Istanbul. Von Mainz nach Istanbul. Damit Schalke 04 auch bei Champions-League-Spielen nicht auf den eigenen Mannschaftsbus verzichten muss, fährt Busfahrer Lars Laser den blauen Riesen in einem 40-stündigen Trip nach Istanbul. Mit dabei: 800 Liter Diesel und Wimpel für grimmige Zöllner.

Eine Stahltür führt in das Garagen-Gewölbe des Mainzer Stadions. Dort stehen sich zwei Mannschaftsbusse des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 gegenüber. Mittelfeldspieler Julian Draxler und Verteidiger Christian Fuchs unterhalten sich beim Einsteigen in „Bus II“ über das 2:2 beim FSV Mainz. „Bus II“ ist genauso königsblau lackiert wie „Bus I“, doch von innen ist er ein normaler Reisebus. In ihm rollen die Spieler nun nach Gelsenkirchen, dem Feierabend entgegen.

Lars Laser raucht noch eine Zigarette vor „Bus I“. Laser ist Zeugwart und Busfahrer der Schalker. Seit 2003 fährt der 38-Jährige die Mannschaft, seit zwei Jahren ist er fest beim Verein angestellt. Eine Spezialfirma hat „Bus I“ umgerüstet. 30 Schlafsessel, vier Fernsehschirme, Bordküche mit Heißluftofen und Espresso-Maschine. „Wenn du willst, fliesen die dir sogar den Boden“, sagt Laser.

Kein Job für zarte Menschen

Es ist Samstag, 18.30 Uhr, Lars macht mobil. Mit seinem Kollegen Achim Jordan (49) wird er den leeren Bus nach Istanbul fahren, um die Mannschaft für das Champions League-Achtelfinale am Mittwoch gegen Galatasaray am Flughafen Atatürk abzuholen. 2800 Kilometer, 40 Stunden soll der Trip dauern. Im Tank schwappen 800 Liter Diesel für die 480-PS-Maschine.

Einsteigen! Der Bus rollt aus den Stadion-Katakomben, draußen winken die Fans. Nicht überall, wo Schalke drauf steht, ist auch Schalke drin. Aber niemand kann sehen, dass der Bus leer ist, die Spezialscheiben lassen keine Blicke von außen nach innen durch.

Kurz vor 20 Uhr, zwischen Würzburg und Nürnberg wirbeln Schneeflocken, es klatscht, als das Salz der Streufahrzeuge gegen den Bus fliegt. Laser hat auch 50 Kilo Streusalz eingepackt. „Kann sein, dass wir auf der bulgarischen Landstraße darüber froh sein werden.“

Zeugwart Laser ist kurz wutgelaunt

Die ersten vier Stunden sind vorbei. Laser hat am Steuer mit Jordan getauscht. Er ist der Chef im Bus und stellt die Regeln auf. Er darf alles, sogar während der Fahrt mit dem anderen Busfahrer reden. Er trinkt einen Kaffee nach dem anderen. Kein Job für zarte Menschen.

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Um 2.40 Uhr wird es draußen hell. Die Lichter einer Großstadt huschen vorbei, Wien. Um 3.35 Uhr rutscht Laser vor dem Bus auf dem Eis des Bürgersteiges aus: die Grenze nach Ungarn. Es ist saukalt. Wenn in dieser Gegend der Winter ausbricht, kannst du einen ganzen Wald verbrennen, ohne dagegen anzukommen. Die Autobahn-Vignette gibt es nur weiter hinten in einer Holzbude. Laser schlittert nur im T-Shirt durch die Nacht über das Eis. Statt gut gelaunt ist er mal kurz wutgelaunt.

An der Grenze zu Serbien heißt es: "Hitler, Schalke, weiterfahren!" 

Weiter! In Ungarn tragen die Orte Namen aus Buchstaben, die beim Scrabble immer übrig bleiben. Hajdüböszörmeny, Püspökladany oder Gyöngyös. Endlich geht die Sonne auf, der Bus ist kurz vor Szeged. Feuerwehr und Polizei haben die Autobahn gesperrt, ein Transporter liegt kopfüber in der Leitplanke. „Scheiße“, murmelt Jordan und lenkt den Bus über einen Rastplatz vorbei.

Verschnaufpause für Lars Laser (l.).
Verschnaufpause für Lars Laser (l.). © Jakob Studnar / WAZ Foto Pool

In Szeged gibt es ein Paprika-Museum, das „Hotel Paprika“ und Paprika-Salami zum Frühstück. Laser und Jordan müssen die vorgeschriebenen elf Stunden Pause machen. Sie nehmen Zimmer im Hotel, die Dame an der Rezeption guckt irritiert. „Sie brauchen die Zimmer nur bis 18 Uhr?“

Die Zeit vergeht im Schlaf, schon ist es 18 Uhr, weiter! An der Grenze von Ungarn zu Serbien staut sich der Verkehr. Nach zwei Stunden steigt endlich ein Grenzer in den Bus. Der Mann trägt statt Haaren Stacheldraht auf den Zähnen und sagt: „Hitler, Schalke, weiterfahren!“ Er kriegt ein paar Wimpel aus der Fan-Artikel-Kiste, die Laser für griesgrämige Zöllner mit Steinbeißer-Gesicht eingepackt hat. Der Steinbeißer geht mit den Wimpeln stolz nach draußen. Er lässt die anderen Busse zurücksetzen, dann winkt er den Schalker Bus durch.

