Ruhrgebiet. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen wächst. Das weckt vielerorts Ängste. Und doch gibt es gerade im Ruhrgebiet viele Beispiele dafür, dass es zwischen Asylsuchenden und deutschen Nachbarn auch ein gutes Miteinander geben kann. Dabei ist die Hilfe keinesfalls einseitig.

Noch vor vier Wochen hätte sich der Mülheimer Handwerksmeister Reinhard Jehles nie vorgestellt, er würde mal einen Hilfskonvoi für Duisburg zusammenstellen. Diese Woche aber passiert genau das: Seife, Kleidung, feste Schuhe werden sie auf einen Laster laden für Flüchtlinge, die nach Duisburg kommen. „Wir haben ja genug, wir können problemlos was abgeben“, sagt der 61-Jährige. Denn so groß ist das „Warenhaus für Flüchtlinge“ schon geworden, das Jehles in Mülheim schuf: so groß, dass es abgeben kann.

Lange war es ruhig, lange Jahre kamen kaum Flüchtlinge nach Deutschland. Nun bereiten sich die Städte darauf vor, dass wieder viele kommen. Aus Syrien, dem Irak, aus Afrika, vom Balkan. Und das löst Ängste aus. Sorgen, wie sich die Fremden auf den Stadtteil auswirken, auf das eigene Viertel. Dabei gibt es gerade im Ruhrgebiet Beispiele für gutes Miteinander. In Bochum, Essen, Mülheim... Weil Helfen wohltut, auch den Helfern – und weil Flüchtlinge selbst manchmal zum Retter werden.

Flüchtlinge17 Helfer sind der harte Kern

Das - in Wahrheit kostenlose - „Warenhaus für Flüchtlinge“ jedenfalls begann mit einem Spendenaufruf bei Facebook für eine einzige arabische Familie. „Am nächsten Morgen habe ich mich gefühlt wie der Zauberlehrling“, erinnert sich Jehles: mehrere Säcke mit Kleidung auf dem Firmenhof und drei Kühlschränke. Das war erst der Anfang: 17 Helfer sind sie heute im berühmten harten Kern, und „viele hundert“ Menschen gaben Kleidung oder Babysachen, Handtücher, Spielzeug, Töpfe. Die Idee überschreitet gerade Grenzen: In Duisburg entsteht Ähnliches, deshalb ja der Hilfskonvoi, und Kontakte sind geknüpft nach Oberhausen und Essen. „Wir sind ein Mosaiksteinchen“, sagt Jehles.

Geholfen wird auch in Essen-Haarzopf, wo man vor zwei, drei Jahren den „Runden Tisch“ aus den 80er Jahren wiederbelebte. Damals halfen sie Tamilen, die vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka flüchteten. „Da gab es eine Menge Vorurteile. Die Leute sprachen mich an: "Wir haben so Neger hier . . ." und es werde auch ‘geklaut’. Was natürlich nicht stimmte“, erinnert sich Bernd Brack (77).

Pensionierte Lehrerinnen geben Deutschunterricht

Heute kümmern sich die 20 Leute um Brack wieder. 80 Menschen sind in den Container-Häusern untergekommen, Menschen aus Serbien und Mazedonien vor allem, aus Syrien und Ägypten. Pensionierte Lehrerinnen geben ihnen Deutschunterricht, andere betreuen Kinder bei den Hausaufgaben, basteln mit ihnen, studieren Theaterszenen ein. Hilfe, die ankommt. Hilfe, die auch beantwortet wird.

Als der Bürgerverein Haarzopf nach dem Pfingststurm seinen Park aufräumte, packten spontan viele Bewohner des Wohnheims mit an. Harkten, machten sauber, räumten auf. „Die sind rausgekommen und haben einfach mitgeholfen. Wir fanden es toll“, sagt Brack.

Flüchtlinge revanchieren sich für Hilfe

20 Kilometer weiter östlich fasste sich Michael Klüter vor Monaten ein Herz und ging mit seiner Tochter einfach mal ins Flüchtlingsheim in Bochum-Wiemelhausen. „Da gab es dieses Haus, schlimme Dinge wurden erzählt, da wollte ich selbst mal nachschauen.“ Sie lernten eine Familie kennen, sie lernten eine andere Welt kennen. Um das jetzt abzukürzen: Geworden ist daraus das „Netzwerk Wiemelhausen“, das Organisationen und Ehrenamtliche umfasst, die sich um die 250 Flüchtlinge in irgendeiner Form kümmern.

Das Geheimnis des großen Zuspruchs erklärt sich der Jurist Klüter heute so: „Es gibt viele kleine Aufgaben, die einer machen kann.“ Einer kann Briefe der Behörden übersetzen, einer kann mitgehen zum Arzt, einer kann Fahrräder reparieren, einer kann eine Fußball AG leiten. Tausend Sachen mehr. „Wenn man die nach draußen trägt, findet sich auch jemand.“

Flüchtlinge revanchieren sich

„Eigentlich kommt unser Stadtteil mit den Flüchtlingen gut zurecht, sagt auch der Essener Bernd Brack. Überall, wo sich Menschen kümmern, funktioniere es. Anderen zu helfen, das sei nicht nur ein Opfer. „Man lernt viele Leute kennen und Dankbarkeit“, sagt Brack.

Zu Pfingsten, als das Unwetter tobte, revanchierten sich Flüchtlinge im Essener Süden auf besondere Weise. Der Sturm hatte viele junge Besucher eines Festivals überrascht. Triefend vor Nässe und schutzlos irrten sie umher, bis sie von den Bewohnern eines Flüchtlingsasyls aufgenommen wurden. Zig junge Leute waren das, die Mini-Apartments völlig überfüllt. Zwei Stunden dauerte es, bis die ersten von ihren Eltern abgeholt wurden. Da hatten sie von den Flüchtlingen längst heißen Tee und trockene T-Shirts bekommen. Und mancher auch den nötigen Trost.