Herne.. Weil alles auf die fliegenden Menschen in den Riesengeräten schaut, hält man die Kirmes für eine einzige Hich-Tech-Landschaft. Tatsächlich aber haben sehr viele ganz traditionelle Geschäfte überlebt: Hau den Lukas, Dosenwerfen, Entenfangen usw. sind nicht totzukriegen.

Gelbes Kleidchen, rosa Hütchen, große Augen: Anna Mia Hein beim Entenangeln. Mit der Magnet-Angel holt das Bochumer Mädchen neun Badeenten aus dem Becken, in dem 250 schwimmen. Ihr Bruder tut das auch, dann werden Punkte gezählt und Gewinne ausgesucht. Anna Mia, 5, wählt schließlich die Pompons; Lennart, 2, greift entschieden zum Modell eines Düsenjägers. Manche Dinge ändern sich nie. Womit wir irgendwie beim Thema wären.

Denn die vermeintliche High-Tech-Landschaft Cranger Kirmes ist vollgestellt mit Vergnügungen, von denen man vorher nicht sicher wäre, ob es sie überhaupt noch gibt. Ein Entenangeln? Mindestens vier! „Wir haben nur Entenangeln, aber davon zwei“, sagt Lars Stritzke in heiterer Resignation.

Bestimmt um die Hälfte sei der Umsatz über die Jahre gesunken, aber „die Kinder“ kämen noch immer. Durchschnittsalter: fünf, sechs, sieben, und mit elf hört es dann auf. „Der Reiz daran? Das ist eine gute Frage“, sagt Stritzke: „Aber Entenangeln gibt’s seit Ewigkeiten und noch Ewigkeiten.“

„Das mittlere Alter will eigentlich nur Alkohol“

Bei Elke Schmidt werfen die Leute mit Ringen nach Spielzeug, Zauberwürfeln oder Stehaschenbechern mit Nacktbildern, aber „das mittlere Alter will eigentlich nur Alkohol. Früher Asbach, heute Wodka oder Waldgeist“. Praktische Drei-Liter-Flaschen stehen da und wollen umringt werden, doch einfach ist das nicht.

Ringewerfen war nahezu tot, vorübergehend verdienten sie ihr Geld mit Tütenangeln, doch dann kam Ringewerfen zurück. „Vom Kind bis zur Oma“, sagt Elke Schmidt; man muss freilich dazusagen, dass der Betrieb heute auf mehreren Beinen steht: Eine Schießbude gehört dazu, und Schmidts Lebensgefährte verkauft noch Eis.

Crange. Offensichtlich arbeiten die großen Fahrgeschäfte daran, die Leute auf den Mond von Wanne-Eickel zu schießen; bis es in ein paar Jahren bestimmt soweit ist, ist augenscheinlich auch ganz beliebt, in 30 Metern Höhe kopfüber zu hängen oder nach allen Seiten frei zu fallen. Man sagt ja auch: Schleudertraum.

Auf dem „Crangeplan 2013“ haben sie keine eigene Nummer

Doch nimmt man den Blick runter, sieht man all die Geschäfte mit grauen Haaren. Auf dem „Crangeplan 2013“ haben sie keine Nummer, wie die Achterbahn eine hat oder das Riesenrad oder „Shake&Roll“ oder „Voodoo Jumper“. Nein, sie sind nur anonyme schwarze Quadrate, Füllsel auf einem Faltblatt: Bonraths chinesisches Fadenziehen. Bei Hans Bauer aus Dortmund kann man einen Blumentopf gewinnen, bei Aufermann aus Witten völlig ungestraft einen Eis-Mohren bestellen.

Selbst der Horoskopautomat und das Liebesbarometer tun noch ihre betagten Dienste, und bei der Wahrsagerin steht eine Warteschlange – wer hätte das geahnt? Die letzte reisende Box-Bude ist eine Legende für sich, nur heißt sie jetzt „Fight“; und der Krake ist „Big Monster“ und auf Facebook. Aber da ist er ja nicht das erste.

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„Hau den Lukas“ ist jedenfalls nicht totzukriegen und das Gekreische in der Gruppe groß, wenn ein Junge es nur schafft auf Höhe „Schlappschwanz“. „Hau den Lukas? Das ist ein Standard, solange Männer sich nicht ändern und sich vor den Frauen zeigen wollen“, sagt der Schausteller-Präsident Albert Ritter. Oder das Dosenwerfen bei Jeanette und Wolfgang Blum: Über 30 Jahre sind sie jetzt im Dosenwerfen-Business, da kann sie nichts mehr überraschen – aber umgekehrt schon: „Dosenwerfen gibt es gar nicht, die Leute werfen ja nicht die Dosen“, sagt Blum.

Vierte Generation wartet schon

Das Geschäft da hinten heißt „Looping the Loop“, aber die Hemden der Helfer sprechen eine andere Sprache: „Immer eine Schaukel voraus“ steht darauf. Das ist doch die gute alte Schiffschaukel! Seit 1949 in Betrieb, in der dritten Generation im Besitz der Familie von Olnhausen, und die vierte sitzt am Rand in der 15-jährigen Gestalt von Arno: „Der Junge soll einen Beruf lernen und dann in die Fußstapfen treten“, sagt sein Vater Markus.

Schiffschaukeln sei ein solides Geschäft, sagt er, die Kunden beschäftigen sich, haben Spaß und Zuschauer. Jetzt gerade sind alle sechs Schaukeln kreisend unterwegs, und davor warten die nächsten Kunden. „Ich gehe davon aus, Schiffschaukeln gibt es noch in 50 Jahren“, sagt der Chef, „meine Familie hat Hunger.“