Ruhrgebiet. . Berlin hat seinen Flughafen, Hamburg die Elbphilharmonie. Aber das Ruhrgebiet kann das auch: Öffentliche Bauten, die viel teurer werden, die viel später fertig werden und deren Unterhalt weit höher ausfällt, als geplant. Einige Projekte aus der Region, die entschieden aus dem Ruder liefen.

Dortmund leuchtet. Vom gewaltigen Bau des Dortmunder U flimmern Schriftzüge und Wimmelbilder über die Stadt: ein verlässlicher Blickfang, Ausstrahlung hat er und Charisma. Teuer genug war er aber auch: 82 Millionen Euro statt der geplanten 54 kostete es, die alte Brauerei-Lagerstätte in ein Zentrum für gehobene Zerstreuung umzubauen. Dafür wurde es wenigstens nicht pünktlich fertig. Und kostet heute für Betrieb und Kreditleistungen 9,6 Millionen Euro jährlich. 9,6 Millionen ist Ihnen zu abstrakt?

Das sind mehr als 26 000 Euro täglich.

Köln kann es mit der U-Bahn, Hamburg mit der Elbphilharmonie, Berlin mit dem Flughafen: Öffentliche Bauten verteuern sich maßlos und verzögern sich grotesk. Das Ruhrgebiet kann es auch: Der Satz „So eine Verkettung und Massierung von Problemen auf einer Baustelle sind mir in 32 Jahren nicht untergekommen“ klingt zwar eindeutig nach dem Hauptstadt-Flughafen „Problem-BER“ (so der „Tagespiegel“), er galt aber 2011 der Küppersmühle in Duisburg.

„Turmbau zu Duisburg“, steht in der Zeitung

Der geplante Museumsbau nahm seinen Weg ins Millionengrab entschlossen von 20 Millionen geschätzter Kosten über 33 und 48 auf zuletzt 70. Für nichts! 14 000 verpfuschte Schweißnähte gaben ihm zunächst den Rest. Das Landesarchiv in der Nähe entsteht zwar, doch für 190 Millionen Euro statt der veranschlagten 70. „Turmbau zu Duisburg“ steht in der Zeitung.

Und das sind nur die bekannteren Beispiele. Andere verlassen ihre Stadtgrenzen nicht: Die Sanierung des Mülheimer Rathauses sollte 28 Millionen Euro kosten, am Ende waren es reichlich 20 Millionen mehr. Der Ratsherr Wolf Hausmann (FDP), der so etwas vor­ausgesagt hatte, wurde dafür 2007 noch herzlich ausgelacht im Rat. „Realistische, ehrliche Berechnungen vorab“ fordert er seitdem und warnt davor, Projekte herunterzurechnen.

Fußgängerbrücke für 3,5 Millionen Euro

Die Fachwelt ist sich einig, warum öffentliches Bauen oft so viel teurer wird. Erstens: Es dauert lange, also kommen Preissteigerungen auf die Anfangskalkulation. Zweitens: Im Boden und in Altbauten lauern häufig Kostenfallen. Drittens: Um an Fördergelder zu kommen, wird oft unter extremem Zeitdruck geplant – das geht selten gut. Viertens: Bauaufträge werden an die billigsten Anbieter vergeben, also rechnen Baufirmen die Preise absichtlich unrealistisch klein. Und fünftens: Die Politik will es genau so haben. „Politiker neigen dazu, die Kosten herunterzuspielen, damit ein Projekt politisch (leichter) durchzusetzen ist“, sagt Martin Schlegel, selbst Bauingenieur und Präsident des „Bauindustrieverbandes NRW“.

29 Millionen Euro wurden kalkuliert für die Hauptfeuerwache in Mülheim, am Ende waren es 43 Millionen. Holzwickede plante so lange an einer Fußgängerbrücke (!) herum, dass ihr Preis sich auf 3,5 Millionen Euro vervierfachte. In der Nähe der Jahrhunderthalle Bochum soll ein Parkhaus entstehen für 5 Millionen, jetzt werden es 6,4 Millionen, weil der Boden auf dem alten Industriegelände, ach was, so problematisch ist. Freilich: Dem Parkhaus fehlt soweit die hoch gelobte Klinkerfassade. Wissenschaftler prüfen, ob sie überhaupt halten kann. Klingt, ehrlich gesagt, nach Ärger.

Auch interessant

„Sorgfältige Planung ist das A und O“, sagt Bärbel Hildebrand vom „Bund der Steuerzahler“ in Düsseldorf. Der schätzt, dass fünf bis zehn Prozent der Ausgaben nicht wirtschaftlich sind, und fordert seit langem einen Straftatbestand „Haushaltsuntreue“: um Leute verurteilen zu können, die sehenden Auges öffentliche Gelder verschwenden. Allerdings muss man auch sagen: Viele der Bauprojekte, die dem Steuerzahlerbund gemeldet werden als vermeintliche „Verschwendung“, sind dann doch keine.

312 Jahre Bauzeit,dazwischen 320 Jahre Baustopp

Und natürlich muss man Pfennigfuchsern und Reichsbedenkenträgern nicht immer das letze Wort lassen: Vieles, was heute imponiert oder wenigstens gefällt, war zu seiner Zeit teuer und umstritten. Der Eiffelturm. Die Freiheitsstatue. Die Oper von Sydney. Hätte es im 19. Jahrhundert Wutbürger gegeben, gäbe es Neuschwanstein nicht. Hätte das 13. Jahrhundert Bürgerentscheide gekannt, wir hätten wahrscheinlich keinen Kölner Dom. 312 Jahre Bauzeit, dazwischen 320 Jahre Baustopp. Und: Sie werkeln ja noch immer dran herum.

In Bochum wird eine neue, umstrittene Straßenbahnstrecke gebaut. Im Herbst stellt sich plötzlich heraus, dass sie etwas teurer wird. 60 Millionen statt 37. „Wir hätten erwähnen sollen, dass noch gewisse Posten hinzukommen“, sagt ein Sprecher der Bogestra und zählt auf: Gutachten, Verkehrstechnik, Grunderwerb, Unterwerk, Lärmschutz, bestimmte Bauabschnitte . . . „Mit noch weiteren Kostensteigerungen ist nicht zu rechnen“, so die Bogestra. Schauen wir mal. Am Horizont erscheinen gerade drei öffentliche Bauvorhaben der nahen Zukunft, die sozusagen unter vorauseilendem Verteuerungsverdacht stehen. Die Erweiterung der Messe Essen. Das Konzerthaus in Bochum. Und das Fußballmuseum in Dortmund. Dahinter leuchtet das U.