Gelsenkirchen. .
Andre Kroll schlappt in Neopren-Füßlingen zur Einsprungstelle. Schwimmflossen in der Hand, Entschlossenheit im Blick, zwei Sieben-Liter-Pressluftflaschen auf dem Rücken. Für eine knappe Stunde Atemluft bei der Arbeit unter Wasser dürfte der Inhalt reichen. Knapp 40 Kilo wiegt die Ausrüstung des Polizeitauchers alles in allem.
Von seinen Kollegen im Rhein-Herne-Kanal sieht man in diesem Moment nur Luft-Geblubber an der trüben Oberfläche. Jedes Bläschen wird von Kameras eingefangen, für Fernsehen und Radio kommentiert. Der Medienauftrieb ist enorm. Irgendwo am Ende der Sicherungsleinen suchen gerade zwei weitere Taucher den Grund ab. Flaschengrün ist das Wasser, die Sicht schon in einem halben Meter Tiefe gleich null.
Es regnet, das Ufer ist matschig, das Thermometer hat gerade mal die Acht-Grad-Marke genommen, das Wasser ist noch einen Tick kälter. Die fünf Polizei-Spezialisten steigen in Trockentauchanzügen in den Kanal. Trotzdem: Es sind nicht gerade perfekte Außenbedingungen für einen entspannten Tauchgang. Aber Dienst ist Dienst.
Zwangspause für Schiffe
Irgendwo dort unten sollen Tresore im Schlick liegen, leere vermutlich. Beutestücke einer Bande, abgekippt von der Kanal-Brücke Grothusstraße. Kripo-Beamte aus Recklinghausen und Gelsenkirchen versuchen, eine Einbruchsserie aufzuklären. Die Tatorte ziehen sich durch das gesamte Ruhrgebiet und das nördliche Rheinland. Vor Ort bleiben Mitglieder der Ermittlungskommission arg wortkarg. Die Taten „datieren aus dem Jahr 2011 und früher“, ist zu vernehmen. Und dass die Zahl der Geschäftseinbrüche dieser einen Bande bis in den dreistelligen Bereich gehen könne.
Schon länger stand alles bereit für die eigentlich zwölfköpfige Polizei-Tauchertruppe aus Bochum, die an diesem Dienstag den Ermittlern bei der Spurensuche helfen sollte: Mannschafts- und Gerätewagen warteten in Eisresten auf dem Parkplatz am Nordsternpark, dem ehemaligen Gelände der Bundesgartenschau von 1997. Ein Polizeikran war in Position, ein Abschleppwagen vorgefahren. Den trockensten Job hat an diesem Morgen aber die Wasserschutzpolizei.
Aus Essen sind die Beamten vorgefahren und haben ihr Boot am Kanal-Kilometer 22 festgemacht. Unter Deck harren sie der Dinge, die da kommen. Zum Beispiel Schubschiffe und Frachter. Vor der Hafen-Schleuse müssen die Schiffe eine Zwangspause einlegen, in Gegenrichtung füllen sich nun langsam die Liegeplätze am Amphitheater.
Von Tresoren ist nach zwei Suchstunden jedoch nichts zu sehen. Entsorgte Motorroller hängen dafür nach einigen Mühen am Bergungshaken des Krans. Christian Müther legt die erste längere Verschnaufpause ein. Eine knappe Tauch-Stunde hat er hinter sich. Seine beiden Zehn-Liter-Pressluftflaschen müssen ausgetauscht werden.
„Wenn man sich anstrengt, verbraucht man mehr Luft“, sagt er und schnauft durch. Die rote Gesichtsfarbe zeugt von Höchstbelastung unter Wasser. „Da ist nur Tasten möglich“, sagt Müther. Was er entdeckt hat? „Jede Menge Steine, Metallteile, so genau kann man das nicht sagen. Beim genauen Anfassen war aber kein Tresor dabei. Leider.“
Andere „Abwurfstelle“ ist möglich
Motorroller, Fahrradteile, Radkappen, ein Laptop: „Das sind natürlich so Beiprodukte, die immer auftauchen“, sagt Polizeisprecher Guido Hesse: „Beifang.“ In diesem Fall machen sie den Tauchern und Ermittlern Arbeit. Doch eigentlich wollte die Polizei am Rhein-Herne-Kanal ja anderen Spuren auf den Grund gehen. Den versenkten Tresoren eben.
Dass die Bochumer Polizeitaucher überhaupt im Trüben suchen, hängt mit der Aussage eines Verdächtigen zusammen. 34 Jahre ist der Mann alt, stammt aus Gelsenkirchen. „In seiner Vernehmung hat er geäußert, dass hier die Tresore versenkt worden sind“, sagt Hesse. Zumindest Ortskenntnis darf man dem mutmaßlichen Täter also zubilligen.
Andererseits: Auch die Kanalbrücke an der Uechtingstraße kommt noch als Abwurfstelle in Betracht. Zwei Brücken weiter östlich. Aller Voraussicht nach werden die Taucher dort nächste Woche erneut abtauchen müssen.