Oberhausen. . Pssst, eigentlich ist diese Information streng geheim: In der Ausstellung „Top Secret“ gibt es nun „Die Nacht der Agenten“, eine abendliche Führung durch die Welt der Spionage, Martini-Cocktails inklusive. Die Führung ist so überzeugend, dass unser Reporter mutmaßte, dass eine Verschwörung dahinter stecken muss.
In der Neuen Mitte Oberhausen steht seit 16 Monaten ein Museum, das heißt „Top Secret“ und gibt vor, eine Ausstellung über „die geheime Welt der Spionage“ zu sein; betrieben wird es von einer gewissen „Mehr! Entertainment GmbH“, aber da muss natürlich etwas ganz anderes dahinterstecken – was, ist leider nicht ganz klar. Aber wie groß muss die Verschwörung sein, dass es keinerlei Indizien für sie gibt!
„Fühlen Sie sich beobachtet? Gut. Denn Sie werden beobachtet“, heißt es jedenfalls im Eingang und nur Sekunden später, mit liebem Gruß ans Internet: „Die CIA liest mit.“ Das ist nicht etwa eine im Sommer hastig aktualisierte Fassung, das sagen sie seit der Eröffnung im Frühjahr 2012 – und niemals hat es auch nur das allergeringste Wellchen geschlagen.
Eine gut ausgeleuchtete Schattenwelt
Hier also beginnt die erste „Nacht der Agenten“, die spätabendliche Führung durch eine gut ausgeleuchtete Schattenwelt; wie praktisch jeder gute Abend, beginnt auch dieser wieder mit Cocktails. Der Mann, der hier Regie führt und zweieinhalb Stunden über Spione plaudern wird, steht schon vorne und sagt gerade: „Mein Name könnte Ingo Mersmann sein.“
Erster Lacherfolg für „Ingo Mersmann“. Seine Frau kennt ihn auch nur unter dem Namen. Haha!
Wenn Grass in die DDR kam, war die „Lauschkeule“ unterwegs
25 Leute sind gekommen, vielleicht auch 30, Paare, Mutter mit Tochter, Freundinnen mit Sekt, interessiert an Spionen, angelockt von James Bond. Mersmanns Interesse an allem, was strengstens geheim ist, ist hingegen etwas älter: Als Geschichtsstudent hat er sich näher befasst mit Admiral Wilhelm Canaris, dem Leiter der „Abwehr“, also des Geheimdienstes der Wehrmacht; auch war er, Mersmann, in Sachen Kunsthandel unterwegs in der späten DDR und erinnert sich an ein ausgesprochen hübsches Stück geheimdienstlichen Aberwitzes. An jenen Künstler, der regelmäßig Besuch aus dem Westen bekam in der Person von Günter Grass: „Vor der Wohnung des Künstlers fuhr dann immer ein Abhörwagen der Staatssicherheit auf. Den kannte jeder. Wenn der Wagen da einparkte, wusste er: Ah, Grass ist unterwegs zu mir.“
Die Stasi nannte den Wagen zwecks Tarnung ,Schwalbe’. Die völlig ahnungslosen Ostdeutschen nannten ihn „Lauschkeule“.
Sektflaschen werden zu Blasrohren, Spazierstöcke können schießen
So ist die Welt der Geheimdienste. Ihre Mission: Auf möglichst aufwändige, teure und gefährliche Weise Dinge herauszubekommen, die ein etwas interessierterer Zeitungsleser schon weiß. Patriotismus und Paranoia wohnen eng beieinander bei Agenten und Spionen, Mord und Handschlag folgen aufeinander; Räuber und Gendarm sind ihre Methoden, aber mit der Technik des 20. Jahrhunderts. Hier vernichten Koffer sich selbst, Sektflaschen dienen als Blasrohre, Gießkannen als Kameras, und Spazierstöcke können schießen (siehe auch „Der Spion, der mich siebte“).
Wenn Ost-Agentinnen in Leipzig Firmenchefs aus dem Westen planmäßig abschleppten – seien wir offen, ein sehr einfacher Plan –, dann landeten die im „operativen Bett“, so der Stasi-Jargon; und was es mit dem griffbereiten Kondom mit Drahtschlinge auf sich hatte, das bleibt jetzt besser im Dunkeln. Aua! Aber das Lieben der Anderen ist ja immer ein Thema.
Doch dies ist nur ein Ausflug in Oberhausen. Es servieren junge Männer in Trenchcoats. Denn wie praktisch jede gute Führung, wird auch diese unterbrochen mit Cocktails.
Eine Abhörwanze, getarnt als Olive
Da mischen sich Realität und Fiktion, also, in der Welt der Agenten: Oder was soll man davon halten, dass der sowjetische KGB angeblich eine eigene Abteilung damit beschäftigte, Spionagetechnik aus Hollywood-Filmen nachzubauen? Der Nachweis liegt im Cocktail-Glas: Die real existierende Abhörwanze, getarnt als Olive, stammt ursprünglich aus dem Bastelkeller von „Q“, dem Tüftler aus James Bond.
Den Gästen hat es soweit schon die Sprache verschlagen, allenfalls flüstern sie einander Sätze zu wie: „Das ist ja so interessant!“ Denn Mersmann weiß. Wie man von außen Passagiere abhören kann auf Kreuzfahrtschiffen. Oder: Warum Kanzler und Präsidenten bei Auslandsreisen immer ihre eigene Toilette mitnehmen lassen und danach ihre, nun ja, Ausscheidungen wieder mit nach Hause (weil es bei Geheimdiensten irgendwann professioneller Standard geworden war, die Exkremente ausländischer Spitzenpolitiker abzufangen, zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen auf deren Gesundheitszustand). Was lehrt uns das? Man möchte vielleicht nicht alles wissen, was auf Amerikas „Air Force One“ mit an Bord ist.
Allein über Ingo Mersmann erfährt man herzlich wenig an diesem Abend. Dass er aus Bielefeld stamme, erwähnte er noch. Guter Herr Mersmann, die Stadt gibt es doch gar nicht! Wie jeder weiß, der sich auch nur am Rande mit der Bielefeld-Verschwörung befasst hat. Hat Mersmann sich gerade verplappert? Oder war es ein getarnter Hilfeschrei? Wer ist er wirklich? Wie praktisch jeder gute Abend, endet auch dieser wieder mit Cocktails.
Geschürt, nicht gerüttelt, sagt man nicht so?
- Die Ausstellung „Top Secret – Die geheime Welt der Spionage“ ist täglich geöffnet. Das Gebäude befindet sich am Centro in Oberhausen, Aquarium 2. Eintritt: 14 Euro, Kinder (4 bis 14 Jahre): 9 Euro. Weitere Termine zur „Nacht der Agenten“ auf Anfrage; Am 19. September, 19 Uhr, Infoveranstaltung zum Bundesnachrichtendienst (Eintritt frei, bitte anmelden). Tel: 0208/ 62 039 111; www.spionage.de