Essen. . In Essen soll Cemil G. am Mittwochabend seine 19-jährige Tochter erschossen und seine Ehefrau lebensgefährlich verletzt haben. Der 50-Jährige ist auf der Flucht. Der Mann ist wegen häuslicher Gewalt der Polizei bekannt. Die Ermittler gehen davon aus, dass er mit Schusswaffen unterwegs und gefährlich ist.

„Sie war immer so gut gelaunt und hat so oft gelacht“, sagt die 14-Jährige. Hinter ihr auf den Treppenstufen liegen Blumen, Kerzen brennen, ein Plüschteddy steht neben einem Porzellanengel. Ihre Freundin ist erschossen worden am Mittwochabend in Essen-Frohnhausen, wahrscheinlich vom eigenen Vater. Seine Ehefrau, ihre Mutter, wurde ebenfalls getroffen und kämpft im Krankenhaus um ihr Leben. Der Mann, Cemil G., ist auf der Flucht.

„Als ich das gehört habe, bin ich fast ohnmächtig geworden“, sagt die 14-Jährige. Ihre Freundin H. sei temperamentvoll und zugleich sehr direkt gewesen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihre Mutter beschützen wollte“, sagt das Mädchen leise. Auf der Busehofstraße vor ihrem Wohnhaus vertreten auch andere die Theorie, dass die Tochter sich zwischen ihre Eltern warf, als der Streit eskalierte.

Zoff habe es immer wieder gegeben, sagt eine 27-Jährige, die gleich um die Ecke wohnt. In einer Wohngegend, die nicht zu den besten in der Stadt zählt – auch wenn in der Busehofstraße die meisten Fassaden gepflegt wirken. Auch die Polizei musste mehrfach ausrücken zu der türkisch-stämmigen Familie mit den drei Töchtern – die älteste ist verheiratet und wohnt nicht mehr daheim – häusliche Gewalt war stets der Anlass. Gegen den 50-jährigen Vater soll deshalb ein Hausverbot verhängt worden sein.

Betreibt in Essen ein Eiscafe: der flüchtige Cemil G.
Betreibt in Essen ein Eiscafe: der flüchtige Cemil G. © Polizei

Polizeibekannt ist Cemil G. aber nicht nur deshalb. Näher äußern sich die Ermittler nicht dazu. Klar scheint für die Ermittler im Moment nur: Es habe im Vorfeld keinerlei Hinweise gegeben, dass eine solche Tat bevorstehen könnte.

Es soll finanzielle Probleme gegeben haben

Seit 15 Jahren soll Cemil G. in seinem eigenen Eiscafé gearbeitet haben, erst an der Frohnhauser Straße, zuletzt an der Krefelder Straße. Dort brennt immer noch das Licht, ein voller Aschenbecher steht auf dem Tisch. Erdbeer-, Saure Sahne- und Vanille-Eis steht in der Kühltheke, so als ob das Café gleich wieder aufmacht.

Allein es soll finanzielle Probleme gegeben haben, erzählt ein Nachbar. Damit sei Cemil G. auch ganz offen umgegangen, sein Betrieb lief nicht mehr. Bereits vor etwa zwei oder drei Jahren sei er zu Hause ausgezogen. „Seit anderthalb Jahren ging es auch bergab mit seinem Café“, sagen zwei Frohnhauser. Mit den finanziellen Sorgen sei Cemil G. ruppiger zu manchem Gast gewesen: „Kellnerinnen hatten keine Lust mehr, dort zu arbeiten.“ Aggressiver sei der 50-Jährige aufgetreten, „hat Nachbarn bedroht“. „Zuletzt hat er in der Eisdiele geschlafen“, sagt ein 37-Jähriger. Er soll dort noch an dem Tag bis mittags gearbeitet haben, an dem er abends seine Tochter erschoss.

„Unsere Kollegen haben noch versucht, sie zu reanimieren“, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Doch die junge Frau starb noch in der Wohnung. Tatwaffe war wohl eine Pistole oder ein Revolver größeren Kalibers. Offenbar hat Cemil G. sie mitgenommen, als er kurz nach den Schüssen gegen 19.30 Uhr zu Fuß flüchtete und den Familienwagen stehen ließ. „Wir gehen davon aus, dass er mit Schusswaffen unterwegs und gefährlich ist.“ Trotz bundesweiter Großfahndung bleibt er verschwunden.

Mutter und Tochter wollten am Tatabend in die Türkei fliegen

Die 45-jährige Mutter wurde noch in der Nacht mehrere Stunden lang operiert. Ihr Zustand ist weiter kritisch, berichtet auch ein junger Freund der Familie, der gerade aus dem Krankenhaus kommt. Eigentlich habe die Mutter mit ihrer Tochter am Abend der Tat in die Türkei fliegen wollen, um dort die Sommerferien zu verbringen. Eine Schwester des Opfers sei schon vorgeflogen und komme nun aus dem Urlaub zurück, berichtet der 14-Jährige. „Noch hat ihr keiner die ganze Wahrheit erzählt.“

„H. war absolut vernünftig“, sagt die Freundin der Getöteten. So wie ihre ältere Schwester, sagt sie, die habe ihre erste Liebe geheiratet. H. wollte nach der Schule eine Ausbildung zur Konditorin machen. „Sie hat wunderbare Torten gemacht“, sagt die Freundin. „Sie wollte mir eine zu meinem Geburtstag backen.“ Der ist in fünf Tagen. H. kann ihn nicht mehr erleben.