Gelsenkirchen. .
Was denkt der Toilettengänger, der vor der Tür etwas Kleingeld auf das Tellerchen fallen lässt: Danke an die Klofrau in ihrem Kittel? Von wegen: Im Oberhausener Centro gehört jeder Cent der Reinigungsfirma. Noch. Denn vor dem Gelsenkirchener Arbeitsgericht wagte nun erstmals eine der Frauen, sich zu wehren.
Simone Reißner war Sitzerin. Ein ganz eigenes Modell für das Geschäft mit dem Geschäft hat „Interclean“ aus Gladbeck nämlich erfunden: Es unterscheidet zwischen dem Putzpersonal und der Aufsicht. Eine wie Reißner, 57, und auch ihr Mann Walter, 56, sie saßen nur da, im weißen Kittel, und bewachten das Geld. Putzen tun für den Tariflohn von 9,31 Euro andere. „Sitzer“ kriegen 5,20 Euro die Stunde und eine Dienstanweisung, in der steht: „Geben Sie keine Erklärung ab, dass sie hier nur sitzen...“
Man sei „kein Mensch“, sagt eine ehemalige Kollegin, „nur eine Marionette“. Die alle paar Stunden die Münzen in einen Tresor trägt, die abends, wie die Reißners, ängstlich in den Kitteltaschen kramt, ob sich auch kein Cent verirrt hat: Es werde streng kontrolliert, wird erzählt, für wenige Euro auch gekündigt. Simone Reißner kündigte selbst, aus gesundheitlichen Gründen. Aber nun, wo ihr keiner mehr was kann, kämpft sie. Und die Gewerkschaft, in Gestalt der IG-Bau-Sekretärin Gerlinde Schenk, ist sichtlich erleichtert, „dass sich endlich mal jemand aus der Deckung wagt“. Solche „Machenschaften“ seien ihr „noch nie untergekommen“.
Der Justiz auch nicht, es gibt keine Literatur, auf die das Gericht sich stützen könnte, von „juristischem Neuland“ spricht auch Klägeranwalt Jörg Faust. Wem gehört das Trinkgeld auf dem Toilettenteller? Faust verlangte, das Unternehmen müsse seine entsprechenden Einnahmen offenlegen, in einem zweiten Schritt hätte Simone Reißner gern etwas davon ab. 200, 300 Euro an einem normalen Tag kämen im Centro zusammen, „an einem Weihnachtswochenende bis zu 8000“!
Ob das stimmt, muss Interclean nun vorrechnen, entschied am Dienstag die Kammer unter Arbeitsgerichtsdirektor Johannes Jasper. Dass die Firma das Klimpergeld bislang einsteckt, bestreitet sie gar nicht: Es diene „der Entlohnung der Mitarbeiter“, stand sogar auf einem Aushang, der zwischenzeitlich aber verschwunden war. Der Kunde bezahle für den, dem es zustehe, argumentierte Interclean-Anwalt Hermann Löbbecke, „also der Reinigungsfirma“. Die müsse sogar zuschießen, um die „Sitzer“ zu bezahlen: Für die Aufsicht gebe es vom Centro kein Geld. Zudem wisse jeder Mitarbeiter, „dass er das Geld nur nimmt, um es weiterzuleiten. Dafür wird er ja bezahlt.“
Eine Frage für weitere Instanzen
Schlecht zwar, wie die Gewerkschaft klagt, die für einen Beruf, den es eigentlich gar nicht gibt, auch keinen Tariflohn erstreiten kann. Aber „eine andere Vergütung“, so Löbbecke, „ist nicht darstellbar“. Für stundenlanges Herumsitzen, das Simone Reißner am Ende nicht mehr konnte. Sogar selbst mal zu müssen, sagt sie, sei nicht gern gesehen gewesen. Als sie aber noch saß in ihrem Kittel und wachte, fand auch Richter Jasper, habe der Kunde wohl geglaubt, sie gehöre zum Reinigungsteam. „Und das muss er auch denken.“ Schließlich: „Wird das Bild nicht bewusst geschaffen, um dem Kunden das Geld aus der Tasche zu locken?“ Vermutlich werden das weitere Gerichte klären. In erster Instanz, waren sich die Beteiligten einig, wird es nicht entschieden.