Duisburg. . Schweigegebot für Rocker – das galt auch für den 38-jährigen Satudarah-Chef Ali Osman. Doch jetzt überlegte er sich’s anders. Vor dem Landgericht Duisburg packte er aus. Dafür machte er persönliche Gründe geltend. Seine Club-Kameraden reagierten prompt.
Rocker verraten keine Rocker: Jahrelang hat der Präsident des Motorrad-Clubs Satudarah nach diesem Ehrenkodex gelebt. Jetzt hat der 38-Jährige diese eiserne Regel gebrochen. Als erster Chef einer Rocker-Gruppierung überhaupt. Vor dem Landgericht Duisburg gibt der Angeklagte am Dienstag umfangreiche Drogen- und Waffengeschäfte zu. Dabei wird bekannt, dass er schon nach seiner Festnahme im April 2013 bei der Polizei detaillierte Angaben gemacht und zahlreiche Komplizen verraten hatte.
Osman begründet den Bruch des Rocker-Ehrenkodex’ mit einer Krankheit seines Sohnes. Der Rocker will aus dem Milieu aussteigen. Diese Verständigung mit dem Gericht begrenzt Osmans Strafhöchstmaß. Mit der in Aussicht gestellten Höchststrafe von sieben Jahren und sechs Monaten Haft erklärt er sich einverstanden. Die mögliche Beteiligung des Satudarah-Präsidenten an einem Handgranaten-Anschlag auf das Clubheim der Duisburger Hells Angels im August 2012 würde dann nicht mehr weiter untersucht.
Sein Sohn sei lebensgefährlich erkrankt und brauche ihn, sagt er
In dem Geständnis, das Osmans Verteidiger Klaus Spiekermann vor dem Landgericht Duisburg verliest, begründet der 38-Jährige seinen Sinneswandel mit einer lebensgefährlichen Erkrankung seines Sohnes. Diese habe ihm keine andere Wahl gelassen, als den Rocker-Ehrenkodex zu brechen. Der Junge, der wohl an Krebs erkrankt ist und dem mehrere Operationen bevorstehen, brauche nun seinen Beistand.
Die leitende Ermittlerin der Duisburger Polizei, die am zweiten Verhandlungstag gehört wurde, nennt Osmans Geständnis „glaubwürdig“ und „sehr wertvoll“ für die weiteren polizeilichen Nachforschungen. Er gebe nicht nur Einblicke in seine eigenen Tatbeiträge, sondern nenne auch Lieferanten und Abnehmer für die Drogengeschäfte des Satudarah MC.
Das habe es bis jetzt noch nicht gegeben, dass der Präsident einer Rockergruppe so nachhaltig auspacke und Strukturen im Rockermilieu offenlege, sagt die Kriminalbeamtin aus.
So seien auch die niederländischen Ermittler dank dieser Aussagen hochrangigen Satudarah-Mitgliedern der Muttergruppierung auf der Spur, gegen einen werde unter anderem wegen dreifachen Mordes ermittelt. Im Duisburger Verfahren stehen zurzeit zwei hochrangige Mitglieder der Rockergruppe „Satudarah“ vor Gericht. Die Anklage umfasst 21 Punkte, als Höchststrafe stehen 15 Jahre Haft im Raum.
Anwalt glaubt: Sein Mandant benötigt eine neue Identität
Für einen Deal zum Strafmaß müssen die Angeklagten ein glaubhaftes Geständnis ablegen. Das aber gilt unter Rockern als Todsünde. „Das sind hochgefährliche Leute, gegen die mein Mandant ausgesagt hat“, bestätigt Verteidiger Klaus Spiekermann. „So wie ich die Polizei verstanden habe, sieht sie ihn als gefährdet an.“
Nicht umsonst eskortieren SEK-Beamte den „Kronzeugen“ Osman mit schusssicherer Weste zur JVA. So geht der Anwalt auch davon aus, dass für seinen Mandanten Zeugenschutz und eine neue Identität notwendig sind. Insgesamt elf der 15 Anklagepunkte räumt Osman ein: Drogenschmuggel und Verstöße gegen Waffengesetze.
Seine Club-Kameraden quittieren seine Aussage auf unmissverständliche Weise: Kaum hatte der Angeklagte den Vortrag der Verteidigung als seine eigene Einlassung bestätigt, stehen zehn Männer im Zuschauerraum auf und verlassen demonstrativ den Gerichtssaal. Der Satudarah MC hat augenscheinlich mit seinem ehemaligen Präsidenten gebrochen und ihn fallengelassen.