"Ich mache das ja nicht zum Spaß"

Weiter Weg: Über Wien, Budapest und Belgrad lenken die Schalke-Busfahrer den Vereinsbus nach Istanbul.
Weiter Weg: Über Wien, Budapest und Belgrad lenken die Schalke-Busfahrer den Vereinsbus nach Istanbul.

„Geht doch“, brummt Laser. Drei Söhne hat er zu Hause. Einer zwei Monate alt, einer zwei Jahre, einer fünf Jahre. „Der älteste ist immer traurig, wenn ich fahre“, sagt Laser. „Aber ich mache das ja nicht zum Spaß.“ Er blickt auf die Straße.

Jordan hat in der Küche das Abendessen gekocht: Kartoffelgratin, Frikadellen. Dazu gibt es den wunderbaren Nudelsalat, den seine Frau ihm mitgegeben hat.

Ein Schalke-Trikot für den bulgarischen Grenzer 

Um 23.29 Uhr tauchen neben der serbischen Landstraße Tiere im Fernlicht auf. „Wölfe“, sagt Laser. „Schakale“, sagt Jordan. Drei Stunden später klettert der bulgarische Grenzsoldat in den Bus und fragt: „Pistole?“ – „Nix Pistole! Schalke.“ – „Dortmund!“ – „Nix Dortmund, Schalke!“ Jordan brüht einen doppelten Espresso für den Grenzer, dazu kriegt er ein Trikot. Als er aussteigt, sagt er: „Schalke gut!“

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Bulgarische Dörfer ziehen vorbei wie dunkle Lastkähne, keine Eleganz, nur Trägheit und Schwere. Die Zeit verwandelt sich in Sirup. Es ist Montag, die Uhr mit den roten Digitalzahlen zeigt 4.12 Uhr, als Laser in der Innenstadt von Sofia hinter der Straßenbahn der Linie 18 hängt und nicht vorbei kommt. „Fahr’ mal einen Meter weiter links“, knurrt er. Aber die Straßenbahn springt noch nicht einmal für Schalke aus den Schienen.

Vor dem Hotel wird der Schalke-Bus geputzt

Um 12.28 Uhr parkt Laser den Bus vor dem Ritz Carlton von Istanbul rückwärts ein. 41 Stunden hat die Fahrt gedauert. „Die Karre sieht von dem Streusalz aus wie ein paniertes Schnitzel“, findet er. Ein Hotel-Page besorgt einen Schlauch, Laser und Jordan waschen den Bus vor dem Haupteingang des Fünf-Sterne-Palastes.

Am Donnerstag bringen sie die Mannschaft zum Flughafen. Dann fahren sie zurück. 2800 Kilometer, 40 Stunden. Wenn alles gut läuft.

Das ist Schalke-Gegner Galatasaray

Galatasaray - Das ist Schalkes Gegner in der Königsklasse

Galatasaray ist der erfolgreichste Fußballklub der Türkei. Stadtrivale Fenerbahce gewann zwar ebenfalls 18 Mal die Meisterschaft, allerdings waren „die Löwen“ (türkisch: „Aslanlar“) häufiger im türkischen Pokal erfolgreich (14 Mal).

"Cim Bom" - "Die Löwen"

Als bisher einzige Mannschaft vom Bosporus konnte „Gala“ einen internationalen Titel gewinnen: 2000 holten sie sowohl den UEFA-Cup, als auch den UEFA-Supercup.

Der Bosporus brennt - Rivalität in Istanbul

Die Rivalität zu Fenerbahce ist legendär. Wenn beide Klubs aufeinandertreffen spricht man vom „internkontinentalen Derby“: Das Duell zwischen Galatasaray (mit Stadion auf europäischem Boden) und Fenerbahce (Stadion in Asien) wird wegen seiner Brisanz nur unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen ausgetragen. Auch die Begegnungen mit dem dritten Istanbuler Traditionsverein Besiktas sind für ihre Hitzigkeit bekannt.

Mit Didier Drogba kam ein Champion

Didier Drogba bescherte dem FC Bayern vergangenen Mai das „Drama dahoam“ und Abramovitschs Chelsea den ersten Titel in der Königsklasse. Trotzdem war an der Stamford Bridge kein Platz mehr für den bulligen Angreifer: Shanghai Shenhua lockte den Ivorer mit einem Fabelvertrag, doch nach drei Monaten ohne Gehaltszahlungen aus China flüchtete der 34-Jährige nach Istanbul.

Didier Drogba darf gegen Schalke ran

Obwohl die Anwälte weiter über die Rechtmäßigkeit dieses Transfers streiten, gab die FIFA grünes Licht: Drogba darf gegen Schalke auflaufen. Der Vertrag mit dem EM-Torschützenkönig 2004 Milan Baros wurde in der Zwischenzeit aufgelöst.

