Detmold. . Fendi Öl., der Vater der ermordeten Arzu Ö., wurde wegen Beihilfe zum Mord zu einer Strafe von sechseinhalb Jahren verurteilt.

Er bleibt ruhig, ungerührt. Geradezu stoisch hat er diesen Prozess über sich ergehen lassen, hat nicht die geringste Regung gezeigt. Seinen Verwandten und Freunden aus der jesidischen Gemeinde Detmolds jedoch steht in diesem Moment der Schock ins Gesicht geschrieben. Zu sechseinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord an seiner Tochter Arzu ist Fendi Ö. gerade verurteilt worden. Damit haben sie nicht gerechnet. Noch im Gericht wird der 53-jährige verhaftet. Zwei Frauen schluchzen laut auf.

Telefonate überführten ihn

Vor knapp neun Monaten saßen hier, im selben Saal des Detmolder Landgerichts, fünf seiner zehn Kinder. Lebenslang erhielt Osman, der seine Schwester Arzu erschoss, langjährige Haftstrafen gab es auch für dessen Geschwister. Er, Fendi Ö., so argumentiert der Vorsitzende Richter Michael Reineke gestern, hätte Arzus Tod, ihre Hinrichtung, verhindern können, wenn er gewollt hätte. Aber Fendi Ö. wollte nicht. Er wollte seine Ehre zurück, vielmehr das, was er dafür hielt.

Arzu, seine 18-jährige Tochter, hatte sich in einen Deutschen verliebt. Schlimmer noch, sie ging, nachdem der Vater sie deshalb mit einem Stock massiv verprügelt und tagelang eingesperrt hatte, sogar zur Polizei und zeigte ihn an. Fendi Ö. war öffentlich bloß gestellt, traute sich fortan auf keine Feier seiner Gemeinde mehr. Wochenlang stellte die Familie alles Erdenkliche an, die in einem Frauenhaus untergetauchte Arzu zu finden, das Problem zu lösen. In der Nacht zum 1. November 2011 entdeckten die Geschwister die junge Frau, entführten sie aus der Wohnung ihres deutschen Freundes und erschossen sie auf einem Golfplatz bei Hamburg.

„Die Anstiftung zu diesem Mord können wir dem Angeklagten nicht nachweisen. Aber er hat in dieser Nacht alles mitbekommen, er wusste, da ist ein Mordkommando unterwegs. Hätte er als Oberhaupt der Familie ,Nein!’ gesagt, wäre Arzu noch am Leben!“, erläutert Richter Reineke in seiner Urteilsbegründung. Der Staatsanwalt hatte acht Jahre und neun Monate gefordert, Ö.s Verteidiger eine Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung. Eine Beihilfe zum Mord, so Rechtsanwalt Gieseke, sei nicht zu beweisen.

Es ist tatsächlich ein Indizienprozess geworden. Gegen Fendi Ö. sprachen – abgesehen von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung und der Freiheitsberaubung – vor allem die vielen Telefonate, die er in der Mordnacht mit seinen Kindern führte. Teilweise klingelten die Handys im Minutentakt. „Wir sind sicher, dass der Angeklagte selbst diese Telefonate geführt hat“, so Reineke.

Ob Arzu noch lebte, als gegen drei Uhr nachts die nach der Entführung Arzus alarmierte Polizei bei Fendi Ö. anklopft, weiß man nicht. Sie durchsuchen sein Haus, müssen miterleben, wie er sich sperrt, wie er die Ermittlungen behindert. „Rufen Sie Ihre Kinder an. Ich mache Sie persönlich dafür verantwortlich, wenn Arzu etwas passiert!“, hatte einer der Polizisten Fendi Ö. gewarnt. Aber Fendi Ö. telefonierte nicht, er schickte seinen Kindern eine SMS: „Die Bullen stehen vor der Tür!“ Ohnehin herrschte in der nach außen so gut integrierten kurdischen Familie ein rüder Umgangston. „Ich f... in ihr Blut!“, soll Fendi Ö. nach dem Tod der Tochter ausgerufen haben.

Auch die Ehefrau wird angeklagt

Sehr ausführlich und juristisch stringent erklärt Richter Reineke, wieso es auch Beihilfe zum Mord durch Unterlassung geben kann. Doch immer wieder vergegenwärtigt er zwischendurch, dass es um Arzu, um den Tod einer Frau geht. Ja, er appelliert geradezu an die Migranten: „Es wird Zeit, dass die traditionellen jesidischen Familien darüber nachdenken, dass sie so in Deutschland nicht leben können, dass sie den Frauen mehr Freiheiten einräumen müssen.“

Dass Fendi Ö. noch im Gericht verhaftet wird, hat nicht nur mit seiner eigenen hohen Strafe zu tun. Gestern wird bekannt, dass auch seine Ehefrau wegen Körperverletzung angeklagt wird. Sie soll laut gelacht haben, als Arzu vor ihren Augen verprügelt wurde.