Ruhrgebiet. . Sie blockieren Parkplätze, verschandeln den Blick, verletzen das Moralempfinden: die Laster und Plakate der Großbordelle. Die wilden Werber stellen ihre bedruckten Laster an jeder mittelprächtigen Straßenkreuzung auf. Warum eigentlich lassen die Städte und Bürger sich das gefallen?

„Hundert Girls ... Was heißt das denn, Papa?“ Na, das muss man dem Sohnemann erst mal erklären, findet Leser Dirk B. aus Mülheim, dass Bordelle an jeder mittelprächtigen Straßenkreuzung ihre bedruckten Kleinlaster aufstellen können, um für FKK-Clubs, Flatrate-Saunas oder eben nur die Frau als Produkt zu werben.

Für Prostitution also. Jede moralische Bewertung mal außen vor, fällt das in die Kategorie wilde Werbung und ist mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Dennoch kriegen die Städte die unerwünschte Freierwerbung ganz offenbar nicht in den Griff.

Unmoralische Angebote blockieren Parkplätze

In Bochum am Ruhrstadion steht ein Anhänger mit unmoralischen Angeboten, an der Essener Gruga blockieren zwei Clubs regelmäßig freie Parkplätze, an der Rhein-Ruhr-Halle in Duisburg Hamborn wurden wilde Plakate gesichtet mit dem Slogan „All u can ...“, den wir hier nicht ausschreiben wollen. Und Dirk B. nun ist das Lockmobil eines Düsseldorfer Großbordells aufgefallen, das mehrere Monate auf einer Brücke über der A 52 thronte, in Mülheim kurz vor dem Ruhrtal. Die Stadt hat lange gebraucht, um ihn nun tatsächlich abzuschleppen – immerhin hat sie eine nachhaltige Lösung gefunden.

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„Als Leiter des Straßenverkehrsamtes habe ich auf der Brücke absolutes Halteverbot angeordnet“, sagt Peter Roedel. Dort gebe es keinen Parkbedarf, und die Autofahrer könnten abgelenkt werden durch Werbung an dieser Stelle. Schweres Geschütz. Natürlich haben Roedel und Kollegen es zuerst mit Bußgeldern versucht. Die kann Mülheim für unerlaubte Werbung verhängen, seit es im vergangenen Jahr seine Sondernutzungssatzung geändert hat.

„Vielleicht lacht der Bordellbetreiber sich auch tot“

Aber erstens muss die Stadt dem Halter nachweisen, dass er ausschließlich (!) zu Werbezwecken genau hier oder dort parkt. Da geht es um solche Details wie: Ist der Anhänger angewinkelt geparkt, damit man ihn besser sehen kann? Bei Autos ist es noch schwieriger. Zweitens muss man sein Geld erst mal einklagen, bevor etwa die Gesellschaft, der das Auto gehört, umfirmiert oder Insolvenz anmeldet. Drittens kann der Halter sein Auto einfach um eine Brücke versetzen, und das Spiel geht von vorne los.

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Trotz alledem glaubt Roedel, sind die Mittel da. „Die Plakate und die Anhänger verschwinden langsam“, seit die Stadt die Regeln verschärfte. Ein Anhänger zum Beispiel darf vierzehn Tage unbewegt stehen, bevor er ein normales Knöllchen bekommt. Kann das Ordnungsamt jedoch den „ausschließlichen“ Werbezweck nachweisen, wird sofort ein Bußgeld fällig. Wenn Peter Roedel sich etwas wünschen dürfte, dann das dieses „ausschließlich“ wegfällt oder nicht mehr so eng ausgelegt wird von den Gerichten. „Aber vielleicht lacht der Bordellbetreiber sich auch tot über unsere Gebühren“, sagt Roedel. „Ich kenne ja seine Einnahmen nicht.“

Großbordelle werben auffälliger und dreister 

Nun, der betreffende Club war zu einer Stellungnahme nicht bereit. Aber das ist wohl der Knackpunkt. Für die „unerlaubte Sondernutzung“ werden in Mülheim etwa für einen Anhänger 25 Euro pro Tag fällig, ein Plakat schlägt mit zwei Euro zu Buche – sofern die Stadt überhaupt etwas bekommt von den Bordellbetreibern, die „rechtlich nicht so unbeleckt sind“, wie Roedel sagt. Auch Baumärkte oder Malermeister blockieren zwar hier und da mit ihren Anhängern Parkplätze. Doch die Großbordelle sind auffälliger und dreister, auch weil hier höhere Gewinnmargen vermutet werden dürfen.

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Könnten die Bordellbetreiber nicht auch regulär werben? Immer wieder mal geschieht das, wie kürzlich an der B224 in Essen-Mitte. Auf Nachfrage hört man bei Stroer Media, der Kölner Gesellschaft, die für viele Städte exklusiv die Werbeflächen vermarktet, zwar gebetsmühlenartig den Satz, dass sexistische oder sittenwidrige Werbung abgelehnt wird. Aber Werbung für Prostitution gilt eben nicht per se als sexistisch – formal gesehen.

Die gewisse Grenze

„Wenn es legal ist, muss man dafür auch werben können“, sagt auch Julia Busse, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats. Erst wenn „eine gewisse Grenze“ überschritten sei, dann sei Werbung für Prostitution unzulässig. So hat es in der Tat 2006 der Bundesgerichtshof entschieden: Erst wenn der Jugendschutz gefährdet ist, kann man die Werbung aufgrund ihrer Inhalte verbieten. Das sei etwa der Fall „wenn Frauen in unterwürfigen Positionen dargestellt werden“, sagt Julia Busse. „Oder bei Aussagen wie: Miet mich!“

Bei „100 Girls“ scheint das noch nicht der Fall zu sein, egal welchen Reim Dirk B.s Sohn sich darauf macht. Mit moralischer Empörung kommt man hier juristisch nicht weit. Weil der Vater um die Schwierigkeiten mit der wilden Werbung weiß, beschwert er sich auch gar nicht erst beim Ordnungsamt – was überhaupt nur wenige Bürger tun. Eher schon wenden sie sich an die Zeitung.