Eindrucksvolles Drogba-Debüt

Drogba kann auf ein fantastisches Debüt im Gala-Trikot zurückblicken: Am Freitag erzielte er bereits nach drei Minuten sein erstes Tor für Istanbul. Zudem bereitete er einen weiteren Treffer vor.

Wesley Sneijder wurde in Mailand aus finanziellen Gründen aussortiert

Wesley Sneijder gewann mit Inter 2010 noch die Champions League, wurde jedoch aussortiert, weil er die Forderung nach Kürzung seines Jahresgehaltes nicht akzeptierte. Da die nahenden Financial-Fair-Play-Regularien der UEFA den Mailändern Sorgen bereiten, wurde der Niederländer für 7,5 Millionen € Ablöse verkauft.

Wesley Sneijder versetzt Istanbul in Ekstase

Sneijder war der Premier League zu teuer, aber in der Türkei war man bereit, ein Grundgehalt von über vier Millionen Euro im Jahr zu bezahlen. Mit seiner Zusage versetzter er Istanbul in einen Freudenrausch. Bereits nach wenigen Tagen konnte Galatasaray Trikoteinnahmen im siebenstelligen Bereich vorweisen.

Felipe Melo - Hitzkopf im "Gala"-Mittelfeld

Felipe Melo ist zum zweiten Mal hintereinander aus Turin ausgeliehen und die Säule im zentralen Mittelfeld der „Löwen“. Der Mann mit der Nummer zehn sorgte erst im November für ein Highlight, als er als Feldspieler einen Elfmeter in der Schlussphase hielt, nachdem Torhüter Muslera vom Platz geschickt wurde. Der brasilianische Nationalspieler gilt als Hitzkopf: Sein Rot nach einem Tritt gegen Arjen Robben im WM-Viertelfinale 2010 gegen die Niederlande wird als einer der Hauptgründe für das Ausscheiden der „Selecao“ betrachtet.

Tomas Ujfalusi - Ein Bekannter aus der Bundesliga

Tomas Ujfalusi ist ein alter Bekannter aus der Bundesliga: Der Abwehrspieler trug von Januar 2001 bis Sommer 2004 das Trikot des HSV. Über die Stationen Florenz und Atletico Madrid landete der 34-jährige Tscheche 2011 am Bosporus, zog sich allerdings im August einen Kreuzbandriss zu und wird den Verein im Sommer verlassen.

Hamit Altintop - Geboren in Gelsenkirchen

Hamit Altintop steht als gebürtiger Gelsenkirchener natürlich im Rampenlicht. Der Ex-Wattenscheider und Bruder von Halil Altintop trug in 150 Pflichtspielen das Schalke-Trikot und erzielte dabei elf Tore. Kam als „Königlicher“ in die Türkei: Nach vier Jahren bei Bayern München, kickte der Nationalspieler in der Saison 2011/12 bei Real Madrid, kam dort allerdings nur zur zwölf Einsätzen.

Fatih Terim - Der "Imperator"

Trainer Fatih Terim war lange türkischer Rekordnationalspieler und trägt bis heute den Spitznamen „Imperator“. Coacht Galatasaray bereits zum dritten Mal (fünf Meistertitel): 2000 schrieb er Geschichte, in dem er mit „Cim Bom“ den UEFA-Cup gewann – der erste internationale Titel für einen türkischen Klub überhaupt. Auch als türkischer Nationaltrainer war er erfolgreich: Terim führte sein Land 1996 erstmals zu einer EM und erreichte 2008 das Halbfinale, wo allerdings gegen Deutschland Schluss war.

Galas Bilanz gegen deutsche Teams

Für Galatasaray steht das zwölfte Heimspiel gegen ein Team aus der Bundesliga an und nur zwei der bisherigen Spiele konnten sie gewinnen. Bei den letzten fünf Heimspielen gegen deutsche Vereine gab es keinen Sieg. Die Heimbilanz gegen Bundesligisten liegt bei zwei Siegen, sieben Unentschieden und zwei Niederlagen.

Galas Bilanz gegen deutsche Teams

Beim letzten Duell mit einer deutschen Mannschaft schenkte Galatasaray im Rückspiel einen Zwei-Tore-Vorsprung gegen den Hamburger SV her und schied im Achtelfinale des UEFA-Pokals 2008/09 aus. Den letzten Heimsieg gab es beim 1:0 gegen Eintracht Frankfurt in der zweiten Runde des UEFA-Pokals 1992/93. Den letzten Auswärtssieg gab es 2008/09 in der Gruppenphase des UEFA-Pokals gegen Hertha BSC Berlin, wo damals Schalkes Raffael spielte.

Die Türk Telekom Arena

Seit 2011 trägt Galatasaray seine Heimspiel in der Türk Telekom Arena aus. Das modernste Stadion des Landes bietet Platz für über 52.000 Zuschauer. Schalke darf sich auf einen Hexenkessel einstellen.

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