NRW wegen diverser Probleme mit exotischen Haustieren ausrücken. Über 100 Notrufe im Jahr registriert der Feuerwehr-Landesverband, die Fallzahlen hätten sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre verdreifacht.

Köpy, der Königspython

Das soll nun ein Ende haben. Nach jahrelanger Diskussion hat die rot-grüne Landesregierung am Dienstag ein Gesetz zum Schutz vor giftigen und gefährlichen Tieren auf den Weg gebracht. „Gefährliche Tiere gehören nicht ins Wohnzimmer“, findet Umweltminister Johannes Remmel (Grüne): „Es gibt Regelungsbedarf aufgrund der gestiegenen Zahl von schweren Unfällen und Vorfällen.“

Da war etwa „Köpy“, der Königspython, der sich im August in Bochum in einem Opel Astra einrichtete. Erst nach fünf Tagen konnten Feuerwehrleute die (noch recht kleine) Würgeschlange herausziehen. Die Maus, die zuvor den zumeist undankbaren Job des Lebendköders hatte übernehmen müssen, bekam überlebenderweise eine Tapferkeitsmedaille.

Fahndung nach Monokelkobra verschlang 50 000 Euro

Im September dann war eine Boa constrictor ihrem Halter in Castrop-Rauxel entwischt. Neun Tage später stellte sie sich in Nachbars Garten wieder ein. Die Sichtung eines Skorpions in einer Turnhalle in Balve führte im Herbst 2013 dazu, dass die Halle eine Woche gesperrt und peinlich genau durchsucht wurde – doch der Skorpion blieb verschwunden.

Der spektakulärste Fall der letzten Jahre jedoch spielt 2010 in Mülheim-Heimaterde, wo sich eine Monokelkobra davonmachte. Erst verschob die Feuerwehr die Möbel in der Wohnung, dann räumte sie sie raus, dann wurde das Haus evakuiert, die Wärmedämmung abgenommen, die Dielen herausgerissen, die Straße gesperrt . . . Die Kobra verendete auf einem der Klebebänder, die ausgelegt waren, um sie zu fangen. Bis dahin hatte die Fahndung nach dem Tier 50 000 Euro verschlungen.

Harzbecker hat sich vor knapp zehn Jahren aus eigener Liebhaberei für Reptilien auf dieses Gebiet spezialisiert. „Es gibt viele gute Halter solcher Tiere, aber es gibt auch einige schlechte, die davon nichts verstehen“, sagt er: „Das bereitet mir Kopfschmerzen“, sagt er.

Fachleute befürchten: Tiere landen im Hausmüll oder im Stadtpark

Bei Fachleuten löst die geplante gesetzliche Regelung gemischte Gefühle aus. Einerseits halten sie eine Art Führerschein für geboten. Andererseits fürchten sie bei einem Haltungsverbot für bestimmte Arten die gefährliche Entsorgung der Tiere im Hausmüll oder im Stadtpark. Für die Feuerwehrleute ergibt sich noch ein Problem. Mit der Debatte über das Gifttier-Gesetz wird die Zahl hysterischer Alarmrufe wieder messbar steigen: Gewöhnliche Kellerspinnen stehen dann unter Exotenverdacht.