Duisburg. Die Polizei bekommt die Situation vor Schulen nicht in den Griff. Immer mehr sich sorgende Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule - obwohl das gefährlicher ist. Doch die Eltern sind vielfach beratungsresistent Ein neues Konzept der Landesregierung soll das ändern.

Wer gegenüber der Grundschule wohnt, hat den gefährlichsten Teil des Schulweges natürlich noch vor sich. So geht es Greta (7) aus Duisburg, denn bevor sie glücklich drüben anlangt in der Lutherschule, muss sie sich an den Elterntaxis vorbei schlängeln. "Sie parken in der zweiten Reihe, parken gegen die Fahrtrichtung, und notfalls wird sogar über den Bürgersteig gefahren", sagt Gretas Mutter.

Sagt Lukas’ Mutter, sagt Annas Vater, sagen alle – solange sie nicht selbst am Steuer sitzen. Denn von Viertel vor acht bis acht regiert inzwischen Verkehrschaos vor Hunderten Grundschulen im Ruhrgebiet: wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto bringen. Aus Zeitdruck und aus Vorsicht. Die Folge: Verkehrsregeln sind außer Kraft gesetzt. Die Standard-Entschuldigung: "Dauert doch nur ein paar Sekunden."

Je mehr Elterntaxis, desto gefährlicher

Also halten sie irgendwie, halt auch in der Busbucht, sie wenden in den Gegenverkehr oder über Privatgrundstücke, sie parken mit ei­nem Rad auf dem Radweg, heißt ja auch so, Radweg, sie blockieren die Rettungsgasse und stoßen rückwärts wieder zurück. Und dazwischen: kleine Kinder, die an den fuhrwerkenden Autos vorbei irgendwie zur Schule vordringen müssen – doch der Bürgersteig ist zugestellt ausgerechnet von denjenigen, die es gut meinen. Ihre logische Spitzkehre ist: Sie wollen ihr Kind vor Autos schützen, indem sie selbst für alle anderen zum Auto werden.

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Sie irren. Im Auto zur Schule gefahren zu werden, ist viel gefährlicher als zu laufen. Nach einer Untersuchung des ADAC kamen 2013 in Deutschland 10.363 Kinder unter 15 Jahren zu Schaden, die im Elterntaxi fuhren. Und: Am Gefährlichsten ist es kurz vor dem Ziel, wo "Eltern in vielen Fällen durch regelwidriges Anhalten oder riskantes Wenden die Sicherheit anderer Kinder teilweise massiv gefährden", so die Studie. An 750 Grundschulen in NRW wurden Schüler, Eltern und Lehrer gefragt. Das eindeutige Ergebnis: je mehr Elterntaxis, desto gefährlicher.

Zaubersterne für Fußgänger und Busfahrer

Was kann man machen? Bisher - nichts. In Duisburg sprachen Po­lizisten Fahrväter und Motormütter vor verschiedenen Schulen an, aber "ich kann Ihnen blind sagen, die alten Zustände kehren schnell wieder zurück. Da können Sie auch mit Elefanten im Zoo diskutieren", sagt Ramon van der Maat von der Duisburger Polizei.

Und ein Kollege aus Gelsenkirchen meint: "Das ist unfassbar. Die Leute sind beratungsresistent." Aufklärungskampagnen? "Nach drei Tagen ist alles wieder wie vorher." Informationsabende für Erstklässler-Eltern? "Bald parken sie genauso wie die, die schon längere Zeit dabei sind."

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Doch jetzt kommen die Verkehrszähmer. Das ist ein Konzept der Landesregierung, das den He­bel beim Kind ansetzt. Die Überlegung ist: Wenn das Kind darum bittet, mit dem Bus fahren oder laufen zu dürfen, werden manche Eltern sich die Sache vielleicht überlegen. Das Mittel der Wahl: Belohnung und Gruppendruck.

Also: Wenn Kinder auf das Elterntaxi verzichten oder zumindest auf die letzte Strecke, dann erhält ihre Klasse jedes Mal "Zaubersterne". Hat eine Klasse ausreichend Zaubersterne, können die eingetauscht werden gegen Spielstunden oder längere Pausen. Unter anderem haben sich sieben Grundschulen in Gelsenkirchen für das Projekt angemeldet.

Blaue Bordsteine und Kinderfußstapfen

Noch etwas weiter geht die Harkortschule in Marl-Drewer, wo Schulleiterin Sigrid Bauer das Phänomen genau kannte: "Jedes Elternteil sieht es ein, macht es aber nicht." Und im letzten Winter wurde dann ein Kind angefahren von einem Elterntaxi.

Jetzt ist Abhilfe da: Schule und Stadt haben zwei Elternparkplätze eingerichtet in mehreren Hundert Metern Entfernung zum Eingang. "Hol- und Bringzone ... ab hier zu Fuß" steht da auf Schildern, die Bordsteine leuchten blau, und gelb gemalte Kinderfußstapfen auf dem Gehweg gehen den idealen Weg zur Schule vor. Und die Eltern? Sind folgsam. "Das ist komplett entspannt jetzt", sagt Bauer: "Ich dachte erst, es wäre nur die erste Begeisterung, aber es hält an." Zaubersterne regnen auf Drewer...