Kleve. .

Der Vorsitzende Richter Ulrich Knickrehm nennt es in der Urteilsbegründung, was es ist: „Eine äußerst brutale Tat.“ Keinen Hehl macht er auch aus seiner Fassungslosigkeit, wie es dazu kommen konnte, dass ein Nachbarschaftsstreit dermaßen ausartet. Elf Jahre Haft wegen versuchten Mordes – so lautete gestern das Urteil des Landgerichts Kleve gegen eine 49-jährige Amokfahrerin aus Issum.

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass sie ihre Nachbarin (60) abgepasst und vorsätzlich mit dem Geländewagen gerammt hat. Dann stieg sie aus und fügte der verhassten Nachbarin mit einem Messer eine 15 Zentimeter lange, sehr tiefe Wunde am Hals zu.

Nicht nachweisen konnte das Gericht, dass die Täterin nochmal zurückgesetzt habe, um das Opfer ein zweites Mal zu überrollen. Gleichwohl hatte die 60-Jährige Dutzende offene Knochenbrüche erlitten, musste notoperiert werden und lag drei Wochen im Koma.

Das Opfer hatte zu Beginn des Prozesses ausgesagt, konnte sich aber an die Geschehnisse während der Tat nicht mehr erinnern, obwohl es der Frau noch gelungen war, schwer verletzt mit dem Handy bei einer Verwandten Hilfe herbeizurufen. Bei dieser Gelegenheit soll sie auch den Namen der Täterin genannt haben.

Unter anderem diesen Handynotruf wertete das Gericht als Beweis. Denn die Angeklagte hatte von Anfang an vor Gericht geschwiegen, hatte auch dem psychiatrischen Gutachter ihre Mitarbeit verweigert.

Aber auch so habe es genügend Beweise gegeben – am Auto der Angeklagten wurden Farbreste vom Fahrrad sowie DNA-Spuren des Opfers gefunden. Aufnahmen einer Sicherheitskamera – angebracht am Haus der Angeklagten – zeigten, wie eben jene zur Tatzeit alleine in ihren Jeep gestiegen und losgefahren war.

Als Mordmerkmal schließlich sah das Gericht klar Heimtücke. Die 60-Jährige habe bei ihrer mittäglichen Runde auf dem Rad nicht mit einem Angriff rechnen können. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Haft gefordert, die Verteidigung auf Freispruch plädiert. Strafmindernd habe sich ausgewirkt, dass die Angeklagte bislang unbescholten war.

Der Tat Mitte April war ein langwieriger Streit vorausgegangen, der sich an einer Kleinigkeit entzündet hatte: Die 49-Jährige soll sich immer wieder über parkende Autos an der Straße vor den beiden Häusern aufgeregt haben.